Katzen: Gemeinsam Einzelgänger
Von Hedwig Derka
Katzen sind Individualisten; mit ausgeprägter Persönlichkeit; mit speziellen Bedürfnissen. – Die geborenen Einzelgänger? Mitnichten. Katzen sind durchaus sozial. Vor allem Weibchen aus dem selben Familienverband halten fest zusammen. Und auch Fremde können Freunde werden. "Katzen unterscheiden sich in ihrem Sozialverhalten sehr vom Hund. Es gibt nicht diese Frauerl/Herrl-Hund-Rangordnung. Aber dass Katzen streng solitär sind, stimmt einfach nicht", räumt KURIER-Tiercoach Dagmar Schratter mit einem Vorurteil auf. Die Direktorin des Tiergarten Schönbrunn weiß, wie Katzen zueinanderfinden, was Streit im Mehrkatzenhaushalt verursacht und was ebendort für Harmonie sorgt.
Gegensätze
Samtpfoten sind der Österreicher liebstes Heimtier. Rund zwei Millionen Katzen schnurren in etwa 1,2 Millionen Haushalten. In zirka einem Drittel der Haushalte lebt mindestens ein Exemplar, in 14 Prozent der Haushalte sind mehr als zwei Stubentiger unterwegs. Die einen verbringen den Alltag gesellig, unterhalten sich als Spielgefährten und kuscheln beim Schlafen. Schmusetiere dieser Art sind auch in Bezug auf Mensch anhänglich, lassen sich bei Laune blicken und gerne streicheln. Andere haben weniger Interesse an einem innigen Miteinander. Sie meiden Artgenossen, verkriechen sich bei erster Gelegenheit und lassen sich nur mühsam vergesellschaften. "Wer viele Katzen halten will, weil es zum Beispiel Wohnungskatzen sind, sollte sich zwei Tiere gleichzeitig anschaffen", rät Schratter. Geschwister, die gemeinsam ihr neues Zuhause beziehen, kommen meist gut miteinander aus. Auch zwei Katzen, die im Tierheim bereits friedlich Seite an Seite gelebt haben, werden den Umzug ins neue Revier meistern.
Zwei unbekannte Vierbeiner zusammenzubringen, kann dagegen zur Herausforderung werden. Am wenigsten ziehen sich Gegensätze an. Dem Schüchternen macht ein ungestümer Rüpel
Angst. Ein alter Couch-Potato fühlt sich von einem jungen Wilden gewaltig gestört. "Achten Sie bei der Auswahl der Katzen auf das gleiche Temperament", sagt die Expertin. Zudem müssen die Rahmenbedingungen passen: "Ausschlaggebend ist die Wohnungsgröße. Ein Zimmer pro Katze plus eins, gilt als Faustregel", erklärt der KURIER-Tiercoach. Bei diesem Raumangebot kann jedes Tier sein Bedürfnis nach Ruhe befriedigen. Freigänger gehen sich außer Haus aus dem Weg. Eigenes Katzenklo, eigener Futternapf, eigene Wasserschüssel verstehen sich von selbst.
Feindschaft
Bei zu unterschiedlicher Wesensart und begrenzten Ressourcen wird kein Friede einkehren. Stress führt dann mitunter zu offener Aggression, Protest-Pinkeln oder heimlichem Terror: Da blockiert der eine Vierbeiner den Durchgang, da vertreibt der andere vom Lieblingsplatz, da wird das fremde Kisterl benützt. Die Gemeinheiten fallen oft erst bei genauer Beobachtung auf. "Dann gilt in der Regel: Die erste Katze behält ihre Vorrangstellung. Sie bestimmt das Tempo, wie schnell sie die zweite akzeptiert. Die Zweite muss jederzeit den Rückzug antreten können", sagt die Expertin.
Das Aneinander-Gewöhnen verlangt viel Geduld und Zeit. Wenn sich das Leben in zirka vier Wochen Probe nicht einspielt, werden die Katzen auch später nicht zusammenwachsen. Der Besitzer muss einen anderen Platz für den Neuling finden. Schwierige Katzen können alleine glücklich sein. Die Anschaffung von vierbeinigen Freunden muss ohnehin sorgfältig überlegt werden. Schratter warnt: "Es ist keine Lösung, sich mehr Katzen zu nehmen, damit die eine nicht so einsam ist, weil man selbst keine Zeit hat. Im Gegenteil: Mehr Katzen brauchen mehr Zeit."