Leben/Gesellschaft

So überleben Sie in der Wildnis

Tief durchatmen. Panisch werden braucht sehr viel Energie", sagt Martin Mollay. Seine 14 Schützlinge haben sich verirrt und müssen sich jetzt in einem Wald bei Kobersdorf im Burgenland orientieren. Kompass und Karte haben sie zwar mit. Doch die Teilnehmer des Survivaltrainings sollen lernen, wie sie ohne diese Hilfsmittel auskommen. "Auf Karten und Kompass kann man sich nicht immer verlassen. Die Natur braucht man nur zu beobachten, um sie lesen zu können", meint der 40-jährige ehemalige Jagdkommando-Soldat.

Mollay war vier Jahre lang bei der Eliteeinheit, auch als Ausbildner. Heute trainiert er gemeinsam mit seinem Kollegen Georg Brzobohaty, Lehrer für Flugbahnberechnung und Ballistik beim Bundesheer, mit zehn Männern und vier Frauen das Überleben in der freien Wildbahn – fernab von Stromanschluss, Supermarkt und Badezimmer.

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Sonne, Moose und Ameisenhügel werden zu Orientierungspunkten – letztere sind meist südlich ausgerichtet, da die Insekten den Bau so anlegen, dass ihn im Lauf des Tages möglichst viel Licht erreicht. Es dauert nicht lange, bis der richtige Weg entdeckt ist. Anders sieht es bei der Verpflegung aus. Gegessen wird nur, was auf dem Weg liegt. Magere Angelegenheit. "Survival heißt, seine Sinne zu schärfen", sagt Mollay. Die Teilnehmer kommen großteils aus der Stadt und machen das Training, um enger mit der Natur verbunden zu sein oder sich für Wanderunfälle zu rüsten.

Jäger & Sammler

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Das Motto des Abenteuers: Zurück zu den Ursprüngen als Jäger und Sammler. Die Zwetschken am Wegesrand werden zum begehrten Proviant, Brombeeren stillen den Hunger zwischendurch. Während der Wanderung bleiben wir bei oft übersehenen Nahrungsquellen stehen – auch wenn die nicht ganz dem Spanferkel entsprechen, von dem die 34-jährige Elke aus Wiener Neustadt fantasiert. Wir lernen, dass Schafgarbe gegen Magenschmerzen hilft und Wegerich den Juckreiz nach Insektenstichen lindern kann. "Von einer Handvoll Brennnessel-Samen bin ich den ganzen Tag satt", sagt Mollay, der sich seit mehr als 20 Jahren vegetarisch ernährt. Elke zweifelt, ob das auch für sie zutrifft.

Die gesammelten Brennnesseln kommen später zusammen mit Löwenzahn, Wegerich und ein wenig Salz in den mitgebrachten Topf. Richtig gut schmeckt die Suppe keinem, das Magenknurren wird aber leiser. Auch durch die Beilage: Brot aus Sägespänen, im Anfänger-Camp mit Dinkelmehl gemischt.

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Der Lagerplatz für die Nacht liegt in der Burgruine Landsee, wo auch jene Teilnehmer zu Wasser kommen, die die trübe Färbung eines Bachs am Nachmittag noch abschreckte. Für die Fortgeschrittenen-Camps von Survivaltrainer Mollay gibt es solche Annehmlichkeiten nicht mehr. Sie filtern Wasser aus Flüssen, etwa mit Tampons und selbstgebastelten Filter-Systemen. Wir lernen das nur in der Theorie.

Wie nützlich ein Tampon ist, zeigt sich auch beim Feuermachen. Mit Disteln und Watte aus dem Verbandszeug kann er zum Anzünden genützt werden. Ein zufällig eingestecktes Kondom wird gemeinsam mit einem Socken zum Wassertransporter umfunktioniert – zwei Liter kann man so mitnehmen. "Mit dem Wasservorrat kommt man länger aus, wenn man nicht spricht – das spart 0,75 Liter Wasserverbrauch je Tag", erklärt Mollay. Auf diese Menge kann es ankommen. Denn im Ernstfall gilt die sogenannte Dreier-Regel. "Für Lebensgefahr reichen schon drei Sekunden Unachtsamkeit, drei Minuten ohne Sauerstoff, drei Stunden extreme Witterung und drei Tage ohne Wasser", sagt Georg Brzobohaty. Vorausschauendes Handeln und Ressourcen sparen zählen zu den obersten Prioritäten beim Überlebenstraining.

Nachtlager

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Für die Nacht bauen wir aus Regenponchos Zelte. Spätestens jetzt erkennen die Teilnehmer, ob sie Seiten-, Rücken- oder Bauchschläfer sind. Je nachdem, müssen sie an anderen Stellen leichte Ausbuchtungen graben, um schmerzhafte Druckstellen zu vermeiden. Erst durch die Ruhe des Waldes merken alle, wie müde sie geworden sind.

