Leben/Gesellschaft

Menschen sind Mitschuld am Gletscherschwund

Änderungen in der Vulkanaktivität und natürliche Sonneneinstrahlung ließen die Gletscher mit Ende der kleinen Eiszeit (um 1850) schmelzen. Dass die Menschen mit ihrem steigenden CO2-Ausstoß und durch Rodungen ebenfalls massiv zur Gletscherschmelze beitrugen, wurde lange vermutet. Wie hoch genau der Anteil des Menschen ist, konnten nun Klimaforscher um Ben Marzeion vom Institut für Meteorologie und Geophysik der Universität Innsbruck mit Zahlen belegen. "Es scheint so nahe zu liegen, aber bisher hat niemand gezeigt, dass es tatsächlich die Menschen sind, die dafür verantwortlich sind."

Im Wissenschaftsmagazin Science berichten sie, dass in der Periode von 1851 bis 2010 der vom Menschen verursachte Anteil am Rückgang der Gletscher ein Viertel betrug. "Seit Mitte des 19. Jahrhunderts hat sich der menschliche Anteil gleichmäßig gesteigert", sagt Marzeion. Zurückzuführen sei dies auf die damals aufkommende Industrialisierung.

Besonders deutlich zeigte sich der menschliche Einfluss demnach in den vergangenen beiden Jahrzehnten: Zwischen 1991 und 2010 konnten Marzeion und sein Team mehr als zwei Drittel des Eisverlusts auf das Konto der Menschen zurückführen (siehe Grafik).

Messmethode

Vor zwei Jahren, so Marzeion, wären ihre Forschungen noch nicht möglich gewesen. "Damals wusste man noch nicht genau, wo sich die ganzen Gletscher, die wir für unsere Berechnung brauchen, befinden." Die dazu nötigen Daten über die Flächenausdehnung sowie Lage und Höhe der Gletscher weltweit lieferte das sogenannte "Randolph Gletscher Inventar". Es wurde von einem Wissenschaftler-Team um den Innsbrucker Glaziologen Georg Kaser erstellt.

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Für ihre neuartige Studie konnten die Klimaforscher um Marzeion nunmehr alle Gletscher weltweit mit einbeziehen – nur die Antarktis wurde aufgrund mangelnder Datenlage nicht berücksichtigt. "Die Antarktis wurde erst sehr spät und nur dünn mit Messstationen erschlossen. Unsere Messungen sind global aber auch so aussagekräftig."

Die Forscher erstellten verschiedene Computermodelle, die sie mit Informationen fütterten. "Zum einen mit jenen, die aus der Natur stammen – was die Sonne und die Vulkane ausmachen. Und andererseits mit Informationen zu den menschlichen Aktivitäten – etwa aktuelle Daten zum Treibhausgas-Ausstoß. Man bekommt dann ein Klima mit menschlichem Einfluss und eines ohne. Dann haben wir die zwei Versionen hergenommen und überprüft, wie diese Modelle mit der tatsächlichen Massenbilanz der Gletscher zusammenpassen."

Gibt der heurige verregnete und kühle Sommer den Gletschern etwas Schonzeit? Marzeion, deutlich: "Nein, das kann das große Tauen nicht mehr verhindern." Dass manche Gletscher dennoch wachsen oder kaum schmelzen – wie jene im Karakorum-Gebiet – sei keine längerfristige Entwicklung.

Meeresspiegel

Aufgrund der langsamen Reaktion der Eismassen würden sie weiterhin schmelzen, selbst wenn das Klima weltweit ab sofort unverändert bliebe. Der Meeresspiegel würde bis zum Ende des 21. Jahrhunderts allein durch die Gletscherschmelze um sieben Zentimeter ansteigen. Inklusive der prognostizierten Klimaveränderungen werden es etwa 14 Zentimeter sein. Aktuelle Studien des Potsdam-Instituts zeigen auch, dass der Eisverlust in der Antarktis schneller voranschreite, als bisher angenommen wurde – und das treibt den Meeresspiegelanstieg noch stärker voran.

Dieser bedroht weltweit nicht nur die Küsten, sondern auch die Trinkwasserversorgung der Menschen. Denn mit den Gletschern schwinden auch Wasserreserven in vielen Weltgegenden. Ben Marzeion sieht in seinen Forschungen eine Chance: "Die aktuellen Daten geben die Möglichkeit, sich auf die Trinkwasserknappheit vorzubereiten, bevor sie eintrifft."

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