Leben/Gesellschaft

Mission Rosetta: Landeeinheit abgetrennt

Mit der Geschwindigkeit eines Spaziergängers - mit 1,2 m pro Sekunde - senkt sich die rund 98 Kilo schwere Landesonde Philae auf den Kometen "67P/Tschurjumow-Gerasimenko" ab. Die Abtrennung erfolgte kurz nach 10 Uhr, " Rosetta und Philae waren zehn Jahre zusammen, nun war es an der Zeit für die Trennung“, meinte der Projektleiter der Landeeinheit beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, der Österreicher Stephan Ulamec, und räumte ein "relieved" (erleichtert) zu sein. Anhand der Telemetriedaten sei klar, dass die Landeeinheit definitiv alleine unterwegs ist.

Kometenhafter Abstieg

Die abgetrennte Sonde wird nach 7 Stunden auf die Kometenoberfläche auftreffen. Damit der waschmaschinengroße, mit wissenschaftlichen Geräten gefüllte Landeroboter nicht wieder in den Weltraum zurückfedert, wird er bei Bodenberührung mit 3 Eisschrauben fixiert. Der Lander Philae hat weder eigenen Antrieb noch Bremsen, sie ist eine Ummantelung für wissenschaftliche Instrumente, Spektrometer, Mikroskope, Kameras und ein kleiner Ofen sind in der Hülle untergebracht. Ein Bohrer dient sowohl der Fixierung am Boden. In den Bohrer, der 20 cm tief in den Untergrund eindringen kann, sind zugleich Mess- und Analysegeräte eingebaut. Der Ausfalls einer Landevorrichtung, einer Anpressdüse, hat den Technikern im Kontrollzentrum in Darmstadt Kopfzerbrechen bereitet. Landungs-Leiter Stephan Ulamec gab aber schließlich doch das "Go" für den Landevorgang: "Wir werden einiges Glück brauchen, damit wir nicht auf einem Felsen oder einem Steilhang aufsetzen." Die geplante Landung wird von der ESA als Meilenstein betrachtet. Manche Experten vergleichen das Manöver mit der Mondlandung 1969.

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Geht alles nach Plan, dh. die Landesonde steht gerade und alle Instrumente funktionieren einwandfrei, beginnen bald nach dem Aufsetzen die physikalischen und chemischen Messungen

Die Muttersonde Rosetta 22 km über dem Kometen dient während der Lander-Operation als Relaisstation zur Erde, die auch die ersten Panorama-Bilder des Kometen heute abend übermitteln wird. Die Landung selber ist ein heikles Unterfangen. Die Kometenoberfläche ist sehr zerklüftet. Die nach einiger Überlegung ausgewählte Landezone (zunächst "J" genannt, später nach einer Nil-Insel "Agilkia" getauft) weist einige Vorteile auf, die die anderen Kandidaten nicht hatten. Sie ist sonnig, was wichtig ist, weil der Landeroboter nach den ersten 60 Stunden auf Solarbetrieb umstellt.

Die aktuellen Entwicklungen lesen Sie in unserem Live-Blog zur Kometenlandung.

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Der Livestream zur Kometenlandung am 12. November 2014 ab 12:25 Uhr (MEZ):

Watch live streaming video from dlrlive at livestream.com

Ein weiterer Live-Stream aus dem Institut für Weltraumforschung Graz:

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Der Salzburger Stephan Ulamec gab am vergangenen Samstag das "Go" für das Abstiegsprogramm des Landeroboters. 10 Instrumente zur Vermessung des Kometen sind an Bord. Eine Steuerung per Joystick ist unmöglich, das Landemanöver verläuft vollautomatisch. 28 Minuten dauert es, bis ein Signal vom Kontrollzentrum in Köln bei der Muttersonde "Rosetta" ankommt, denn die Sonde ist 500 Millionen km von der Erde entfernt - für Laien eine unglaubliche Distanz, für Astrophysiker wie Pascale Ehrenfreund "praktisch ums Eck".

Die Forscher erhoffen sich Daten über die Beschaffenheit der Oberfläche des Kometen, über sein Inneres und über den Staub, den der Lander aufwirbeln wird.

