Schweden: Eklat bei Twitter-Experiment
Von Barbara Wimmer
Es ist eine ungewöhnliche Idee, die sich hierzulande keiner trauen würde: Seit Dezember 2011 darf jede Woche ein anderer Schwede auf dem Twitter-Account @sweden seine Ansichten verbreiten, um Werbung für das Land zu machen. Doch dann kam es zum Eklat. Zwei Social Media-Experten erklären gegenüber der futurezone, warum eine derartige Aktion in Österreich undenkbar sei.
Mehr als 53.000 Menschen verfolgen via @sweden regelmäßig mit, was die Schweden über das Kaffee trinken oder die Elchjagd denken. „Prinzipiell eine sehr mutige Social Media-Democracy-Aktion, die man eigentlich unterstützten sollte", meint Nardo Vogt von der Social Media-Agentur ambuzzador.
Doch diese Woche kam es zum Eklat. Die 27-jährige Sonja Abrahamsson, die in der Nähe von Göteborg lebt und alleinerziehende Mutter von zwei Kindern ist, übernahm den Twitter-Account. In ihrer ersten Nachricht ließ die Mutter die Twitter-Gemeinschaft wissen: Wer kein Rührei mag, könne kein echter Schwede sein. Am Dienstag fragte sie sich öffentlich, was „die ganze Aufregung über Juden soll". "Man kann nicht mal erkennen, ob Personen Juden sind, es sei denn, ihre Penisse sind zu sehen und nicht mal dann kann man sich sicher sein", lautete eine weitere Nachricht. Am Donnerstag twitterte die junge Frau unter anderem darüber, dass ihr Sohn Drogen und Pornos in die Hände bekommen hätte.
Schweden sieht "keinen Handlungsbedarf"
„Derartige Aussagen könnte man in Österreich und Deutschland nicht bringen", sagt Vogt. Die schwedische Tourismusbehörde, die die Kampagne zusammen mit dem Schwedischen Institut gestartet hatte, sah allerdings keinen Handlungsbedarf. Man werde den Twitter-Account nicht löschen, „nur weil ein paar Leute sich provoziert" fühlen, hieß es von den Projektverantwortlichen. Man lässt die 27-Jährige weiter das Land offiziell auf Twitter vertreten.
Abrahamsson ist zudem nicht die einzige, die auf dem Twitter-Account @sweden bereits auffällig geworden ist und Beiträge veröffentlicht hat, die schlichtweg keinen Nutzen für das Land haben. Der erste offizielle Teilnehmer, der von der Tourismusbehörde ausgewählt worden ist, der 22-jährige Jack Werner, schrieb über seine Freude an der Masturbation und über Analsex, wie auf der Projekt-Website „Curators of Sweden" nachzulesen ist.
"Vorher ein Regelwerk aufstellen"
Judith Denkmayr von Digital Affairs meint dazu: „Eine derartige Kampagne zu starten, war naiv. Wenn man den Menschen freie Wahl bei den Themen lässt, kann so etwas jederzeit passieren." Deshalb müsse man vorher ein Regelwerk aufstellen, was erlaubt sei und was nicht. In Österreich sei eine derartige Aktion unvorstellbar, so Denkmayr. „Bei uns fürchtet man sich zu sehr vor einem Kontrollverlust. Wir sind hier wesentlich vorsichtiger."
Das sieht auch Vogt so. Man habe die „schlechten Erfahrungen" mit der Social Media-Präsenz vom „Teamkanzler" noch nicht vergessen und auch Werbung für ein Land habe etwas mit Politik zu tun. Schließlich werde dabei ein Land nach außen hin vertreten. Dass die Tweets von Abrahamsson und Werner dem Land Schweden geschadet haben, glauben weder Denkmayr noch Vogt. „Als Borat rauskam, war die Aufregung in Kasachstan groß. Doch dann hat der Tourismus zugenommen", führt Vogt als Vergleich an.
"Nicht Teil unserer Strategie"
Dass das ganze eine Marketing-Strategie war, die darauf abzielt, den Account gezielt durch Aufreger-Nachrichten zu pushen, halten die beiden Social Media-Experten für eher unwahrscheinlich. Olaf Nitz, der die digitale Strategie für die Tourismus Werbung ausarbeitet, erklärt gegenüber der futurezone: „Eine derartige Aktion ist für Österreich zwar nicht gänzlich undenkbar, aber es ist momentan nicht Teil unserer Strategie."
Der offizielle Twitter-Account von der Österreich Werbung, @austriatourism, sei derzeit als reiner B2B-Kanal konzipiert und hat derzeit rund 5000 Follower. Der Twitter-Account @austria befindet sich in privaten Händen, stünde also für ein ähnliches basisdemokratisches Projekt wie in Schweden derzeit gar nicht zur Verfügung.