Kiku

Eintauchen in die Welt geflüchteter Kinder

Der Grenzbalken ist noch unten. Erst wenn er hoch geht, können die Kinder in die neue interaktive Ausstellung „Du und ich, dort und da“ über Flucht, Ankunft und Zusammenleben. Flüchtlinge selbst kennen die Kinder der freien Schule Ätsch in der Wiener Hofmühlgasse, die sich beim Pressetermin durch die interaktive Ausstellung spielen, keine, aber „Flucht ist sicher nicht lustig, das macht keinen Spaß“, rufen einige dem Reporter des Kinder-KURIER zu.

Eintauchen in sechs Lebensgeschichten

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Valerie, Tim, Nicolas, Ruben, Iko und Kolleginnen und Kollegen hören bei den Info-Stationen in die Geschichten von Arif, Lina, Nesrin, Faizal, Zahra und Azmi hinein. Es sind die Geschichten von sechs ausgedachten Kindern, die sich allerdings an echten Fluchtgeschichten von Kindern vor allem aus Syrien und Afghanistan orientieren. Die Gestalter_innen wollten die Ausstellung ersten nicht über, sondern mit Flüchtlingen machen und haben sehr viele Interviews geführt. Zweitens wollten sie diese Kinder nicht ständig auf ihre traumatischen Erlebnisse reduzieren, sondern sie als Kinder wahrnehmen, die hier angekommen sind. Deswegen spielen auch ihre eigenen Träume und Wünsche mindestens genau so viel Rolle wie ihre Fluchtgründe. Und sie wollen den jungen Besucher_innen weiters positive Erinnerungen an die verlassene Heimat vermitteln – von Gerüchen der Gewürze bis zu weichen, bunten Teppich-Sitzlandschaften. Bei einer Station sind Wörter wie Sonne, Mond und Sterne oder Hund, Katze, Maus, bitte, danke auf Arabisch zu hören, die dazugehörigen Schriftzüge können am Leuchttisch abgemalt werden.
Interessant auch die deutschsprachigen Bedeutungen der Namen der sechs Protagonisten-Kinder: So heißt Lina kleiner Dattelbaum und Faizal Richter zwischen Gut und Böse. Apropos Sprachen: Die zu den einzelnen Geschichten passenden Menschenrechte wie das auf Bildung usw. finden sich auf Deutsch, Englisch und Arabisch.

Orientalische Muster für Mandalas und Puzzles gibt’s ebenso wie bunte Wolle und kleine Web-Rahmen bei den Teppichen. Verkleidungen reichen von orientalischen Kopfbedeckungen und Gewändern bis zu alpenländischen Lederhosen.

Ängste aber auch Träume

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In der Ausstellung geht es um die individuellen Schicksale von sechs geflüchteten Kindern und Jugendlichen und die Fragen mit welchen Ängsten, Hoffnungen und Träumen im Gepäck sind sie bei uns angekommen? Was beschäftigt sie? Wofür interessieren sie sich? Wie verbringen sie ihre Zeit? Und was denken und fühlen sie? All das ist in der Ausstellung partizipativ und spielerisch zu erkunden. Beim Singen, Tanzen, Schreiben, Musikhören, Weben, Backen und gemeinsamen Essen können sich Kinder, ob mit oder ohne Flucht- oder Migrationshintergrund in die Lebensgeschichten von Arif, Lina, Nesrin, Faizal, Zahra und Azmi hineinversetzen. Dabei geht’s auch um die Begegnung mit den Herkunftskulturen der Protagonist_innen – um das Entdecken von Unterschieden und Gemeinsamkeiten.

So erinnert sich zum Beispiel Faizal aus Afghanistan in der Station Zuhause an den Teppich, auf dem ihm seine Mutter Geschichten erzählte und die unterschiedlichen Teppichmuster erklärte. Die Kinder können gemeinsam an einem großen Patchworkteppich arbeiten und darüber nachdenken, was für sie Zuhause bedeutet.

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In der Station Lernen erzählt Arif, dass er in Damaskus nicht mehr in die Schule gehen konnte, weil der Schulweg zu gefährlich war. Jetzt geht er gern in Wien in die Schule, er ist ein guter Schüler und möchte später Chirurg werden. Die Kinder versuchen, in der Schrift von Arif zu schreiben, und lernen ein paar Worte Arabisch.

Nesrin ist allein aus Afghanistan geflüchtet, weil sie nach dem Tod ihres Vaters zwangsverheiratet werden sollte. Sie schätzt es, dass hier in Österreich Männer und Frauen, Buben und Mädchen gleich viel wert sind und die gleichen Rechte haben.

Lina, aus dem kurdischen Norden Syriens, erholt sich beim Tanzen. Dabei vergisst sie alle schlimmen Erinnerungen an die Zeit ihrer Flucht. In einem Tanzkaraoke folgen die Kinder den Tanzschritten von Lina und anderen Tänzerinnen und Tänzern und können diese auch gleich selbst probieren.

Tanzen

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Und weil Lina aus Qamishli (Rojava, Nordsyrien) am liebsten tanzt und auch Tänzerin werden möchte, hängt ihre Info-Tafel samt Hörgeschichte vor eine kleinen Disco. Die hat Valerie und Nicolas am besten gefallen. Valerie (6) erzählt dem KiKu zwischen Teppichen und Wolle noch, dass sie „schon flechten, stricken und nähen kann, und das seit ich vier bin. Aber gewebt hab ich noch nie!“
Tim hat’s am meisten das Puzzle mit dem schwierigsten Muster angetan. Iko freute sich am meisten, „als wir fürs Radio aufgenommen worden sind“.

