Schildkröten sind anspruchsvolle Haustiere
Von Hedwig Derka
Sie leben im Wasser und an Land, haben einen panzerharten oder lederweichen Rücken, gelbe Bäuche, rote Wangen, lange Hälse oder breite Ränder und bevölkern nahezu jeden Winkel der Erde. Ihre Vorfahren entwickelten sich vor mehr als 220 Millionen Jahren.
Heute sind einige der 341 Schildkröten-Arten in ihrer Existenz gefährdet. Auch die Haltung der Tiere daheim ist nicht immer artgerecht. Die American Tortoise Society hat daher den 23. Mai zum internationalen Tag der Schildkröte ernannt. Der Schutzgedanke steht im Mittelpunkt.
"Nicht alle Schildkröten eignen sich als Haustier", sagt Katharina Reitl. Die Expertin aus dem KURIER-Tiercoach-Team rückt das falsche Bild der "langsamen, pflegeleichten" Reptilien zurecht.
Boom
Schildkröten erfreuen sich in Zeiten zunehmender Allergien großer Beliebtheit. Die felllose Alternative zu Katze, Hund und Meerschweinchen kann tatsächlich eine Beziehung zum Besitzer aufbauen und sehr zahm werden. "Sie strahlen eine Gemütlichkeit aus, obwohl sie recht schnell sind", klärt der Zoodoc aus der Tierärztlichen Ordination Tiergarten Schönbrunn auf.
Wer sich für eine Schildkröte entscheidet, muss bedenken, dass die winzigen Babys eine beachtliche Größe erreichen können. Und ein stolzes Alter von mehr als fünfzig Jahren. "Das ist eine Verpflichtung für mehrere Generationen", betont die Expertin. Wer ein erwachsenes Tier übernimmt, reduziert die Zeit der Verantwortung und erspart sich die sensible Phase der Aufzucht. Im Wachstum sind richtige Ernährung und Pflege fordernd. Zudem lässt sich das Geschlecht erst später eindeutig bestimmen.
Einzelgänger in der Gruppe
Von Natur aus sind Schildkröten Einzelgänger, daheim ist auch Gruppenhaltung möglich. Zwei Männchen harmonieren nicht. Sie sind sexuell sehr umtriebig, ein Männchen braucht daher mindestens drei Weibchen. "Reptilien legen auf jeden Fall Eier, ob die befruchtet werden oder nicht", erklärt Tierärztin Reitl. Findet das Weibchen keinen Eiablageplatz, kann es zu Legenot kommen.
Lebensverkürzend wirkt auch ein inadäquater Winterschlaf. Ist das wechselwarme Wirbeltier nicht ganz gesund oder schwankt die Temperatur und unterbricht die sechs monatige Ruhephase, wird das Einwintern zum Risiko.
"Schildkröten dürfen keinesfalls ausgesetzt werden", sagt der KURIER-Tiercoach. Arten aus wärmeren Klimazonen überleben den kalten Winter nicht, andere Arten passen sich wiederum so gut an, dass sie den Bestand heimische Arten gefährden.
"Zu Beginn der 40er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts, also am Beginn des schrecklichen Krieges, gelangte eine griechische Landschildkröte in den damaligen Haushalt meiner späteren Schwiegermutter, in der Nähe von Stockerau. Genaue Angaben zum Zeitpunkt konnte sie nicht machen, da sie damals selbst noch ein Kind war. Die Schildkröte wurde jedenfalls von einem Kriegsgefangenen mitgebracht. Sie wurde auf den Namen „Lisi“ getauft.
Nachdem meine Schwiegermutter geheiratet hatte, kamen im Laufe der Jahre insgesamt sechs Kinder (5 Mädchen und ein Bub) zur Welt. Diese wuchsen allesamt mit Lisi auf und sie stand bei allen immer Mittelpunkt. Sie hat einen eigenen Verschlag im Garten, begeht seitdem jedes Jahr ihren verdienten Winterschlaf und wacht jedes Jahr wieder auf.
Nach dem Winterschlaf hat sie immer sehr wenig Appetit, bis zur Eiablage in ihrem Sandnest. Danach überkommt sie immer ein Riesenhunger und sie delektiert sich dann meistens an einer reifen Banane. Auch bei den später zur Familie hinzukommenden Personen (5 Schwiegersöhne, 1 Schwiegertochter und 10 Enkelkindern) stand Lisi bei den zahlreichen Besuchen immer im Mittelpunkt.
Die absolute Bezugsperson war jedoch immer meine Schwiegermutter. Auf deren Zuruf reagierte sie stets. Als die Schwiegermutter voriges Jahr infolge ihres Alters von fast 88 Jahren die Pflege abgab, übersiedelte Lisi zwei Häuser weiter, in den Garten des Sohnes, und bekam eine neuen wunderschönen Verschlag. Dort bewohnt sie bei Bedarf eine komfortable Hütte, wo sie sich im Heu verkriechen kann. Die Pflege wurde ab diesem Zeitpunkt vom jüngsten Enkel (dem 12 Jahre alten Jakob) übernommen, welche dieser mit Begeisterung wahrnimmt.
Er hatte voriges Jahr sein erstes großes Erfolgserlebnis, als Lisi zahlreiche Eier legte. Heuer steht die Eiablage noch bevor. Sie fühlt sich auch in der neuen Umgebung sichtlich wohl, und wir alle hoffen noch auf viele Jahre mit unserer Lisi.
PS.: Lisi hat in ihren weit über 70 Lebensjahren noch nie einen Arzt gebraucht."