Schulnoten: Was sie "können" - und was nicht
Von Ute Brühl
Das erste Semester haben die Schüler bereits fast geschafft. Doch bevor sie sich eine Woche erholen dürfen, bekommen sie noch ein Zeugnis – oder genauer gesagt, eine Schulnachricht – in die Hand gedrückt. Anlass genug, um darüber nachzudenken, was Noten aussagen, wie sinnvoll sie sind und welche alternativen Beurteilungsformen es mittlerweile in Österreich gibt.
Welche Leistungen fließen in die Zeugnisnote ein?
Bewertet wird nicht nur das, was ein Schüler kann. Auch seine Einstellung, sein Fleiß oder seine Ordnungsliebe fließen in die Note ein. Dabei wertet jeder Lehrer anders. Bildungspsychologin Christiane Spiel von der Uni Wien nennt ein Beispiel: „Ein hochbegabter Mathematiker ist besser als seine Lehrer. Auf Schularbeiten schreibt er nur ,Sehr gut‘. Hausübungen macht er dagegen nie. Und auch im Unterricht macht er nicht mit, weil er permanent unterfordert ist. Ein Pädagoge würde dem Schüler einen Einser geben – schließlich kann der Schüler ja alles und muss daher nichts üben. Sein Lehrer-Kollege würde ihm einen Fünfer ins Zeugnis schreiben – mit der Begründung, dass der Schüler die geforderten Leistungen nicht erbracht hat.“
Muss ein Lehrer dokumentieren können, wie eine Note zustande kommt?
Ja. Ein Lehrer muss jederzeit dem Schüler bzw. den Eltern Auskunft darüber geben, auf welche Note er derzeit steht und wie diese sich zusammensetzt. Also: Wie werden die Schularbeiten gewichtet, wie die Mitarbeit, die Hausübungen, Tests etc. Sobald ein „Nicht genügend“ droht, muss der Lehrer eine Frühwarnung aussprechen.
Warum gibt es Ziffernnoten?
In Österreich regelt die Leistungsbeurteilungsverordnung LBVO die Notengebung. Durch die Noten werden etwa die Selbstständigkeit der Arbeit, die Erfassung und Anwendung des Lehrstoffs sowie die Eigenständigkeit des Schülers beurteilt. Alternative Beurteilungsformen darf es nur dort geben, wo ein entsprechender Schulversuch genehmigt wurde.
Welche alternative Formen der Leistungsbeurteilung gibt es? Und was ist deren Vorteil?
Vor allem in Pflichtschulen haben sich Alternativen zu den Ziffernnoten durchgesetzt. Damit kann die Leistung des Kindes genauer beschrieben werden. Wichtig wäre es laut Bildungspsychologin Spiel, dass ersichtlich wird, welche Leistungsvorgaben ein Kind erfüllt hat und welche Leistungsfortschritte es persönlich gemacht hat. Da wäre etwa die verbale Beurteilung. Allerdings: „Wir haben häufig beobachtet, dass da Ziffernnoten einfach in Sätze gefasst werden.“ Verbreitet sind Pensenbücher. Brigitte Bruschek von der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule Wien/Krems erläutert: „Darin werden detailliert Lernziele aufgelistet. Z.B. Subtrahieren im Zahlenraum bis 100. Der Lehrer bewertet, ob der Schüler dieses Ziel erreicht hat.“ Eine Weiterentwicklung des Pensenbuches ist die kommentierte direkte Leistungsvorlage. „Darin werden Belege wie Arbeitsblätter beigelegt, die dokumentieren, dass der Schüler z.B. mittlerweile das Einmaleins beherrscht. Dieses Konzept sieht vor, dass die Eltern regelmäßig über die Entwicklung ihres Kindes informiert werden. Verbreitet sind Lernfortschrittsdokumentationen. Sie enthalten den zu beherrschenden Lernstoff und den Fortschritt, also was ein Kind dazugelernt hat.
Welche Handhabe haben Schüler, wenn sie sich ungerecht benotet fühlen?
Die rechtlichen Möglichkeiten sind gering. Michael Fuchs-Robetin, Schuljurist und Richter am Bundesverwaltungsgericht rät: „Suchen Sie als das Gespräch mit dem Klassenvorstand oder Direktor. Widerspruch kann man nur am Endes des Schuljahres einlegen, wenn ein Schüler nicht zum Aufstieg in die nächste Schulstufe berechtigt ist. „Neu ist, dass man hier die Entscheidung der Schulbehörde über den Widerspruch durch das Gericht überprüfen lassen kann.“
Welche Funktion haben Noten überhaupt?
Hier muss man sich erst klar darüber werden, welche Aufgaben die Schule hat. Die Bildungspsychologin Christiane Spiel nennt die drei wichtigsten. 1. Qualifikation: Die Schule soll Wissen und Kompetenzen vermitteln. 2. Sozialisation: Werte werden weitergegeben und die Schüler lernen im Klassenverband zu leben. 3. Allokation: Das Zeugnis erteilt Berechtigungen – etwa zum Aufstieg in die nächste Schulstufe oder zum Wechsel von der Volksschule ins Gymnasium. „Bei der Zeugnisnote steht die letzte Funktion im Vordergrund“, bedauert Spiel.KURIER Schüleranwalt