Leben/Gesellschaft

Krieg der Worte um Straßenhunde

Eine Kampagne von Tierschützern für rumänische Straßenhunde droht außer Kontrolle zu geraten. Die rumänische Botschaft in Wien wurde von Tierschützern mit Morddrohungen bombardiert. Jetzt scheinen beide Seiten im Krieg der Worte zu deeskalieren und eine Lösung zu suchen.

Es geht um 65.000 verwilderte Hunde, die die Hauptstadt Bukarest unsicher machen. Die Hunde stellen eine Gefahr für die Menschen und damit ein öffentliches Ärgernis dar. Als im September streunende Hunde den vierjährigen Ionut Anghel bestialisch zu Tode bissen, sah sich die Politik genötigt, zu reagieren. Es wurde ein Gesetz verabschiedet, das es Bürgermeistern gestattet, verwilderte Hunde einzuschläfern, wenn diese nicht binnen zwei Wochen vom Tierheim abgeholt werden.

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Kampagne

Europaweit reagierten Tierschutzorganisationen mit Protestmaßnahmen. Sie fordern von der rumänischen Regierung, die Tiere zu kastrieren und wieder auszusetzen. Dadurch könnten sie sich nicht mehr vermehren, was zu einer humanen Lösung führen würde. Eine Lösung, deren Realisierung in Rumänien aber schon alleine wegen der wirtschaftlichen Lage keine Chance auf Umsetzung hat.

Seitdem wird kampagnisiert. In Österreich stehen an vorderster Front der Wiener Tierschutzverein und die Vier Pfoten. Auf der Homepage des Wiener Tierschutzvereines war zu lesen: „Wir verhandeln über Maßnahmen von diplomatischen Schritten über Wirtschaftssanktionen bis hin zum Abstimmungsverhalten auf EU-Ebene.“

Es gab auch Aufrufe für Protestschreiben mit dem Titel „Rumänien im Blutrausch“. Protestschreiben kamen dann auch in großer Zahl in der Botschaft an, aber auch unterlegt mit unverhohlenen Morddrohungen gegen das Botschaftspersonal. Der Hund sei unschuldig gewesen, das getötete Kind sei selbst schuld gewesen. Man sollte mit den Verantwortlichen genauso verfahren wie mit den Hunden.

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Unter Botschaftsbediensteten macht sich angesichts des radikalisierten Klimas bereits Angst breit. Botschafterin Silvia Davidoi versucht mit Zeitungsinseraten den rumänischen Standpunkt darzustellen. Dem KURIER gegenüber meint sie, man könne doch nicht dazu aufrufen, Menschen für den Tierschutz zu töten. Außerdem sei von einem „Massenmord“ an Tieren überhaupt keine Rede. Es wären nur vereinzelte, lokale Übergriffe gegen Streunerhunde bekannt geworden. Auch bei den österreichischen Tierschutzorganisationen herrscht Betroffenheit bezüglich der überzogenen Reaktionen von Tierschützern. Madelaine Petrovic vom Wiener Tierschutzverein und Elisabeth Penz von den Vier Pfoten sind sich einig: Das seien ungewollte Wortmeldungen, die der Sache keinesfalls dienlich seien.

Unterstützung

Beide Organisationen bieten Rumänien Unterstützung an. Wobei für Petrovic klar ist, dass ein Import der Hunde nach Österreich unrealistisch ist. Aber man könnte rumänische Tierärzte bei der Kastration der Tiere etwa durch Beistellung der teuren Narkosemittel unterstützen. Und Vier Pfoten hat bereits seit dem Jahr 2001 Teams im Land, die verwilderte Tiere soweit behandeln, dass sie von Menschen „adoptiert“ werden können.

Jetzt scheint Bewegung in die Sache zu kommen. In Bukarest wird seit einigen Tagen mit einer Plakatkampagne geworben: „Adoptieren Sie einen Hund.“ In den kommenden Wochen will Staatssektretär Vladimir Alexandru Mănăstireanu nach Wien kommen und mit den Tierschützern verhandeln. Er ist der oberste Veterinär Rumäniens. Im Gegenzug hat inzwischen der Wiener Tierschutzverein die Drohung mit den Wirtschaftssanktionen von der Homepage genommen.

Eine Ursache für die hohe Zahl von verwilderten Straßenhunden liegt noch in der Ära des Diktators Čeauşescu. Damals wurden Tausende Rumänen zwangsweise aus ihren Häusern in kleine Wohnungen in Plattenbauten umgesiedelt. Für viele Haustiere war kein Platz mehr da, sie wurde ausgesetzt.

Ausgesetzte Haushunde verwildern sehr rasch. Sie organisieren sich in Rudeln und werden – im Gegensatz zu Wölfen – auch für Menschen gefährlich. Das zeigten auch jüngste Beispiele aus Bosnien und dem Kosovo. Im Kosovo gestattete die NATO sehr rasch nach der Rückkehr der Flüchtlinge wieder den Besitz von Jagdwaffen, damit sie sich gegen die Hunde-Rudel wehren konnten.

Im Königreich Bhutan gibt es aber auch ein Beispiel für zwar verwilderte, dennoch aber absolut gewaltfreie Streunerhunde. Dort bevölkern sie sichtlich verwahrlost die Dörfer, es kommt aber zu keinen Zwischenfällen, weil sie ausreichend gefüttert werden. Das Motiv dafür liegt im Glauben an die Seelenwanderung. Denn der Hund vor dem Zaun könnte der eigene Großvater sein. Niemand lässt den verlausten „Großvater“ ins Haus, aber man wirft in diesem Fall ein Stück Fleisch über die Mauer. Und deshalb liegen die Tiere scheinbar gelangweilt auf den Dorfplätzen herum und streiten nicht einmal ums Futter.