Kiku

Sprungbrett für neue Texte und Bilder

Zum 16. Mal wurden kürzlich die Dixi Kinderliteraturpreise vergeben, diesmal im Figurentheater Lilarum. Diese Preise zeichnen sich dadurch aus, dass es kein Preisgeld gibt, aber ein Jahr lang partnerschaftliches Coaching durch Profis aus den entsprechenden Kategorien – im Bereich Text sowie die Reise zur Internationalen Kinderbuchmesse in Bologna, in Begleitung einer/s erfahrenen Illustratorin/Illustrators. Heuer übernehmen die Autorin Jutta Treiber (Prosa) und der Autor Heinz Janisch (Lyrik) sowie die Illustratorin Renate Habinger die Aufgabe der Weitergabe von Know-How bzw. der Herstellung von Kontakten zur Verlagslandschaft.

Karpfen spielt Oboe

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Die drei diesjährigen Preisträgerinnen Tanja Fabsits (Prosa), Lena Raubaum (Kinderlyrik) und Clara Frühwirth (Illustration) zeichnen sich – neben ihren preisgekrönten Werken – duch Vielfach-Talente aus. Die 27-jährige Illustrationssiegerin hat auch Kunstgeschichte studiert, die Meisterklasse für Malerei der Ortweinschule Graz absolviert, spielt Geige und ist „nebenbei“ ausgebildete Sozialpädagogin. Den Preis bekam sie für ihre Arbeit „Durch die Stadt“, in der sie beispielsweise zu Straßennamen bildhaft assoziiert, etwa einen Oboe spielenden Karpfen bei der Beethovenstraße. Für diese Arbeit hatte sie eine für sie neue Technik, die Monotypie, verwendet, die sie davor bei einer Sommerakademie kennen gelernt hatte.

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Verspielt, tiefsinnig, gereimt

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Lena Raubaum (32), Schauspielerin, Sprecherin, Yogalehrerin, Schreibwerkstättenleiterin für Jugendliche usw. dichtet seit „ewig“ und findet diese Form des Textens so ansprechend, „weil sie aufs Maximum reduziert“ – kurz und bündig, tiefsinnig – und bei ihr immer wieder auch sehr, sehr verspielt – siehe das Beispiel im Anhang über den Baum, der endlich einmal gern eine Ortsveränderung hätte und die Meise, die sich nichts sehnlicher wünscht, als nicht immer reisen zu müssen.

Humor auch in der Sch...

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Die Prosa-Siegerin arbeitet an einem Jugendroman, „Das 13. Projekt“, aus dem sie Auszüge vorlas – siehe Anhang. Die studierte Biologin und Wissenschaftsjournalistin, die auch Seminare zum Schreiben (vor-)wissenschaftlicher Arbeiten hält, „schaut zu Hause regelmäßig unters Kinderbett, um das Monster, das dort wohnt, zu fragen, ob es vielleicht auch eine Einschlafgeschichte hören will“, wie sie bei der Preisverleihung vorgestellt wurde. Ihr Text zeichnet sich nicht zuletzt dadurch aus, dass selbst ärgste Missgeschicke sich mit Situationskomik paaren.

Seit 2001 vergibt das Institut für Jugendliteratur gemeinsam mit der Firma Instantina den Dixi Kinderliteraturpreis. Mehr als 80 Bücher von ehemaligen Gewinnerinnen und Gewinnern wurden in den bisher 16 Jahren mittlerweile veröffentlicht. So manche der beim Dixi Kinderliteraturpreis entdeckten Talente haben mit ihren Büchern auch schon renommierte Auszeichnungen (Österreichischer Kinder- und Jugendbuchpreis, Kinder- und Jugendbuchpreis der Stadt Wien, Kranicher Jugendliteratur-Stipendium, Romulus Candea Preis) gewonnen.

www.kinderliteraturpreis.at/

Wurzelflügel, Flügelwurzeln - ein Gedicht der Lyrik-Siegerin

Ein ZwiZwaZwetschkenbaum
hatte einen TriTraTraum

wollte ach so gerne
wandern in die Ferne,
wollte riraruroreisen
wie die MiMaMuMoMeisen.

Ach wie fein müssen Flügel sein!
Eines Tages flog heran
eine Meise, sagte dann
zu dem ZwiZwaZwetschkenbaum:
„Oh in meinem TriTraTraum
wär ich gern ein Baum wie du
könnte bleiben immerzu.
Ach wie fein müssen Wurzeln sein!