Die Nacht verbringen die meisten unter freiem Himmel beim Lagerfeuer statt in den Zelten. "Es ist einfach wärmer", sagt die 28-jährige Kerstin. Ihr Bruder Rene legt in der Nacht mehrmals Holz nach – trotz 35 Grad untertags kühlt es Ende August nachts schon sehr ab. Das Geschwisterpaar aus Wiener Neustadt hat im Hinblick auf das Gewicht des Rucksacks auf den Schlafsack verzichtet – ein Fehler, wie sie in der Früh feststellen: "Es war einfach zu kalt." Mit der richtigen Technik könne man aber auch bei Minusgraden gut überleben, meint Mollay und rät, die Füße in den Rucksack zu stecken und sich mit anderen zusammenzukuscheln.

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Beide Trainer haben ihre Lebensphilosophie völlig umgestellt. Mollay versucht mit großem Garten, Photovoltaik-Anlage und selbst produziertem Methangas möglichst autark zu leben und legt die meisten Wege barfuß zurück. Der 32-jährige Brzobohaty stieg auf vegane Ernährung um und beschäftigt sich viel mit Pflanzenkunde. "Survival hat auch viel mit Loslassen zu tun. Man lässt die materialistische Gesellschaft hinter sich. Das versuche ich weiterzugeben", sagt Mollay, der bereits mehr als 100 Survivaltrainings veranstaltet hat.

Asche und Yoga

Am nächsten Tag gibt es statt einer Dusche ein "Bad" in der Asche des Lagerfeuers. Die feinen Partikel wirken laut Mollay nicht nur antibakteriell, sondern schützen vor Sonnenbrand. Ein bisschen unwirklich wirkt, was dann kommt: Yoga. "Natürlich kann man sich fragen, was Yoga mit Survival zu tun hat. Aber es stärkt nicht nur den Körper, sondern auch den Geist, und ein funktionierender Körper reagiert in Extremsituationen besser", sagt Mollay, während er den grau bemalten Survivalschülern die Figur "Baum" vorzeigt.

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Später stehen Knotenkunde und Abseilen am Programm. Jeder lässt sich alleine mit selbst geknoteter Sicherung 30 Meter in die Tiefe und baut einen Flaschenzug. Auch Selbstverteidigung und Erste Hilfe in Notsituationen machen die Teilnehmer trotz leerem Magen – zum Frühstück gab es zwei Zwetschken für jeden – eifrig mit. Am Nachmittag wird es noch einmal anstrengend: Querfeldein, aber immerhin mit Karte und Kompass, führen der zwölfjährige Eddie und sein Vater die Gruppe einen steilen Hügel hinauf.

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Gegen 15 Uhr, beim Abstieg zum Parkplatz, kommen sie wieder, die Spanferkel-Fantasien. Diesmal nicht nur bei Elke. Erschöpft, aber glücklich, in der "Wildnis" überlebt zu haben, führt der erste Weg nach dem Abschluss zum Dorfwirten. Als Erinnerung bleiben mehr als die von Brombeersträuchern zerkratzten Beine. Wie nah wir der Natur waren, merken wir, als uns Asphalt, Autos und Menschen fremd vorkommen. Wenn dieses Gefühl anhält, war Martin Mollay erfolgreich.

  • Löffel – nicht nur zum Essen, sondern auch als Werkzeug
  • Kleine Taschenlampe
  • Tampons – eignen sich gut zum Feuermachen
  • Rasierklinge – als Werkzeug
  • Kondome (mind. 2 Stück) – als Transportmittel für Wasser oder zur Wundversorgung
  • Kompass zur Orientierung
  • Kerze – gibt provisorisches Licht, oder dient zur Unterstützung beim Feuer machen
  • Schmerztabletten
  • Drahtsäge – leicht und klein, aber hoch effizient
  • Messer
  • Entkeimungstabletten – wenn man nicht sicher sein kann, ob das Wasser trinkbar ist
  • Verbandspäckchen und Dreieckstuch (Hilfsmittel bei Verletzungen)
  • Schnur – mindestens 6 Meter
  • Nähzeug und Sicherheitsnadeln – um Risse in Kleidung und Material zu flicken
  • Feuerstein und Feuerzeug
  • Spiegel – für Verletzungen in nicht einsehbaren Zonen und als Signalgeber

Wer einen Anfängerkurs bei Martin Mollay bucht, muss sich zwei Tage Zeit nehmen, um sich Kenntnisse rund um Feuer, Wasser, Nahrung, Orientierung und Unterkunft anzueignen – das Gefühl von Hunger und Durst inklusive (Kosten: 250 €) www.survivaltraining.at

Reini Rossman bietet Survival-Days, -Wochenenden und -Nahrung auf seiner Homepage ueberlebenskunst.at.

Niemals aufgeben, lautet das Motto von Hans-Jürgen Kury. Sein www.survivalcamp-kury.com findet sich in Kärnten.