Die wichtigsten Experimente mit österreichischer Beteiligung sind: MIDAS (Micro-Imaging Dust Analysis System) ist ein Rasterkraftmikroskop, das den Kometenstaub auf Klebfolien auffängt und untersucht; COSIMA (Cometary Secondary Ion Mass Analyser) untersucht ebenfalls den Kometenstaub bis aufs Molekül genau; MUPUS (Multi Purpose Sensor) ist ein Messtab, der mit einem Hammer in den Boden getrieben wird, und dort die Wärme- und Leitfähigkeit sowie die Festigkeit misst; ROMAP (Rosetta Lander Magnetometer) misst das Magnetfeld und Elektronen; RPC-MAG (Rosetta Plasma Consortium Magnetometer) misst physikalische Eigenschaften des Kerns und des Schweifs.

Zuerst sieht man nichts als einen kleinen hellen Punkt, der sich allmählich der Sonne nähert, bis plötzlich ein langer weißer Schweif entsteht, der fast das gesamte innere Sonnensystem überdeckt. Den Zuschauern bleibt der Mund offen stehen. Und Christian Köberl, Direktor des Naturhistorischen Museums, hat sein Ziel erreicht. Die Simulation des Kometen im neuen Digitalen Planetarium des NHM am Vortag der Landung der Rosetta-Sonde ist ein Augenöffner. „Der Schweif wird vom Sonnenwind verursacht. Ein Komet ist nichts anderes als ein schmutziger Schneeball. Je näher er auf seiner Bahn der Sonne kommt, desto mehr Gas verdampft auf seiner Oberfläche.“

Gigantische Dimensionen

Auch wenn bei der Simulation der Schweif des Kometen Hale-Bopp gezeigt wird und nicht jener von „67P/Tschurjumow-Gerasimenko“, wird deutlich, in welch gigantischen Dimensionen sich das Vorhaben der Europäischen Raumfahrtagentur ESA abspielt, das für heute Abend geplant ist: Sieben Milliarden Kilometer hat die Weltraumsonde Rosetta in zehn Jahren zurückgelegt. In den ersten Jahren nach dem Start am 5. März 2004 vom Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guayana flog sie mehrmals an der Erde und am Mars vorbei, in den Umlaufbahnen der Planeten holte sie sich den nötigen Schwung, um energiesparend zu ihrem Ziel, jenem nur vier Kilometer großen Kleinkörper im äußeren Sonnensystem, zu gelangen. „67P“ ist 500 Millionen km von der Erde entfernt, unvorstellbar weit weg – für Weltraum-Experten wie die Astrobiologin Pascale Ehrenfreund aber „quasi ums Eck“. Die Landung auf „67P“ ist der krönende Abschluss der Mission zum Kometen.

Infos über das Sonnensystem

Seit August 2014 ist Rosetta in Schlagdistanz zum Kometen, vermisst, was man aus der Nähe vermessen kann. Wenn heute alles glatt verläuft, haben die Forscher sogar die Chance, ihre Ferndiagnosen mit Bodenproben zu vergleichen, die sie mithilfe eines Minilabors an Bord der Landesonde „Philae“ direkt auf der Kometenoberfläche analysieren. Außerdem wollen Wissenschafter Informationen darüber bekommen, wie das Sonnensystem vor 4,6 Milliarden Jahren entstand. Kometen sollen weitgehend unveränderte Materie aus dieser Zeit enthalten.

Ehrenfreund sieht die Chancen, dass die Landeeinheit heute gegen 16.30 Uhr wie vorgesehen auf dem Kometen aufsetzt, als „durchaus gegeben“, auch wenn es natürlich ein großes Risiko sei. So seien 20 Prozent des Geländes am ausgewählten Landeplatz aufgrund großer Hangneigung „nicht angenehm“. Da die Signalübertragung rund 28 Minuten dauert, wird etwa um 17 Uhr feststehen, ob das ehrgeizige Unternehmen geglückt ist. Die Vorbereitungen des Landemanövers verliefen am Dienstag laut ESA-Flugdirektor Andrea Accomazzo plangemäß.