Leben/Gesellschaft

Stippvisite beim kalten Zwerg

Wenn New Horizons heute um 13.50 Uhr dem Pluto so nahe kommt wie nie zuvor und nie wieder, ist Sommer. Denn auch auf Pluto gibt es wechselnde Jahreszeiten. Was die Sonde noch vorfinden wird, liegt im Dunkel des Außenpostens unseres SonnensystemsPluto hat seine Geheimnisse lange bewahrt. Selbst die besten Teleskope liefern keine scharfen Bilder. Wir wissen, dass Pluto da draußen in etwa fünf Milliarden Kilometern Entfernung (rund 33-mal die Distanz Erde–Sonne) existiert. Sonst wissen wir fast nichts über ihn.

Das soll sich heute ändern, wenn die NASA-Sonde in nur 12.500 Kilometern Entfernung an Pluto vorbeirast. Die Zielgenauigkeit ist unglaublich. Zum Vergleich: Bei einem Steinwurf quer über Österreich von Neusiedler zu Bodensee müsste man auf einen Meter genau treffen. Und: Wenn man aus dieser Distanz auf Manhattan schauen würde, könnte man die Seen im Central Park ausmachen, erklärt Alan Stern, der wissenschaftliche Leiter des Projektes. Geht alles gut, reißt New Horizons beim Beinahe-Zusammenstoß also den Schleier von der letzten komplett unerforschten Welt unseres Sonnensystems. Stern: "Der Pluto, den wir uns in unserer Fantasie ausgemalt haben, wird sich in Luft auflösen."

Als New Horizons losflog, war Pluto noch ein Planet. Im Januar 2006 startete die NASA-Sonde vom Weltraumbahnhof Cape Canaveral in Florida, sieben Monate später degradierte die Internationale Astronomische Union (IAU) den vergleichsweise kleinen Pluto zum Zwergplaneten. Eigentlich hatte die US-Raumfahrtbehörde mit der Mission die Ersterkundung aller neun Planeten abschließen wollen, jetzt waren es plötzlich nur noch acht.

Trotzdem gilt der erste Besuch eines irdischen Flugkörpers bei Pluto und seinen fünf Monden als Meilenstein der Raumfahrtgeschichte: Er ist zwar nur noch einer von mehreren Tausend Himmelskörpern, die im Kuipergürtel kreisen – einem Ring aus Gesteinstrümmern jenseits des Neptun, Überreste aus der Entstehungszeit des Sonnensystems vor 4,6 Milliarden Jahren. Aber genau das macht Pluto weiterhin so interessant: Die Fotos, die New Horizons liefern soll, könnten uns besser verstehen lassen, welche Prozesse es waren, die die Erde geformt haben: Auch auf Pluto änderte sich die Zusammensetzung der Atmosphäre im Laufe der Zeit; auch sein Mond Charon dürfte entstanden sein wie unserer – durch den Einschlag eines Mega-Asteroiden.

Apropos Charon: Nur 14 Minuten nachdem die Sonde heute Mittag Pluto passiert hat, erfolgt mit 28.800 Kilometern die größte Annäherung an Charon. Das Funksignal der Sonde braucht aber noch einmal viereinhalb Stunden, bis es die Erde erreicht – obwohl es mit Lichtgeschwindigkeit unterwegs ist.

Der Herbst gehört Pluto

Während New Horizons an Pluto und Charon vorbeijagt, werden die beiden Kameras der Sonde tagelang vor allem Daten sammeln. Und nur wenige Fotos zur Erde schicken. Die meisten kommen erst ab Anfang September an – insgesamt zehn Wochen lang.

Die Mission bleibt bis zur letzten Sekunde spannend. Weil die etwa Klavier-große, 500 kg schwere Sonde mit 50.000 km/h unterwegs ist, könnte schon ein Zusammenstoß mit einem Objekt so klein wie ein Reiskorn das ganze Vorhaben zu Fall bringen. Die vielen Objekte, die den Zwergplaneten umschwirren, bereiten den Wissenschaftlern also Sorgen: "Wir erwarten natürlich Überraschungen. Ich hoffe nur, dass es nicht die falschen sind", sagt Mark Showalter aus dem New Horizons-Team. Und Astronom Michael Brown, der 2005 den Zwergplaneten Eris im Kuipergürtel entdeckte, ergänzt: "Wir sind ziemlich sicher, dass es dort draußen etwas gibt, was so groß ist, dass wir aufhören können, uns über Möchtegern-Dinge wie Pluto zu sorgen und anfangen können, uns mit dem wirklichen neunten Planeten zu beschäftigen."

Aufruf: Neue Planeten-Merksätze gesucht!

Pluto ist raus! Da ihn Astronomen zum Zwergplaneten degradiert haben, hat auch jener Merksatz an Gültigkeit verloren, der vielen Schülern half, sich das Planetensystem zu merken: „Mein Vater erklärt mir jeden Sonntag unsere neun Planeten“. Die Anfangsbuchstaben der Wörter standen für die ersten Buchstaben der Planeten: Merkur, Venus, Erde, Mars, Jupiter, Saturn, Uranus, Neptun, Pluto. KURIER-Leser sind nun dazu eingeladen, einen neuen Merksatz zu finden und an lebensart@kurier.at zu schicken. Die besten Sprüche werden veröffentlicht!

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