Leben/Gesellschaft

Themenschwerpunkt Sex: Die Volkshochschule klärt auf

Sexuell fit bis ins hohe Alter“, „Weibliche und männliche Lust“ oder „Nein heißt Nein – Ein Jahr nach MeToo“. Für den kommenden Herbst hat sich die Volkshochschule im dritten Wiener Bezirk ein besonderes Programm überlegt: Alle Vorträge und Workshops behandeln Themen rund um Sexualität. Was heute revolutionär klingt und im deutschsprachigen Raum einzigartig ist, war früher ein Fixpunkt in der Institution für Erwachsenenbildung, erzählt Direktorin Doris Zametzer: „In den Anfangszeiten der Volksbildung vor 125 Jahren war die sexuelle Bildung eine wichtige Säule.“ Mit der sexuellen Revolution der 60er-Jahre rückte der Wunsch nach Information vorübergehend in den Hintergrund. „Man hatte das Gefühl, sexuell sehr befreit zu sein und keine Fragen zu haben. Aber jetzt sehe ich wieder eine Notwendigkeit für die Erwachsenenbildung, sich dieses Themas anzunehmen.“

Orientierungslos

Durch die Flut an Bildern und Information in den sozialen Kanälen, die MeToo-Debatte und den Siegeszug der Dating-Apps gebe es eine neue Orientierungslosigkeit, beobachtet die studierte Soziologin. Um die Aufklärung sei es im Zeitalter Internet nicht so rosig bestellt wie häufig angenommen – spricht von einer „scheinbaren Enttabuisierung“: Alles scheint möglich, häufig fehle es aber an Wissen. „Es gibt viele Mythen. Manche Menschen glauben, wenn sie vorher ein Cola trinken, werden sie nicht schwanger. Unser Ziel ist, gegen diese Mythen zu arbeiten. Dafür braucht es den analogen Diskurs, nicht das Internet.“

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Das Programm hat Zametzer gemeinsam mit dem Sexualpädagogen Mario Lackner erarbeitet. Dieser weiß aus seiner Arbeit mit Jugendlichen, wo Aufklärungsbedarf besteht und wie wichtig es ist, offen über Sex zu reden. „Viele glauben, dass Sex genau so stattfinden muss wie in Pornos. Diese Skripten sind ständig im Kopf und machen eine selbstbestimmte Entdeckungsreise unmöglich.“ Zudem mangle es vielen Jugendlichen an anatomischem Basiswissen: „Mädchen und Frauen haben kein Wort für ihre Vulva oder ekeln sich vor ihrem eigenen Menstruationsblut.“ Die Folgen: Unsicherheit, erhöhter Leistungsdruck (vor allem bei Burschen) und eine steigende Nachfrage nach kosmetischen Operationen im Intimbereich. Ein Grundproblem sieht Lackner auch darin, dass es keine flächendeckende Sexualbildung gibt – „obwohl man weiß, dass Präventionsarbeit wirkt“.

Es sei daher umso wichtiger, die Dinge auf volksbildnerischer Ebene beim Namen zu nennen – die Menschen, sagt Lackner, würden sich ob des Wirrwarrs im World Wide Web nach fundiertem Wissen sehnen. Vom Schmuddeleck sei Sexualbildung – trotz stellenweise pikant klingendem Programm – sowieso meilenweit entfernt, dafür hänge sie eng mit Menschenrechten und Demokratie zusammen, erläutert Lackner. „Der Artikel 3 der UN-Menschenrechtserklärung verbrieft uns allen das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit. Dann dürfen wir auch unsere Sexualität frei und sicher leben. Wenn ich mir dessen bewusst bin, kann ich mich mit all meinen Bedürfnissen selbstbewusst in demokratische Prozesse einbringen.“

Um den Zugang zu Information möglichst niederschwellig zu halten, wird es auch offene Abende („Loveboxes“) geben, an denen das Publikum anonym Fragen – etwa zu den Themen Pornografie, Prostitution oder Geschlechtskrankheiten – stellen kann. Besonders die Aufklärung über alternative, queere Lebensformen, Homo-, A- und Bisexualität oder Transgender liegt der VHS auf dem Herzen. „Die Gleichung ist eigentlich ganz einfach“, sagt Lackner: „Mehr Information bedeutet weniger Angst und mehr Freiheit.“

Info

Von September 2018 bis Jänner 2019 finden in der VHS Landstraße (Hainburger Straße 29, 1030 Wien) Vorträge und Workshops  zum Thema Sexualität statt. Nächster Termin: „Die Lovebox zu Pornografie, Liebe & Co.“ am 18. 9. um 18 Uhr und „HI-Virus: Eigenschaften und Wirkungsweise“ am 25. 9. um 18 Uhr. Weitere  Termine unter www.vhs.at.  Anmeldung:  01-89174-10300 oder per Mail an landstrasse@vhs.at. Eintritt ab 6 €.