Leben/Reise

Die wilden jungen Winzer im Pulkautal

Am liebsten geht er bloßfüßig und in Latzhose durch die Weingärten und seinen Hof. Harald Seymann liebt die Schönheit der Natur und die Qualität eines Weines. Deshalb übernahm der ehemalige Fotograf und ORF-Kameramann auch den Hof seiner Eltern in Karlsdorf im Pulkautal. „Die alte Welt der Dopplerweine haben wir hinter uns gelassen, 2010 die ersten Biowein-Versuche gestartet und Pionierarbeit geleistet“, erzählt Harry.

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Früher hatten alle Bauern in dieser Region eine gemischte Landwirtschaft: „Bissl a Wein, bissl a Schwein“, sagt Seymann. „Dazu die Felder und Gemüsegärten. Sogar der Pfarrer hatte eine Landwirtschaft und stand am Acker.“ Vorbei sind die Zeiten der Selbstversorger. Die junge Generation entdeckte die guten Lagen auf den Hügeln der „Wiege“ oder des „Rustenbergs“, entwickelte ihre Weinspezialitäten und stellte zum Teil auf Bioproduktion um.

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Eine neue Generation

Bei den Seymanns übernahm mittlerweile Laurin, der Sohn von Harald und Nancy, das Zepter. Der 31-Jährige ist nicht nur mit den Trauben aufgewachsen, sondern hat den Weinbau in der Weinbauschule und in Neuseeland von der Pike auf gelernt. „Bei uns beginnt der Pflanzenschutz mit der Laubarbeit und dem Rebschnitt, damit man eine luftige Laubwand hat“, erklärt Laurin und führt die Besucher „Hintaus“, hinters Haus, wo in den Weingärten die ersten Knospen auf den Reben aufgehen.

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Für Martin Machalek, Laurins Winzerfreund aus dem Nachbarort Ragelsdorf, bedeutet Bio „Kompost ausbringen, Begrünung einsäen, um den Boden zu durchwurzeln, um Nährstoffe zu erschließen und Wasser besser zu speichern“. Das bestätigt auch Christian Jassek, der Winzer aus Pernersdorf. „Ein charaktervoller, vielschichtiger Wein benötigt eine reife, gesunde Traube. Punkt. Und die wächst auf einem vitalen Rebstock eines gesunden, intakten Boden.“

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Auch zwischen den Weingärten der Seymanns blühen und gedeihen bunte Blumen neben verschiedenen Obstbäumen und Sträuchern. Je mehr Pflanzenvielfalt, desto mehr Kraft und Fülle bekommt auch der Wein. Mama Nancy Seymann, die kreative Künstlerin und das Marketinggenie der Familie, erntet das Obst und verwandelt es in köstliche Marmelade-, Kompott- oder Chutney-Kreationen.

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Die gebürtige Amerikanerin war auch die treibende Kraft, dass sich vier kleine Winzer der Region zusammenschlossen und einen Verein gründeten. „Harald war zuerst strikt dagegen und hat gemeint, das werde nie funktionieren, wir seien doch alle Konkurrenten. Aber ich habe nicht locker gelassen.“

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Seit 2018 steht der gemeinnützige Verein „Aufblühendes Pulkautal“ für Erfahrungs- und Wissensaustausch der Mitglieder (Seymann, Jassek, Machalek, Grillmeier- Ladentrog) und für die Förderung des Kulturguts Pulkautaler Wein. „Gemeinsam sind wir stark. Wir trauen uns, über den Tellerrand zu schauen, nachzudenken, auszutauschen und umzusetzen. Wir erforschen und rekultivieren die Einzigartigkeit unserer Böden“, sagt Christian Jassek.

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Die Winzer haben nichts zu verstecken, im Gegenteil, sie zeigen den Besuchern gerne ihre Arbeit bei Kellerführungen und Weinwanderungen. Vorbei an farbenfrohen Feldern mit Kürbissen, Sonnenblumen, Getreide, fruchtbaren Weingärten und weiß-gekalkten Kellergassen, die so charakteristisch für dieses Tal nahe der tschechischen Grenze sind. Es ist nicht nur eine Freude, die Vielfalt ihrer Weine zu kosten, sondern auch den Enthusiasmus der jungen Winzer zu erleben.

