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Kinderarbeit für bunte Sterne

Update 30. Dezember 2016, 15.37 Uhr: Ergänzung um aktuelle Berichte von "India Today"

Zum Jahreswechsel sprüht’s bunt vom Himmel und knallt. In kürzester Zeit werden allein in Österreich Feuerwerkskörper im Wert von fast 10 Millionen Euro verpulvert. Weltweit steigt – trotz Krise - der Umsatz mit Feuerwerken Jahr für Jahr. Hin und wieder wird darauf hingewiesen, dass der Krach Haustiere verängstigt. Aber - zu - selten, dass (noch immer) oft sogar Kinder unter gefährlichen Bedingungen viele der Feuerwerkskörper herstellen.

Hohes Gesundheitsrisiko

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Die Herstellung von Raketen und Knallkörpern haben schwerwiegende gesundheitliche Folgen. Der direkte Kontakt mit chemischen Substanzen wie Schwefel, Schwarz- und Aluminiumpulver kann zu Verätzungen, Tuberkulose, Asthma und Kopf- bzw. Augenschmerzen führen. Hinzu kommt das ständige Risiko von Feuer und Explosionen.

Indische Feuerwerksfabriken beschäftigen nach wie vor Kinder. Dies ergaben aktuelle Recherchen des indischen Wochenmagazins und Fernsehsenders „India Today“. Nach diesem Bericht seien sowohl Kinder als auch erwachsene Arbeiter und Arbeiterinnen schutzlos gefährlichen Inhaltsstoffen und Sprengstoffen ausgesetzt. Sie würden keine Handschuhe oder Sicherheitsbekleidung tragen. Bereits ein kleines Feuer könne zu Verstümmelungen oder gar zum Tod der Arbeitenden führen oder in den Fabriken eine Katastrophe auslösen.

Neun von zehn Kindern kriegen Asthma und andere Krankheiten

Außerdem verweist der Bericht von „India Today“ auf eine Untersuchung der indischen Kinderrechtsorganisation NCPCR (National Commission for Protection of Child Rights). Diese habe festgestellt, dass 90% der in der Feuerwerksindustrie in Indien arbeitenden Kinder an Asthma, Augenerkrankungen und Tuberkulose leiden würden. Viel von ihnen seien außerdem Opfer psychischer, physischer und verbaler Misshandlungen.

Anlass für den Bericht von „India Today“ war ein schwerer Unfall in der Stadt Sivakasi, dem Zentrum der Feuerwerksproduktion in Indien, der zum Tod von acht Menschen führte sowie das hinduistische Lichterfest „Diwali“, das Ende Oktober 2016 stattfand.

Todesopfer

Allein in Indien starben 2014 mindestens 27 Menschen bei Explosionen von Feuerwerksfabriken. 2013 gingen weltweit mindestens acht Fabriken in die Luft: in China (3), Indien (2), Italien, Kanada und Vietnam. Dabei starben mindestens 48 Menschen.

Frauen und Kinder

Die Organisation „Jugend Eine Welt“ kritisiert vor allem die Produktionsbedingungen in Indien, dem nach China zweitgrößten Produzenten von Feuerwerkskörpern. Nach der Kinderschutzorganisation „Bachpan Bachao Andolan“, deren Gründer Kailash Satyarthi 2014 den Friedensnobelpreis – gemeinsam mit Malala Yousafzai - erhielt, müssen dort sogar schon 5-jährige Kinder mit den für Feuerwerkskörper benötigten gefährlichen chemischen Substanzen hantieren. Das Problem betrifft vor allem die Region Sivakasi im Bundesstaat Tamil Nadu, von wo rund 90 Prozent der in Indien hergestellten pyrotechnischen Gegenstände stammen.

