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Abschiebung ins Abseits

Am 20. Juni ist der Welttag der Flüchtlinge. Aus diesem Anlass weist das heimische Netzwerk Kinderrechte besonders auf das Schicksal von Kindern und Jugendlichen hin, die in einer Flüchtlingsfamilie aufwachsen und noch einmal entwurzelt wurden, weil sie beispielsweise Österreich abschiebt – in das was der Staat „Rückführung in die Heimat" nennt. Mehr als die Hälfte aller „rückgeführten" Kinder und Jugendlichen aus Österreich und Deutschland aber haben ihr ganzes Leben im Fluchtland der Eltern verbracht, sind also nur in diesen beiden Ländern aufgewachsen. Weitere zehn Prozent haben mehr als die Hälfte bis zu dreiviertel ihres jungen Lebens hier verbracht.

Der 13-jährige Amir, der vor zwei Jahren in den Kosovo abgeschoben wurde und nun mit seiner Mutter und seinen Geschwistern in einem Dorf im Südwestkosovo lebt, geht nach der Abschiebe-Erfahrung aus Österreich jede Nacht mit der Angst zu Bett „wann sie kommen werden". Wann immer er an seine Rückkehr erinnert wird, „fange ich an zu zittern und zu schwitzen" und „fange an, einfach zu schreien. Ich gehe raus, um nur nicht zu Hause zu bleiben, und um mich irgendwo abzuregen. ... Ich laufe in die Stadt, weil ich zu viel Angst habe, um zu Hause zu bleiben ... wer weiß, was ich noch tun werde."

Depression, Angst, Selbstmordgedanken

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Seine Zitate stammen aus der aktuellen Studie des UNO-Kinderhilfswerks UNICEF mit dem Titel „Stilles Leid". Die Hälfte der von einem internationalen Team aus Psycholog_innen, Ärzt_innen und Sozialwissenschafter_innen untersuchten 164 Kindern bzw. Jugendlichen und 131 Eltern, die 2010 von Deutschland und Österreich - meist gegen ihren Willen - in den Kosovo zurückgebracht worden waren, meint die Abschiebung sei die schlimmste Erfahrung ihres Lebens. „Depressionen, Gefühle der Hoffnungslosigkeit, Selbstmordgedanken, Angstzustände und bittere Armut gehören zum neuen Alltag der abgeschobenen Kinder und Jugendlichen, die in Österreich aufgewachsen sind. 70 Prozent der Kinder aus Minderheiten besuchen nach ihrer Rückkehr keine Schule mehr. Das Gesundheitswesen des Kosovo ist auch nicht in der Lage, dem tatsächlichen Behandlungsbedarf bei „rückgeführten" Kindern und deren Eltern gerecht zu werden", fasst Alexander Schwentner von UNICEF Österreich die alarmierenden Ergebnisse der Studie "Stilles Leid" zusammen.

Abschiebung ins Abseits

2011 hat Österreich mehr als 400 Menschen, im Jahr davor 888 in den Kosovo „rückgeführt" - unter ihnen zahlreiche Kinder und Jugendliche, für die eine „Rückführung" in den Kosovo eine Abschiebung ins Abseits bedeutet.

Das Netzwerk Kinderrechte weist darauf hin, dass laut Artikel 22 der von Österreich ratifizierten UN-Kinderrechtskonvention sich die Vertragsstaaten dazu verpflichten, Flüchtlingskindern besonderen Schutz zu gewähren. Dieser Verpflichtung muss Österreich ausnahmslos nachkommen, auch wenn dieser Artikel nicht in die Bundesverfassung aufgenommen wurde. „Bei Abschiebungen oder Rückführungen aus Österreich werden das Kindeswohl und die seelische Gesundheit von Kindern nicht ausreichend beachtet!", meint die national coalition zur Umsetzung der UNO-Kinderrechtskonvention in Österreich.

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