Da bäumte sich der Baum groß auf
sagte gleich sofort darauf
„Nein, MiMaMuMeisenkind
FliFlaFlügel besser sind!“
„Wirklich?“, fragte lilaleise
ganz verdutzt die kleine Meise
„Ich, ich würde alles geben
hätte Wurzeln ich im Leben!“

Und dann – jijajuchee kam den beiden die Idee!
Heute hat die MiMaMeise
ganz auf ihre Vogelweise
eine Wohnung, eine nette
ganz als ob sie Wurzeln hätte,
lebt im ZwiZwaZwetschkenbaum
wie in ihrem TriTraTraum.

Und dem Baum erzählt sie gerne
von den Reisen in die Fernem
ja und so fühlt sich der Baum
als hätt er Flügel – glaubt es kaum.
Copyright: Lena Raubaum

 

Aus dem Text der Prosa-Gewinnerin, das 13. Projekt

von Tanja Fabsits

Quentin
Als die Neue das erste Mal in unsere Klasse kam, fiel ich aus dem Fenster. Für einen winzigen Moment trafen sich unsere Blicke, dann kippte ich nach hinten. Es dauert angeblich nur wenigeSekunden, um sich zu verlieben. Ein Sturz vom Erdgeschoss bis zum Boden ist noch kürzer. Was schmerzhafter ist, kann ich nicht sagen. In beiden Fällen setzt das Hirn aus. Der Rindenmulch unter dem Fenster war geringfügig weicher als Waschbeton. „Scheiße“, dachte ich, weil ich roch, wo der fette Mops vom Direktor sein letztes Geschäft verrichtet hatte. Ich hielt Papas alte Spiegelreflexkamera noch immer mit einer Hand hoch – sie hatte den Sturz heil überstanden, aber mein Kopf fühlte sich an wie ein frisch aufgeschlagenes Spiegelei. Ich schloss die Augen und wünschte mir, erst wieder in einem desinfizierten Krankenzimmer aufzuwachen, umringt von besorgten Gesichtern…
Aber das Leben ist selten so gnädig. „Quentin, du Idiot! Warum hältst du dich nicht am Fensterrahmen fest?!“ Murat, Schwarm aller weiblichen Wesen von der Sandkiste bis zum Seniorenheim, wusste, dass Angriff die beste Verteidigung ist. Die Mädchen, die ihre Köpfe aus den Fenstern unseres Klassenzimmers streckten, kicherten.
„Weil du Trottel gesagt hast, dass du mich hältst.“
„Hab‘ ich auch!“ Er grinste.
„Bis du ausgelassen hast.“ Es war nicht einfach auf Murat sauer zu sein, aber manchmal schaffte ich es doch. Ich stand auf und setzte mich gleich wieder hin. Mein Kopf behauptete, dass die Erde bebte.
„Ah, Mann, niemand ist perfekt! Warte, ich helfe dir.“ Murat sprang aus dem Fenster und landete um einiges eleganter als ich. Die Leibowitz – alle nennen sie Leibniz, weil sie gern Kekse isst und quadratisch aussieht – unser Klassenvorstand, hatte sich inzwischen auch bis zum Fenster durchgekämpft und keuchte entsetzt: „Murat!“, dann „Quentin!“
„Frau Professor Leibowitz, das ist ein Notfall“, erklärte Murat. Dann grinste er und zerstörte alles, was von meiner Würde noch übriggeblieben war: „Quentin sitzt in der Scheiße.“
In dem Moment tauchte die Neue neben der Leibniz im Fenster auf, eine Augenbraue spöttisch hochgezogen. Wie sie da so über uns stand, sah sie aus, als ob sie jeden Tag noch vor dem Frühstück Typen wie Murat das Herz brechen könnte und in Ruhe ihren Kaffee trank, während Jungs sich vor ihren Augen aus dem Fenster stürzten.
Ich schluckte. Murat, der mich gerade an den Händen hatte hochziehen wollen, überlegte es sich anders, schob mir einen Arm unter die Achseln und hievte mich auf die Beine.
„Professor Leibowitz“, rief er dann, „ich bringe Quentin jetzt zur …“
„…Schulärztin“, sagte die Leibniz.
„… Dusche“, sagte Murat. Das mag ich an Murat. Er hat Ecken, Kanten – und Prioritäten.
„Zur Schulärztin, Herr Demiroglu“, wiederholte die Leibniz. Und nach einem „Über diesen Vorfall sprechen wir noch, meine Herren“, begann sie, alle anderen zurück ins Klassenzimmer zu scheuchen.