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In den vergangenen Jahren wurden die staatlichen Kontrollen in den dortigen Feuerwerks-Fabriken massiv verschärft. Arbeitgeber_innen, die unter 14-jährige Kinder anstellen, drohen nun hohe Geldstrafen. Doch das heißt nicht, dass es keine Kinderarbeit mehr gibt: Wie eine Untersuchung des staatlichen Zentrums für Kinderrechte und Entwicklung (CCRD) ergab, wird sie heute nur anders organisiert: Um keine Strafe zu riskieren, schließen Fabriksbesitzer Verträge mit Subunternehmen ab, die ihrerseits Verträge mit armen Familien machen. Vor allem Frauen und Kinder stellen die Feuerwerkskörper dann in Heimarbeit her.

Perspektiven schaffen

Die Partner von "Jugend Eine Welt" in Indien, die Salesianer Don Boscos, setzen sich für die von der Feuerwerksindustrie betroffenen Kinderarbeiter und andere junge Menschen in der Region um Sivakasi ein. Für Kinder und Jugendliche bieten sie eine Grund- und Aufbauschule, Selbsthilfegruppen für Frauen und ein Zentrum für Schulaussteiger an, um durch Bildung und Ausbildung nachhaltige Perspektiven zu schaffen. Geplant ist der Bau eines Berufsausbildungszentrums, indem die jungen Menschen verschiedene (andere) Berufe erlernen können. Damit sind sie nicht mehr auf die Arbeit in der Feuerwerkskörperindustrie angewiesen. „Allen voran müssen wir Bewusstsein schaffen und den Betroffenen Alternativen für eine gesicherte Zukunft aufzeigen“, so Vincent Thamburaj, Kinderrechtsexperte und Projektpartner von Jugend Eine Welt. "Die Regierung müsste viel mehr tun. Sie müsste Leute in die Dörfer schicken, die nachsehen, ob die Kinder dort arbeiten müssen," fordert Bruder Vincent Thamburaj. Er und seine Mitbrüder, die Salesianer Don Boscos, haben in Sivakasi eine Grund- und Aufbauschule, Selbsthilfegruppen für Frauen und ein Präventions- und Reintegrationszentrum für Schulaussteiger eingerichtet. Auch der Bau eines Berufsausbildungszentrums ist in Planung, in dem junge Menschen aus armen Familien unterschiedliche Berufe erlernen können und somit nicht mehr auf die gefährlichen Jobs in der Feuerwerksindustrie angewiesen sind.

Nicht verzichten, aber Druck machen!

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„Ein Verzicht auf Silvesterraketen ist keine Lösung, da die Arbeit und das Einkommen vieler Familien von ihnen abhängen“, so "Jugend Eine Welt". „Es ist aber unbedingt notwendig mehr Druck auf die Herstellerfirmen auszuüben, um mehr Sicherheit und bessere Löhne für die Arbeiter zu garantieren. Dadurch kann ein Verzicht auf Kinderarbeit gelingen.“

Wer auf sein Feuerwerk nicht verzichten möchte, sollte sich im Handel nach Feuerwerkskörpern "Made in Österreich" oder in anderen EU-Ländern erkundigen.

www.jugendeinewelt.at

Moneten statt Raketen!

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Es gibt aber auch andere Initiativen, die weiter gehen und aufrufen: "Moneten statt Raketen!" Mit einer 15-Euro-Spende könne eine wärmende Decke für Frierende syrische Flüchtlingen in Lagern im Libanon oder in Jordanien angeschafft werden, auch eine dauerhafte Spende von nur fünf Euro pro Monat sei hochwillkommen, denn „die Hilfe braucht einen langen Atem“, so Caritas-Präsident Michael Landau. Ein Ziel: „10.000 syrische Flüchtlingskinder sicher durch den Winter zu bringen“. Die Caritas ruft unter dem Slogan „Moneten statt Raketen“ dazu auf, etwas an Feuerwerkskörpern und Silvesterkrachern zugunsten der Notleidenden im Nahen Osten einzusparen.

http://www.caritas.at