Lotte Tobisch über den Opernball: "Ein paar Verbrecher, ein paar feine Leut´"
Von Barbara Beer
Sie war selber nie eine große Tänzerin, sagt sie. Trotzdem gibt es kaum einen Namen, der derart mit dem berühmtesten Ball der Welt, dem Wiener Opernball, assoziiert wird: Lotte Tobisch hat den Ball 15 Mal auf ihre ganz eigene Art gestaltet. Mit Fingerspitzengefühl, Humor und Pragmatismus.
Wie die Sachertorte
Was für sie die Wiener Ballkultur ausmacht? „Bevor Kaiser Franz Josef die Stadtmauern schleifen ließ, war Wien ein besseres Dorf. Innerhalb der Stadtmauern haben die kaiserlichen Hofbälle stattgefunden. Vor den Mauern waren die Dörfer und Gilden, die alle ihre Bälle hatten, die alle von der Familie Strauß bespielt wurden. Daher kommt unsere Balltradition. Das gibt es nur in Wien. Leider machen wir heute sehr viel den Deutschen nach – Leilei und Oktoberfest. Aber die Tradition kann uns keiner nehmen.“
Nachgemacht wird auch der Opernball in aller Welt, Lotte Tobisch wird oft dazu nach Ezzes gefragt: „Das ist wie mit der Sachertorte. Man kann sie mögen oder nicht, aber sie ist ein Welterfolg und deshalb muss man sie ordentlich machen. Mir persönlich ist die Sachertorte ja zu trocken, aber das hat den Vorteil, dass man sie nach einem halben Jahr auch noch essen kann. Für die Sachertorte wie für den Opernball gilt: Ernsthaft machen, aber ja nicht ernst nehmen.“ Auf keinen Fall dürfe man das politisch sehen.
Ein paar feine Leut’
„Die Hautevolee gibt es nicht mehr, es ist nicht schad’ drum, jetzt gibt es andere Leut’. Im Grunde sind’s die gleichen, die draußen demonstrieren, nur haben Sie einen Frack an. Und ein paar Verbrecher und ein paar wirklich feine Leut’ gibt’s auch.“
Als bekennender Nichttänzer und „alter Sozi“ habe Bruno Kreisky den Opernball „wirklich gehasst, aber als kluger Mann und Politikprofi hat er gewusst, wozu dieser merkwürdige k.-u.-k.-Ball der Republik gut ist, nämlich als gesellschaftliche Plattform, die als größter österreichischer Treffpunkt für Wirtschaftstreibende, Politiker und Kulturschaffende zu seinem Geschäft gehört. Er hat den König von Spanien, die Kronprinzessin der Niederlande und die Shirley MacLaine eingeladen. Die Leute waren begeistert.“
Tut’s euch nix an
„Mich persönlich hat’s ja nie interessiert.Tut’s euch nix an, sag ich immer. Mich interessiert’s, zu organisieren und anderen eine Freud’ zu machen.“ Freude machen, das gelang der Tobisch unter anderem, in dem sie ein sehbehindertes Mädchen zur Eröffnung lud: „Blind kann man tanzen, taub nicht.“
Tobischs erster Eindruck vom Opernball stammt aus dem Jahr 1934. „,Leise sein, heut geht die Mama auf den Opernball’, hat die Nanny gesagt. Meine Mutter war eine sehr schöne Frau, und als ich sie dann gesehen hab, in ihrem Kleid und mit ihrem Schmuck, dachte ich, das ist eine Märchenveranstaltung.“
Tobischs erster Opernball war auch der erste nach dem Krieg, 1956. Mit Partner Erhard Buschbeck („ein noch größerer Ballmuffel als ich“) sei sie nach der Eröffnung in der Opernkantine gelandet, wo man bis halb sechs in der Früh gefeiert habe. „Meine Mutter fragte, wozu wir denn überhaupt auf den Ball gegangen sind.“
Ein Adlmüller-Fetzen
Den Opernball 2019 wird Tobisch wohl auslassen. Wenn nicht, wird sie wieder „einen alten Adlmüller-Fetzen“ anziehen. Alle anderen, die auch diesmal wieder nicht beim Höhepunkt der Ballsaison dabei gewesen sein werden, werden zumindest dies versäumt haben: Die Herrenspende – einen Schuhlöffel aus Kalbsleder.
Dafür können wir daheim vor dem Fernseher der „Hautevolee“ nachtrauern.