Menschenrechte

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Selbst wenn Kinder selber keine Flüchtlinge kennen, ist das Thema überall präsent, deswegen lag es für das Zoom auf der Hand dazu eine interaktive Ausstellung zu machen, vor allem in der Recherche-Phase mit Betroffenen zu sprechen und Lebenswelten dieser Menschen und speziell von Kindern nahezubringen, immerhin sind rund die Hälfte der weltweit ca. 60 Millionen Flüchtlinge Kinder und Jugendliche.

Jeder Mensch hat das Recht, seinen Beruf selbst zu wählen. Zahra, die aus Aleppo geflüchtet ist, träumt davon, Gamedesignerin zu werden. So wie ihr Vater, ein Tischler, liebt sie Muster und Ornamente. An dieser Station können die Kinder selbst Intarsien legen und Muster entwerfen.

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Azmi, der mit seinem kleinen Bruder aus Syrien geflüchtet ist, macht jetzt in Wien die Kochlehre und möchte einmal ein syrisches Restaurant eröffnen. Nie wieder will er, wie auf der Flucht, Hunger verspüren. Kinder backen Kekse und würzen sie mit heimischen und orientalischen Gewürzen und verspeisen sie dann gemeinsam im Café Mischmasch.

Im Zentrum der Ausstellung stehen die Menschenrechte, die hier in Österreich im Gegensatz zu den Fluchtländern die Basis für ein faires und friedliches Zusammenleben bilden. Sie werden in einer kindgerechten Sprache vermittelt und in Beziehung zu den individuellen Fluchtgeschichten gesetzt. Für jedes Menschenrecht können die Kinder eine Blume basteln. So entsteht im Laufe der Zeit ein Garten der Menschenrechte.

Ausstellungsarchitektur

Die Ausstellungsarchitektur von „the next ENTERprise architects“ schafft anhand von beidseitig bespielbaren Raumelementen wie Sprachschnecke, Teppichturm, Diwan u. a. einen diskursiven Rahmen, um Fremdes, Anderes und oft Missverständliches spielerisch gemeinsam zu ergründen. Die Materialien sind dabei bewusst naturbelassen gewählt. Farben, Strukturen und orientalische Fragmente verweisen auf die kulturelle Vermischung und bilden den atmosphärischen Hintergrund für die persönlichen Erzählungen und Wünsche der Flüchtlingskinder, die als fiktive Begleiter_innen durch die Stationen der Ausstellung führen.

Fotos

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Ich heiße Arif, das bedeutet „der Wissende, der Gebildete“
Ich bin ein 13 Jahre alter Junge aus Homs, einer Stadt in Syrien
Lieblingslied: Mozzik Cocaina
Lieblingsspeise: Schnitzel
Lieblingssport: Basketball
Berufswunsch: Arzt
Flucht 2015 mit Eltern und Geschwistern

Ich heiße Nasrin, das bedeutet „kleine Wildrose“.
Ich bin ein 16 Jahre altes Mädchen aus Kunduz, einer Stadt in Afghanistan
Lieblingslied: Sahar Ey Vay
Lieblingsessen: Hühner-Karaie
Lieblingssport: Fußball
Berufswunsch: Weiß ich noch nicht
Flucht 2015 alleine

Ich heiße Lina, das bedeutet „kleiner Dattelbaum“.
Ich bin ein 10 Jahre altes Mädchen aus Qamischli im Norden von Syrien.
Lieblingslied: Keira Barbie
The Princess and The Popstar
Lieblingsessen: Palatschinken und Spaghetti
Lieblingsbeschäftigung: tanzen
Berufswunsch: Tänzerin
Flucht 2015 mit Eltern und Bruder

Ich heiße Faizal, das bedeutet Richter zwischen Gut und Böse.
Ich bin ein 16 Jahre alter Junge und komme aus Afghanistan.
Lieblingslied: Mariam Wafa Kajak Abro
Lieblingsessen: afghanisches Kebab
Lieblingsbeschäftigung: YouTube schauen
Berufswunsch: Elektriker
Flucht 2015 alleine

Ich heiße Zahra, das bedeutet „blühen“.
Ich bin ein 10 Jahre altes Mädchen aus Aleppo, der zweitgrößten Stadt in Syrien
Lieblingslied: Katy Perry swish swish
Lieblingsessen: Pizza
Lieblingsbeschäftigung: Gameboy spielen
Berufswunsch: Game-Designerin
Flucht 2015 mit Eltern und Geschwistern

Ich heiße Azmi, das bedeutet „der Entschlossene“.
Ich bin 2015 als 19 jähriger Jugendlicher gemeinsam mit meinem 7-jährigen Bruder aus Damaskus geflüchtet.
Lieblingsspeise: Shis Barak (arabische Tortellini)
Lieblingsbeschäftigung: kochen
Berufswunsch: Koch

Du und ich, dort und da
Interaktive Ausstellung über Flucht, Ankunft und Zusammenleben für Kinder von 6 bis 12 Jahren

Ab 29. September 2017 bis 25. Februar 2018
Dauer: 90 Minuten
ZOOM Kindermuseum, 1070, MuseumsQuartier
Telefon: 524 79 08
www.kindermuseum.at