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„Wir definieren uns als Winzer, wir leben von unserer Hände Werk. Für viele ist es Arbeit und Beruf, für uns ist es Berufung“, sagt Jassek und warnt alle, die es als Traumberuf sehen: „Ich gebe immer eines zu bedenken: Die Werkstätte hat kein Dach. Betriebstemperatur ist von minus 25 bis plus 39 Grad. Blut, Schweiß und Tränen!“

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Sein Handwerk hat der Ragelsdorfer klassisch in der Weinbauschule gelernt, als Filialleiter bei Wein & Co bekam er den letzten Schliff. „Was ich von Heinz Kammerer gelernt habe, ist der Weitblick, Ideen zu verwirklichen, verrückte Winzer ins Sortiment zu nehmen.“ Mit dem ehemaligen Wein & Co-Besitzer schaute er sich weltweit Betriebe an, „von jedem habe ich etwas gelernt“.

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Noch mehr Energie dürften Sabine und Jan Grillmeier-Ladentrog haben. Das Ehepaar bewirtschaftet nicht nur Weingärten mit verschiedensten Rebsorten von Retz bis Pernersdorf, sondern eröffnete vor sechs Jahren auch ein Heurigenrestaurant mitten im Weingarten.

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Der moderne Bau mit Rundum-Panoramafenster ragt wie ein Schiffsbug zwischen den Reben hervor. Auf der Terrasse sitzen Gäste mit einem Glaserl Wein, lassen sich saisonale Speisen schmecken und genießen die Hügellandschaft, bevor sie weiter nach Pfaffendorf wandern.

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Dort wartet der Besitzer der stillgelegten Mühle, die schon 1357 urkundlich erwähnt wurde. Verstaubt sind die alten Mühlsteine, die über Stockwerke reichenden Holz- und Metalltrichter, durch die einst Getreide rieselte und die Stöße von leeren Mehlsäcken. 1968 wurde hier das letzte Mal gemahlen. „Es hat sich nicht mehr rentiert. Es gab einmal sieben Mühlen in der Gemeinde Pulkau, jetzt gibt es keine mehr.“ Mit vielen Erinnerungen erzählt der pensionierte Müller die Geschichte seiner Zunft.

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Anreise
Mit Bahn und Bus in einer Stunde von Wien nach Guntersdorf. oebb.at, anachb.at

Weinfeste
Hoffestival „Hintaus“ im Garten & Hof der Weinhandwerkerei der Winzer Seymann in Karlsdorf. Slow Wine, Slow Food, Musik und leiwande Leute, 
12. bis 14. 7. 2024, seymann-wine.at

„Walk of Wine“ Erlebniswanderung zu Fuß und 
mit Oldtimer-Bus von Buschenschank zu Buschenschank, wo es Heurigengerichte mit Weinbegleitung gibt. Termine 10. und 11. 5. 24, weinstrasse.co.at/walk-of-wine

303 Jahre alt
ist das Weingut von Norbert Bauer, Spezialist für Rotweine in Jetzelsdorf. bauer-wein.com

Mühlenladen  in Karlsdorf Hausgemachtes von Friederike Schnepf  aus den eigenen Obst- und Gemüsegärten. Apfelsaft, Sirupe, Pestos, Taybeeren, Kiwi-, Himbeer-, Marillen- und Maibeerenmarmeladen, Nektare, eingelegte Gurken und Pfefferoni und Vieles mehr. Tel. 0664 86 21 317, Karlsdorf 1.

Übernachten
Hausgnost in Guntersdorf. Ein altes Milchhaus liebevoll renoviert, 4 Appartements, mit 1–2 Schlafzimmern, Küche, Bad, Wohnraum, Garten, Genussladen mit regionalen Produkten für Gäste. 140 €/2 Pers. Im Nachbarhaus führt die Familie Hausgnost eines der besten  Gasthäuser in der Region. hausgnost.at

Vinothek in Guntersdorf  Weine aus dem Weinviertel und dem Rest der Welt bei Elisabeth Hausgnost hausgnost-weingenuss.at

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Die alten Kellergassen

Ein paar Gehminuten weiter, in der Kellergasse, begrüßt Harald Seymann seine Besucher. Im Eingang steht der alte Traktor aus dem Jahr 1956. Verzweigte Gänge im herrlich kühlen, feuchten Weinkeller. In Eichenfässern aus verschiedenen Ländern reift der Rotwein. „Die Fässer sind eine Entalkoholisierungsanlage. Du füllst den Rotwein mit 13,5 Alkoholgehalt rein und nach drei bis vier Jahren holst ihn mit 13 Prozent raus. Die Weine werden intensiver im Ausdruck“, schwärmt der spätberufene Winzer, der im Weinkeller ausnahmsweise Sandalen trägt.