Leben/Gesellschaft

Eine Schule fürs Restl-Essen

Während in mehreren EU-Staaten – auch Österreich – die Abschaffung des Mindesthaltbarkeitsdatums für Produkte wie Nudeln oder Reis diskutiert wird, schafft Margerita Gaiswinkler Fakten. Sie kann schon lange nicht mehr tatenlos zusehen, wie die Mistkübeln in ihrem Wohnhaus "voll mit Brotwecken und Orangen im Netz sind". Für die 67-jährige Omi zweier Enkelkinder ist das Wegschmeißen von Essen eine Unart: "Wenn der Handel heute sagt ,kauf 2, zahl 3‘, ist dem Überfluss Tür und Tor geöffnet – und auch der Verschwendung." Unterm Strich könnte man mit den in Österreich weggeworfenen Lebensmitteln eine Stadt mit 500.000 Einwohnern ein Jahr lang ernähren.

Die Pfeiffer-Gruppe, zu der Unimarkt und Zielpunkt gehören, hat Gaiswinkler für eine Aufklärungskampagne angeheuert. Die Niederösterreicherin ist eine von 100 Freiwilligen, die sich an der Aktion "Das ist doch noch gut" (www.dasistdochnochgut.at) beteiligen. Sie hält Vorträge an Schulen und in Supermarkt-Filialen. "Ich stamme aus einer Generation, die noch gelernt hat, dass Brotwegschmeißen eine Sünde ist."

Gaiswinkler erklärt, wie man Lebensmittelmüll vermeidet: "Wenn ich zu viel gekocht habe, friere ich die Portionen ein und dann gibt es halt alle 14 Tage Restlessen, der eine bekommt eine Schwammerlsauce mit Knödeln, der andere einen Putenspieß mit Gemüse."

Die Welternährungsorganisation schätzt, dass weltweit 1,3 Milliarden Tonnen Nahrung weggeworfen werden, etwa ein Viertel aller pro Jahr erzeugten Nahrungskalorien. In reichen Ländern geht die Verschwendung zu großen Teilen auf das Konto von Supermärkten, Restaurants, aber auch von Haushalten. Fast die Hälfte davon ist Gemüse, das falsch gelagert wurde, gefolgt von Brot. "Am Samstag wird der Kühlschrank vollgestopft, aber in den nächsten Tagen kommt man erst spät nach Hause oder entscheidet sich, essen zu gehen", sagt Filmregisseur Valentin Thurn ("Taste the Waste"). Mitverantwortung trägt auch die Praxis in Supermärkten, Salathäupteln zu entsorgen, nur weil ein Blatt angefault ist.

Stopp der Vergeudung

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Der falsche Umgang mit Nahrung ist eine der größten Gefahren für die Erde. Bis 2050 werden 9 Milliarden Münder zu füllen sein. Vor allem Milliarden-Länder wie China und Indien treiben die Nachfrage nach Fleisch, Eiern und Milchprodukten in die Höhe. Die Verschwendung zu begrenzen, werde dazu beitragen, die Ernährung der Welt zu sichern, schreibt das Magazin National Geographic in seiner Mai-Ausgabe. Margerita Gaiswinkler sieht ihre Tätigkeit als "Mosaiksteinchen". Weil sie es sich leisten kann, kauft Gaiswinkler direkt beim Bio-Bauern im Wienerwald und bestellt ihre Orangen beim Produzenten im spanischen Valencia (www.orangenfrisch-nachhause.com). Die Aufklärungskampagne der Pfeiffer-Gruppe läuft das ganze Jahr.

Ein anderer Handelsriese tut ebenfalls Gutes und redet darüber: REWE spendet Waren für die österreichischen Tafeln, die sich heuer zu einem Dachverband zusammengeschlossen haben. Im Vorjahr haben die Tafeln fast 100 t genießbare Lebensmittel vor dem Müll bewahrt (dietafeln.at).

Jährlich werden in Österreich 157.000 kg Lebensmittel weggeschmissen, europaweit sind es 89 Millionen t. Jeder Haushalt gibt nur noch 12 % seines Einkommens für Essen aus, 1950 waren es noch 45 %.

Jeder österreichische Haushalt schmeißt im Jahr Lebensmittel im Wert von 300 bis 400 Euro weg (entspricht rund 43 kg). Bis 2016 will Österreich diese Menge halbieren, EU-weit bis 2020.