Kiku

Jede Schulstunde ist auch eine Sprachstunde

Was nutzt die beste Rechenleistung, wenn die Angabe für ein mathematisches Beispiel nicht verstanden wird. Was in Schul- und Bildungsdiskussionen schon vor gut 15 bis 20 Jahren hin und wieder zur Sprache kam, steckt in der Praxis in Österreichs Schulen heute noch erst in bruchstückhaften Anfängen. Und dabei dreht sich’s nicht nur um Schülerinnen und Schüler deren Erstsprache eine andere als Deutsch ist. So manche Mathe-Aufgabe ist für viele in einer nicht immer ganz verständlichen Sprache gehalten.

Das ist aber nur ein Beispiel, das die (private) Handelsakademie und -schule in der Floridsdorfer Franklinstraße ( Vienna Business School) in dem „sprachsensibler Unterricht“ genannten Schwerpunkt versucht. Mathe-Angaben in einer heutigen, verständlichen Sprache – aber nicht nur um zu vereinfachen, sondern auch, indem damit Mathe so nebenbei auch ein Fach ist, in dem Wert auf die Sprache gelegt wird.

Schülerin als Konzentrationstrainerin

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Knapp vor den Semesterferien durfte der Kinder-KURIER drei verschiedene Unterrichtsstunden in der VBS Floridsdorf ( Wien) verbringen. In der Mathe-Stunde in der 1ek meldeten sich viele der Schülerinnen und Schüler, um nicht immer ganz leichte Umformungen von Gleichungen selbst an der Tafel für alle vorzurechnen. Und nicht wenige waren in ihren Heften so flott, dass sie gleich die gesamte Hausübung in der Stunde erledigt hatten. Mitgeholfen hat sicher auch, dass Mitschülerin Nicole Fachfrau für Entspannungs- und Konzentrationsübungen ist. Und solche standen am Beginn der Stunde, wo die genannte Jugendliche somit kurzfristig in die Rolle der Lehrerin schlüpfte und die Lösung der Beispiele nur so dahin flutschte.

Bild-Analyse

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Der oben genannte „sprachsensible Unterricht“ wird versucht, möglichst in allen Gegenständen einfließen zu lassen. Aber nicht nur die deutsche Sprache, beispielsweise bleibt Englisch, obwohl es sich um keine bilinguale Schule handelt, nicht nur auf die Englisch-Stunden beschränkt. CLIL (Content and Language Integrated Learning) wird hier nunmehr im vierten Schuljahr angewandt.

In der 3 ck steht beim KiKu-Lokalaugenschein in einer Geschichtsstunde die Analyse historischer Bilder auf dem Stundenplan. Die erfolgt hier vorwiegend in englischer Sprache. Und so „nebenbei“ wird damit ein brandaktuelles Thema mit behandelt – Umgang mit Bildern: Was sagen sie aus? Kann damit auch gelogen werden, etwa indem nur ein Ausschnitt aus dem Bild gezeigt wird?
Erste Aufgabe hier: Jede und jeder sucht sich aus dem Abschnitt des Lehrbuchs ein Bild UND: Nicht gleich interpretieren, zunächst einmal genau betrachten, beschreiben, die Quelle herausfinden... Medienerziehung auch wieder so „nebenbei“.

Häufiges switchen

„Wir switchen in vielen Gegenständen – außer natürlich in Englisch und in der zweiten lebenden Fremdsprache – von Deutsch auf Englisch, ob wie jetzt hier in Geschichte oder in Rechnungswesen oder Mathe...“, schildern Manuela Pervorfi, Dominik Süßner und Cornelia Teier dem Kinder-KURIERE-Reporter in einem kurzen Gespräch in der Pause. „Dadurch sind wir auch in Englisch selber viel, viel besser geworden“, berichten sie – und werden vom Lehrer Stefan Lamprechter, der sich in diesem Segment stark engagiert, bestätigt. Die sprachliche Kompetenz stellen so manche der Jugendlichen auch in launisch pointierten kurzen Diskussionen mit dem Lehrer unter Beweis. Viele können ihre Diskussionsfreudigkeit hier in der Schule auch in einem der (noch?) wenigen Debattierklubs in heimischen Schulen ausleben.

Online-Quiz und analoges „Kugellager“

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Schließlich geht’s zurück in die 1ek, wo nun eine Geografie-Stunde ansteht. Wieder tritt als erstes Nicole in Aktion: Die Stunde beginnt mit kleinen Konzentrationsübungen. Danach Wiederholung schon gelernter Unterrichtsinhalte – mit Hilfe eines kleinen Online-Quizes in 2er- und 3er-Teams werden Begriffe aus der Demografie, der Bevölkerungswissenschaft, abgefragt. Dann kleiner Umbau in der Klasse: Tische werden zur Seite geschoben, zwei einander gegenübergestellte Sesselkreise gebildet: Kugellager steht auf dem Programm. Jeder Kreis kriegt ein anderes Arbeitsblatt, die einen über Volkszählung und die anderen über Bevölkerungspolitik. Zu nächst gilt’s den eigenen informativen Zettel genau zu lesen – und anschließend das Gelesene den im Kreis Gegenübersitzenden zu erklären. Danach stehen abwechseln einmal die innen, einmal die außen Sitzenden auf und rücken manchmal um zwei, manchmal um drei Plätze weiter. Jetzt sollen die einen das Gehörte den anderen vermitteln. Nach ein paar Mal müssen die Zettel auf den Boden oder unter den Hintern gelegt werden und nun Erklärung ohne schriftliche Stütze.

Das „Kugellager“ bietet gleich mehrere Vorzüge: Erstens kommen alle Schülerinnen und Schüler viel zum Reden – wieder einmal wird so „nebenbei“ Sprache geübt. Zweitens ist die Auseinandersetzung mit dem Stoff viel intensiver, als wenn die Lehrkraft denselben vortragen würde. Wer Gelesenes anderen erklären darf/kann/muss, versteht es sicher am besten. Und mit dieser Methode sind alle gleichzeitig aktiv.

https://floridsdorf.vbs.ac.at/