Leben/Gesellschaft

Die Pilotin einer Billig-Airline erzählt

Das Gefühl, wenn 270 Pferdestärken im Rücken zu kitzeln beginnen. Und das Gefühl, wenn das große schwere Passagierflugzeug tut, was ihm die Pilotin und nicht der Autopilot befiehlt: abheben!

"Ja, das sind immer noch erhebende Momente", sagt Julia November, die seit 13 Jahren für Billig-Airlines arbeitet und ihre Erfahrungen in einem pikanten Buch zusammengeschrieben hat (siehe rechts unten). Wichtig dabei: Damit ihr Arbeitgeber nicht die falschen Schlüsse zieht, ist der Name Julia November so real wie Wanda Wolke.

Keine Absturzgefahr

"Kaufen Sie noch ein Los, bevor wir abstürzen." Der Titel ist eine Erfindung des Münchener Verlags – ein Hingucker, aber auch eine maßlose Übertreibung. Was die Pilotin erzählen will, ist etwas ganz anderes: "Billig-Airlines können es sich gar nicht leisten, abzustürzen. Das würde ihrem Ruf noch mehr schaden als den arrivierten. Daher schicke ich auch meine Familie guten Gewissens mit meiner Airline in den Urlaub."

Weniger beruhigend sind hingegen ihre intimen Berichte über das kulinarische Angebot an Bord der Dumpingbomber. In ihrem Buch schreibt sie von Sandwiches, die seit Tagen ungekühlt kreuz und quer durch Europa fliegen und dazu unverschämt teuer sind. Im Interview erzählt sie, "dass ich selbst mehr auf eigene belegte Brote vertraue".

Hand auf ihren Schoß

Auch kein Renommee: Verheiratete Kollegen, die im Schutz des Cockpits meinen, die Hand auf ihren Schoß legen zu dürfen, überfordertes Kabinenpersonal, inkompetente Vorgesetzte, die mehr kommandieren als kommunizieren und absurde Vorschriften erlassen. Nicht zuletzt: Entwürdigende, bereits schimmlige Arbeitsplätze in den Bodenstationen.

Interessant ist auch: So jung die Airlines nach außen auftreten, so altmodisch sind sie nach innen. Frau November ist statistisch betrachtet eine von fünfzig. Die anderen 49 Piloten sind Männer. Auch bei den Austrian Airlines gesteht man ein, dass sich in Sachen Gleichberechtigung bis dato recht wenig bewegt hat. Aua! Von den 903 Piloten sind nur 28 weiblich.

Dabei wurde der Tochter eines technisch versierten Beamten aus Recklinghausen, die mit 15 schon Segelflugzeuge pilotierte, in ihrer Ausbildung mehr Technik-Verständnis attestiert als so manchem Macho in Uniform. Auch gesellschaftlich ist die Pilotin noch nicht ganz angekommen: "Wenn ich wo erzähle, dass ich bei einer Airline arbeite, sehen die Leute immer noch eine Flugbegleiterin in mir." Süß auch jener junge Pilot, der ihr die Welt erklären wollte und dann vor den Kopf gestoßen wurde: "Weil ich ihm leider erklären musste, dass ich es war, die ihn ausgebildet hat."

Ein Käpt’n als Mörder

Kann sie jungen Frauen raten, den Pilotenjob in Erwägung zu ziehen? "Wenn jemand grundsätzlich bereit ist, an einem Tag zwei oder gar drei Mal nach Mallorca und wieder zurück zu fliegen, warum nicht? Manchmal fühle ich mich dort oben wie eine Busfahrerin in der Luft." Dennoch bleibt die Welt über den Wolken auch bei bis zu hundert Abflügen und Landungen pro Monat einigermaßen grenzenlos. Und spätestens im Landeanflug darf der Mensch wieder von der Maschine übernehmen.

Die 33-jährige Deutsche hat zuletzt ihren Arbeitgeber gewechselt. Auch der neue bewegt sich im Billigsegment. Ihre Bilanz erinnert an eine nicht ganz leichte Landung: "Sonnig, aber mit Turbulenzen." Frau November schreibt übrigens bereits an ihrem zweiten Buch, ein Krimi. So viel darf schon verraten werden: Der Mörder trägt eine Uniform. Und er ist natürlich keine Frau.

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Das Buch: Julia November, "Kaufen Sie noch ein Los, bevor wir abstürzen. Aus meinem Alltag als Pilotin bei einer Billig-Airline", riva Verlag, 200 Seiten, 10,30 €.

Ernsthafte Tipps

Die Tipps der Pilotin sind weitaus besser als der Titel des Verlags.

Erstens: Maße und Gewicht des Gepäcks zu Hause abwiegen und mit dem Kleingedruckten vergleichen. Sonst kann der Billigflug extrem teuer werden.

Zweitens: Eine Jacke mitnehmen, Billigflieger stehen öfters auf dem Rollfeld draußen – vor einem noch versperrten Flugzeug.

Drittens: "Wenn Sie an Bord gemütlich und lecker essen wollen, kaufen Sie sich Ihr Brötchen vor der Reise."

Viertens: "An Bord haben wir weder Decken noch Kissen. Unser Motto ist: Kein Schnickschnack." Leichte Fleecedecken helfen.