Ist das Beet voll? Ein Fremder auf Besuch
Von Heinz Wagner
Ein alter Plattenspieler, ein altes Radio, alt Sessel, witzig verfremdet, indem ihre Beine auf Holzkufen montiert sind, also „Schaukelstühle", die an alte Kinder-Hutschpferde erinnern. Über dem Tischchen pendeln von der Decke herab an Schnüren hängend zwei Löffel. Eine grüner Rasenteppich. Auf dem liegen eine Frau und ein Mann. Letzterer quer über ihr, in Kreuzform liegt als das Duo Katt (Michèle Rohrbach) und Fredda (Michael Pöllmann ) da. Sie räumen den Rasenteppich am Morgen weg, decken die Plastikplane im Vordergrund ab und zum Vorschein kommt ein Beet – mit echter Erde, ein paar echten Karotten, dann liegt da noch ein Blaukraut-Happel und – eine weitere Verfremdung: ein paar Äpfel. Dazu, noch ein paar schräge Teile: Kunststoffkarotten, kleine Käselaiber in rotem Plastik verpackt... Nächste schräge Aktion, wenn Fredda Wasser in die Gießkanne lässt und Katt im Hintergrund sich auf einen Kübel setzt. Aus der Erde buddeln sie zwei Hühnereier – echte wie sich bei der folgenden Szene rausstellen wird, wo sie die Eier über die Schulter wirft und er sie in einer heißen Pfanne auffängt.
Idylle mal zwei
Aber sonst wirkt alles idyllisch. Bis zum Abwinken. „Schön, ruhig, friedlich, ungestört... immer nur wir beide!" Der letzte Halbsatz wird ergänzt um ein „meinst du das bleibt so!" Erst als freudige Feststellung. Abgewandelt. Gesprochen, immer und immer wieder in einer Art Duett. Fast gesungen. Und bekommt doch hin und wieder eine eher fragende Färbung. Bis Katt fragt, ob nicht einmal Besuch kommen könnte. Worauf Fredda eher beleidigt reagiert – nach dem Motto: ich genüge dir nicht, bin dir nicht mehr gut genug... Und sofort einwendet: „Der würde doch sicher alles durcheinander bringen..." Wunderbar spielt das Duo die feinsten Veränderungen – durch Färbung der Sprache, durch Blicke, Mimik.
Was kommt, liegt auf der Hand. Es läutet an der Tür. Schreck. Langes Warten, öffnen. Niemand scheint da zu sein. Erleichterung. Tür zu. Nochmals läutet`s. Auf, rein stürmt ein junger Mann. Alle drei beginnen zu schreien. Er tanzt, spricht finnisch. Sorgt wirklich für Durcheinander. Fredda fühlt sich in seiner Rolle bedroht. Doch alle drei tanzen miteinander, spielen, er entdeckt in den alten Dingen bisher Unbekanntes. Geräusche und Klänge ertönen.
In der Phase, in der sie miteinander spielen, sich alle drei wohl fühlen, da spielen sie eine viel sympathischere Idylle als zuvor, als Katt und Fredda total klammern. Wunderbar.
Rausdrängen
Schritt für Schritt werden vom Besucher ausgehend Möbel des Raumes umgestellt. Nach und nach verbünden sich jedoch eher Fredda und der Besuch, der sich als Miranda (Arttu Palmio) vorstellt und allein durch seinen Tanz neuen Schwung in die eigentlich erstarrte Zweierbezeihung bringt. Schließen Schritt für Schritt Katt aus. Sie scheint mit dem Gedanken zu spielen, weg zu gehen. „Immer nur wir beide"..., erinnert sie Fredda an die idyllischen Zeiten". „Es ist Platz für drei", erinnert er sie an einen früheren Spruch von ihr. „Einer muss gehen!", steht plötzlich im Raum. Das „Beet ist voll!", ruft Katta aus, als Miranda auch was vom Garten will.
Um Katta nicht zu verlieren, schickt Fredda Miranda weg. Kaum ist er draußen, macht sich eine spürbare Leere breit. Und doch ist etwas vom Besuch geblieben – die Gegenstände tönen noch immer, tänzerische Bewegungen sind ihnen geblieben. Sie öffnen die Türen – gehen raus. Black
Mit ihrem Spiel, den Besucher rauszudrängen lassen sie bei der Zuschauerin/dem Zuschauer selbst völlig unaufdringlich und ganz ohne Zeigefinger oder gar Moralisierung einfach das Bedauern über diesen Schritt gefühlsmäßig entstehen.
Infos
Besuch bei Katt und Fredda
MakeMake Produktionen
Schauspiel, Tanz
Ab 6 Jahren, ca. 65 Minuten
Autorin: Ingeborg von Zadow
Aufführungsrechte: Verlag der Autoren, Frankfurt am Main
Konzept, Spielleitung: Sara Ostertag
Darsteller_innen:
Arttu Palmio (Besuch, Miranda)
Michèle Rohrbach (Katt)
Michael Pöllmann (Fredda)
Musikalische Leitung, Komposition: Simon Dietersdorfer, Martin Hemmer
Choreografische Mitarbeit: Martina Rösler
Bühne, Kostüm: Nanna Neudeck
Regieassisenz: Brigitte Moscon
Theaterpädagogik, Dramaturgie: Frederike Dengler
Produktionsleitung: Julia Wiggers
Ausstattungshospitanz: Lena Sudmann
Bis 3. Juni
Dschungel Wien, MuseumsQuartier