Leben/Gesellschaft

S.O.S. Chronisch kranke Schüler

Manuel (Name geändert) ist zornig und traurig zugleich: "Ich will endlich kein Zucker mehr haben", schreit er seine Mutter an. Der Grund für seinen Zorn: Sein Typ-1-Diabetes hat den Siebenjährigen innerhalb weniger Tage in der Schule zum Außenseiter gemacht.

Dabei schien seine Welt bei der Einschulung vor ein paar Wochen noch in Ordnung: Manuels Lehrerinnen waren anfangs bereit, den Volksschüler zu unterstützen. Sie ließen sich im Umgang mit seiner Insulinpumpe einschulen. Als die Pädagoginnen allerdings realisierten, dass sie seine Zucker-Werte genau ablesen und davon abhängig die Insulindosis berechnen müssen, war ihnen die Verantwortung zu groß. Sie lehnten es ab, den Schüler weiter zu betreuen. Das hielten sie auch schriftlich fest.

Die Folge: Manuels Mutter musste folglich täglich mit ihm in die Schule kommen, damit er die richtige Insulindosis erhält. Ihren Job verlor die Mutter daraufhin sehr schnell – und auch ihre Nerven. Nach einigen Wochen konnte sie nicht mehr und beaufsichtigte ihren Sohn zu Hause – bis der Anruf von der Schulbehörde kam, sie müsse Manuel in die Schule schicken, sonst würde sie angezeigt. Dann endlich wurde von den Behörden eine Lösung gesucht und gefunden – eine Lehrerin erklärte sich bereit, Manuel zu betreuen.

Allerdings: In einem Jahr geht diese Pädagogin in Pension. Dann muss eine neue Lösung gefunden werden. Für die Eltern eine zermürbende Angelegenheit.

Mütter springen ein

Die Geschichte von Manuel ist kein Einzelfall, erklärt die Sozialmedizinerin Lilly Damm: "190.000 Kinder und Jugendliche in Österreich sind chronisch krank. Sie leiden an Diabetes, Epilepsie oder Asthma. Eine gesetzliche Regelung, wie in der Schule mit diesen Kindern umgegangen wird, fehlt. Oft sind es die Mütter, die ihre Kinder in der Schule betreuen."

Am meisten leiden aber die Kinder: "Sie haben das Gefühl, dass sie nicht in Ordnung sind, so wie sie sind. Sie fühlen sich isoliert, was Auswirkungen auf ihre Psyche und ihren Lernerfolg hat."

Betroffene und Experten wie Medizinerin Damm haben deshalb jetzt eine Bürgerinitiative gegründet. Ihr Ziel "Gleiche Rechte für chronisch kranke Kinder." (www.diabetes-austria.com) Darin fordern sie u. a., dass Lehrer, die kranken Kindern Medikamente verabreichen, rechtlich abgesichert sind. Derzeit müssen sie befürchten, dass sie für Fehler haftbar gemacht werden. Zudem müssten Krankenschwestern oder Hilfspersonal den Kindern ohne Extrakosten zur Verfügung stehen. Am Dienstag haben sie ihre Anliegen im Nationalrat deponiert – mitgebracht haben sie mehr als 700 Unterschriften von Unterstützern der Initiative.