Leben/Gesellschaft

Jurassic World: Wie viel Dino-Wissenschaft steckt im Film?

Gesetzt den Fall, Mensch und Dino wären jemals aufeinandergetroffen – Homo sapiens hätte keine Chance gegen Compsognathus gehabt. Dieser nur 60 Zentimeter lange, zweibeinige Fleischfresser rannte mit 64 km/h durch die Gegend und hätte durchschnittliche Kurzstreckenläufer (28 km/h) ziemlich schnell geschnappt. Woher wir das wissen? Britische Forscher haben das vor einigen Jahren in einer Simulation herausgefunden. Sie fütterten den Computer mit Skelettaufbau, Muskeln und Laufgeschwindigkeit von Strauß sowie Mensch und verglichen alles mit vorhandenen Dino-Daten. Heraus kam eine geschätzte Saurier-Laufgeschwindigkeit.

Steven Spielberg kümmert all das wenig. Am vergangenen Wochenende ist Jurassic World angelaufen. Wie fast alle Dino-Filme verzichtet auch der vierte Teil der Jurassic Park-Serie auf jegliche Wissenschaftlichkeit. Die Macher wissen, was ihr Publikum statt dessen sehen will: Kreischende Mädels, heldenhafte Retter, furchteinflößende Monster.

Federn mindern Horror

Paläontologie darf man sich also nicht erwarten: Spielberg wehrte sich gegen eine Berücksichtigung neuer Forschungsergebnisse, weil das angeblich den Horror gemildert hätte – und die Tricks verteuert. Im Besonderen ging es um die Erkenntnis, dass möglicherweise alle Dinos Federn hatten. Derzeitiger Wissensstand: Die Federn dienten dem Wärmeschutz, vielleicht auch der Balz. Erst später in der Evolution hätten Federn das Fliegen mitermöglicht.

Dass gefiederte, bunte Raubsaurier nicht weniger beängstigend sein können als ihre nackten Verwandten, beweist der australischer Dino-Kinderfilm Im Land der Dinosaurier. Das ambitionierte Fiction-Erstlingswerk eines Dino-begeisterten Autorenfilmers kommt den wissenschaftlichen Erkenntnissen der vergangenen 20 Jahre viel näher als jeder der hoch gelobten Jurassic-Park-Filme. Beispielsweise schuf Regisseur Matt Drummond einen wahrhaft beängstigenden Feder-T-Rex.

Auch eine andere jüngst gemachte Entdeckung ist durchaus Horror-tauglich: Wissenschaftler aus Großbritannien und Kanada haben Daspletosaurus (so der Name des untersuchten Dinos) als Kannibalen entlarvt. Und gleich ein Gänsehaut-Szenario entworfen: unverheilte Bissspuren auf den Fossilien erzählen von brutalen Revierkämpfen zwischen zwei Sauriern und einem anschließenden üppigen Festmahl – zumindest für einen. Übrigens kein Einzelfall, denn auch der legendäre T. rex dürfte wohl ein Kannibale gewesen sein.
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Die Urzeit-Echsen scheinen die dunkle Seite unserer Fantasie anzuregen. Oder wie lässt es sich sonst erklären, dass Forscher dem zuletzt entdeckten Regaliceratops peterhews den Spitznamen "Hellboy" (Höllenjunge) gegeben haben? Passt aber gut: Auf seiner Nase thront ein besonders großes Horn, über den Augen zwei weitere, die beinahe komisch klein erschienen.

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... Südamerika unter Dino-Forschern – neben Mexiko und China – ob seiner Fossilien-Dichte als Saurier-Himmel gilt? Dort dürfte die Urheimat der Saurier gewesen sein. Und dort hat man auch den bisher ältesten entdeckt: Ein rätselhaftes 235 Millionen Jahre altes Fossil, zweieinhalb Meter lang mit 30 Zentimeter großem Kopf und scharfen Zähnen. Die Überreste stammen aus dem frühen Trias – jener Zeit, in der sich die ersten Dinosaurier aus älteren Reptilien, den Thecodonten, entwickelt haben. Danach teilten sie sich in die großen Hauptgruppen: Sauropoden (Pflanzenfresser), Theropoden (Fleischfresser), Ornithischier (Dinos mit vogelähnlichem Becken) und Saurischier (mit echsenähnlichem Becken).

... die ersten Dinosaurier-Fossilien schon vor Tausenden von Jahren gefunden wurden, ohne zu wissen, worum es sich handelte? Im China der östlichen Jin-Dynastie berichtet ein Buch aus dem 4. Jahrhundert über die Entdeckung von "Drachenknochen".

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... Robert Plot 1677 die erste formelle Beschreibung eines Dinosaurierfossils anfertigte, das bei Oxfordshire entdeckt worden war. Allerdings ordnete er den großen Knochen einem Elefanten zu.

... die Geschichte der Wiederentdeckung der Saurier 1822 in England begann? Mary Ann Mantell fand während eines Spaziergangs eigenartige versteinerte Zähne. Ihr Mann – nicht nur Arzt, sondern auch Fossiliensammler – erkannte die Ähnlichkeit der Beißer mit denen einer noch existierenden Leguanart aus Mittelamerika. Vor 170 Jahren erhielten die "deinos" (griechisch: schrecklich, gewaltig) "sauros" (Echse) dann ihren Namen.

... bereits mehr als 1000 verschiedene Arten dieser ausgestorbenen Riesen gefunden wurden? Eine Studie von 1995 schätzt die Gesamtanzahl auf 3400 Saurier-Spezies. Im Mittel kommen derzeit pro Monat zwei neue Gattungen und pro Jahr mindestens 30 neue Arten hinzu.

... Xing Xu von der chinesischen Akademie der Wissenschaften in Peking zu den erfolgreichsten Paläontologen der vergangenen Jahre gehört, wenn es um die Erstbeschreibung neuer Dinosaurierarten geht? Seit 1999 hat er 32 neue Arten beschrieben. Darunter einige der wichtigsten gefiederten Saurier. Zuletzt stellte er vor einem Monat Yi qi vor, einen seltsamen Fledermaus-Saurier.
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... Österreich arm an Fossilien aus der Dino-Ära ist? Weite Teile lagen damals unter Wasser, dem Tethysmeer. Eine Ausnahme ist der Ur-Österreicher Struthiosaurus austriacus, ein winziger Pflanzenfresser, der vor 90 Millionen Jahren lebte. Geborgen wurde der Stolz der österreichischen Paläontologie 1859 aus einem Kohlebergbau bei Muthmannsdorf (NÖ).