Leben/Gesellschaft

Neuanfang mit 50: Warum diese Frau alleine um die Welt reist

Irgendwann, irgendwo zwischen Kuala Lumpur und dem Regenwald auf Sumatra schreibt Bettina Schricker ihre Gedanken zu den vergangenen Monaten nieder. Die Ex-Managerin ist seit August 2018 mit Backpack und Studienunterlagen in der Welt unterwegs.

Knapp vor ihrem 50. Geburtstag hat sie die Sicherheit eines fixen, gut dotierten Jobs hinter sich gelassen und lernt nun via Fernstudium Global Health Policy. Dazu hat sie noch schnell den A-Führerschein gemacht, um sich unterwegs auch per Motorrad bewegen zu können – und maximal flexibel zu sein.

Ohne Rückfahrtsticket

Dinge, die vor einiger Zeit undenkbar waren, gehören nun zu ihrem Alltag: Low-Budget-Reisen, alleine als Frau unterwegs, manchmal nicht wissen, wo sie am selben Abend übernachten wird. Oder aber wie man von A nach B kommt, unterwegs unter den Baumriesen des Dschungels oder in Gegenden, aus denen es nicht nur ermutigende Nachrichten gibt. All das ohne ein garantiertes Rückfahrtsticket in ihr altes Leben.

Warum verlässt man sicheres Terrain und bewährte Strukturen? "Weil sich mit den Jahren die Prioritäten verschoben haben. Der Erfolg im Außen wurde mir immer weniger wichtig, es ging mehr um den Sinn hinter dem Tun. Oder die Frage, was es in diesem Leben noch zu lernen, zu erfahren oder zu tun gilt. Gerade hier in Asien ist die Schönheit der Natur oft atemberaubend und gleichzeitig sind die Probleme relevant", wird Bettina Schricker nachdenklich.

Der Entschluss war genauso wenig plötzlich, wie der Prozess, der dahinter stand – im Grunde ging es um die logische Konsequenz einer persönlichen Entwicklung. Heute lebt Bettina Schricker jeden einzelnen Moment im Sinne eines Neubeginns: "Denn letztlich bietet jeder Tag mehrere Möglichkeiten zur Weiterentwicklung."

Das macht natürlich etwas mit einem Menschen. Die alleinreisende Globetrotterin plant viel weniger und hat mehr Zutrauen entwickelt. Sie ist flexibler geworden. "Ich habe mir bewusst einiges offen gelassen – zum Beispiel, wann ich von meiner Reise zurückkommen werde oder auch Möglichkeiten betreffend, unterwegs zu arbeiten. Weil ich darauf vertraue, dass mich das Leben dort hinführen wird, wo es richtig ist. Dabei gehen nicht neue Türen auf, sondern ganze Korridore."

Der Prozess des Neustarts tat aber auch weh. "Weil es bedeutet, Abschied von alten Dingen zu nehmen. Man kann nicht alles haben. Das schmerzt – und es sind viele Unsicherheiten dabei. Wir leben alle in einem wohldefinierten Kontext. Da herauszugehen und Neuland zu betreten, macht zunächst Angst. Meine Erfahrung ist jedoch, dass neue Wege tatsächlich beim Gehen entstehen, und der Mut mit jedem Schritt wächst. So als würde das Leben zusehen und sich denken: Ok, sie meint’s tatsächlich ernst. Und dann gibt’s auf einmal Rückenwind."

Wohlüberlegt entschieden

Was nach außen wie eine 180-Kehrtwende aussieht, war de facto wohlüberlegt. Denn am Ende ging es ja auch darum, alles trocken durchzukalkulieren und mit diversen Experten zu besprechen. "Hinter meiner Entscheidung stand, bei aller Aufbruchsromantik, ein detaillierter 300-Zeilen-Projektplan."

Bereut hat Bettina Schricker bisher nichts: "Ich weiß nicht, wann ich mich zuletzt so lebendig gefühlt habe, so wenig Angst und so viel Vertrauen ins Leben hatte."