Drei Jahre lang begleitete Filmemacherin Rokhsareh Ghaem Maghami die Jugendliche Sonita Alizadeh mit der Kamera im Iran, in Afghanistan und in den USA. Nochmals beim Festival zu sehen!
„Sonita“ wirkt wie ein Spielfilm, ist aber in echt „einfach“ eine Doku. Und das macht den Film noch stärker. Die Hauptfigur, Sonita Alizadeh, gibt es wirklich. Die im Film erzählte Geschichte ist echt: Eine junge, starke Frau, als Jugendliche aus Afghanistan in den Iran geflüchtet, dort erst Kinderarbeiterin, dann Schülerin zur Rapperin geworden - mit flammenden Appellen gegen den Verkauf von Mädchen per Heirat an ältere Männer in Afghanistan.
Die iranische Filmemacherin Rokhsareh Ghaem Maghami „wollte einen Film über Afghanen im Iran drehen, die werden rassistisch verfolgt und unterdrückt. Deswegen hab ich Kontakt aufgenommen mit einer Organisation, die speziell junge Afghaninnen unterstützt.“ So lernte sie Sonita kennen und begann die Doku zu drehen, an der sie letztlich drei Jahre arbeitete. Dabei wusste sie oft gar nicht, wie die Geschichte weiter-, geschweige denn ausgeht. Die Arbeit an dem Film hat auch in Sonitas Leben eine Wende zum Positiven bewirkte – wobei die Filmemacherin erst mit sich ringen musste, wieweit sie als Dokumentaristin überhaupt ins Geschehen eingreifen dürfe/solle. Zum Glück –für Sonita Alizadeh, aber auch letztlich für den Film – und seine Botschaft – wischte sie die theoretischen Bedenken zugunsten einer empathischen Praxis weg.
Mit Hilfe der besagten Organisation konnte Sonita, erst wie viele Flüchtlinge aus Afghanistan mehr oder minder auf der Straße lebend, schon als Kinder arbeitend, eine Schule in Teheran besuchen, rappte schon früh über das Dasein als Flüchtling und gegen Frauendiskriminierung. Ihre Mutter kündigt sich zu einem Besuch aus Afghanistan an. Dabei eröffnet sie ihr, dass die Familie in Afghanistan beschlossen habe, sie gegen einige Tausend Dollar zu verheiraten – Geld das der Clan brauchte.
Rokhsareh Ghaem Maghami konnte nicht nur das heftige Streitgespräch Sonitas mit ihrer Mutter filmen, sie half dem Mädchen auch. Die Rapperin sah ihren einzigen Ausweg darin, mit einem Musikvideo gegen diese Zwangsverheiratung öffentlich zu protestieren. Die Regisseurin stellte ihre Kompetenz als Filmerin zur Verfügung. Das YouTube-Video wurde mehr als eine halbe Million Mal (mittlerweile fast 70.000 Mal) auf YouTube angesehen und angehört. Die Video-Braut in weiß hat auf der Stirn große einen Bar-Code für den Verkaufspreis aufgemalt.
Das Video und seine Popularität allein half aber noch nichts. Über die Organisation und nicht zuletzt die Regisseurin wurde Geld aufgetrieben, die Familie damit finanziell unterstützt und dazu bewogen, von den Verkaufsplänen Sonitas Abstand zu nehmen. Das Musik-Video bewirkte jedoch anderes: Eine High-School im US-Bundesstaat Utah nahm sie auf. Davor allerdings benötigte das Mädchen einen Pass und das war nicht gerade einfach. Die Regisseurin begleitete die junge Frau bei all diesen Behörden-und Amtswegen – mit der Kamera. Nach wie vor lebte Sonita Alizadeh in den USA. Sie ist jetzt im letzten Jahr ihrer High-School und möchte“, so die Regisseurin zum KiKu „dann Jus studieren, um Menschenrechtsanwältin zu werden.“
„Eigentlich“, so Rokhsareh Ghaem Maghami, die an der Teheraner Kunstuniversität Film und Animation studierte zum KiKu, hab ich mich auf animierte Dokumentationen spezialisiert. Das hab ich studiert und zu dieser doch eher neuen Art von Dokus auch einige Filme gemacht. Damit gewann die Regisseurin auch etliche Preise. Dann kippte sie auch emotional in die nunmehrige Doku, für die sie in verschiedensten Ländern Geld auftreiben konnte, die obendrein ein Happy End hat – und Mut macht.
Mit diesem Film tourte Rokhsareh Ghaem Maghami, die dafür aus New York nach Wien kam, organisiert vom Verein „Flucht nach Vorn“ durch einige Unterkünfte Schutzsuchender. Die Regisseurin ging dabei nicht selten von Tür zu Tür, um die Menschen persönlich zur Vorführung des Films einzuladen. Immer wieder kam es nach dem Film zu teils heftigen Diskussionen, in denen Menschen aus Afghanistan von eigenen oder Erfahrungen im Umfeld von der Praxis des Braut(ver-)kaufs berichteten und andere der Regisseurin vorhielten, das sei gar nicht so und würde ihr Heimatland verleumden. Die Regisseurin wollte immer wieder aber auch von den Flüchtlingen wissen, welche Träume sie selbst hätten. Denn immerhin konnte Sonita ja ihren Traum verwirklichen. In der Unterkunft „Am Wienerwald“ im ehemaligen Geriatriezentrum Lainz spannte sich der Bogen der – geäußerten – Wünsche von Schauspielerin bis zu Wrestler. Einer, der schon im Iran Modefotograf war – konnte sich in der Unterkunft in einem Raum ein Fotostudio einrichten, wo er schon einige Aufnahmen gemacht hat.
Rokhsareh Ghaem Maghamis Film „Sonita“ lief aber auch am zweiten Tag des Menschenrechts-Film-Festivals in Wien (This Human World) in der Brunnenpassage. UND er ist noch einmal zu sehen: 8. Dezember, 19 Uhr Stand 129, 1100, Victor-Adler-Platz 129-132 www.thishumanworld.com/movie_detail.php?movieId=72