Leben/Gesellschaft

Statt eines Planes ein neues Wort

Seit Verteidigungsminister Gerald Klug (SP) des Kanzlers Fehlen und Schweigen zur Hypo-Causa mit dem Begriff "situationselastisch" umschrieben hat, rätseln viele, was er damit meinte. Jutta Heller unterrichtet "situationselastisches Verhalten" in ihren Workshops. Bei der NLP-Trainerin, Beraterin und Politologin geht es dabei um Notsituationen: "Ich meine damit Steh-auf-Kompetenz. In einer Schrecksekunde liegt man plötzlich flach. Es geht darum, wieder in die Senkrechte zu kommen. So kann man auf Herausforderungen besser reagieren." Heller sieht diese Kompetenz in Verbindung mit anderen wichtigen Schlüsselfaktoren: "Akzeptanz, damit man mit der Situation nicht nur hadert. Und Optimismus, aber nicht einfach nur eine rosa Brille."

Schlechte Performance

"Underperformance" ist hingegen jener neudeutsche Begriff, mit dem der Germanist Rudolf Muhr die Auftritte der Bundesregierung beschreiben würde. Jene der Vorgänger-Regierung wohlgemerkt. Beim "situationselastischen" Kabinett Faymann II sei es schlimmer, "die scheinen keinen Plan zu haben". Entweder man traue sich nicht oder habe nichts zu sagen. "Wenn Sie mich fragen, ist ,situationselastisch‘ ein reiner Euphemismus (unliebsame Sachverhalte, versehen mit angenehmen Assoziationen)."

Bezeichnend sei, dass ein Politiker diese Wortschöpfung benutze, die 2011 in der engeren Auswahl für das Unwort des Jahres stand. "Da ist ein gewisses Maß an Unernsthaftigkeit dabei." Man habe "nicht das Gefühl, die denken sich was dabei", sondern fühle sich "einfach nur gepflanzt". Der schwammige Begriff passe zum Regierungsstil, meint Muhr.

"Unter Kreisky hätten sich gute Leute zusammengesetzt, mit externen Beratern, und in 14 Tagen hätten die einen Plan gefasst, der, koste es was es wolle, durchgezogen worden wäre. Das war Regieren." Der heutige Stil erinnere an eine Grippe, die zehn Jahre dauere. "Es kann sein, dass die Republik eine Lungenentzündung kriegt."

"Situationselastisch" könnte heuer Unwort des Jahres werden. Zumindest legt die virtuelle Massenempörung den Verdacht nahe. ZiB-Moderator Armin Wolf twitterte: "Es ist erst Februar, aber ich glaube, ein besseres Wort als ,situationselastisch‘ kommt in der Innenpolitik heuer nicht mehr." Cengiz Kulac, Bundessprecher der Jungen Grünen, tippte: "Ich bin dafür, dass situationselastisch als Beziehungsstatus auf Facebook anerkannt wird." Societyreporter Dieter Chmelar stöberte auf www.fremdwort.de eine Übersetzung auf, nämlich: "wankelmütig, unsicher in Gesinnung und Haltung". Politologe Hubert Sickinger riet seiner Gefolgschaft, das Wort schnell wieder zu vergessen.

Das könnte sich als Trugschluss erweisen. Viele Unwörter bleiben. Man denke nur an "liken", "anfüttern", "Töchtersöhne" usw. usf.

Die Debatte ließ auch humanistisch Gebildete wie den KURIER-Lateiner Wolfram Kautzky nicht kalt. Kautzky konnte nicht umhin das Klug’sche Diktum zu übersetzen: Minister Sapiens annuntiavit cancellarium et vicecancellarium posthac cuilibet condicioni apte in medium prodituros esse (Minister Klug kündigte an, dass Kanzler und Vizekanzler in Zukunft situationselastisch auftreten werden).