iPhone 5 im Test: Das beste, fadeste Apple-Handy
Ab Freitag 00:01 Uhr werden sich auch hierzulande wieder Schlangen vor den Shops von Mobilfunkern bilden - das iPhone 5 von Apple landet jetzt auch in Österreich. Mehr als fünf Millionen Mal ist es dem Hersteller zufolge in den ersten drei Verkaufstagen - in anderen Ländern wie den USA und Deutschland ist es bereits zu haben - verkauft worden. Damit ist es, gemessen am Start, das erfolgreichste iPhone-Modell.
Allerdings: Vielen Erstanwendern fehlt der Wow-Effekt. Brachten die Vorgänger iPhone 4 und iPhone 4S noch große Neuerungen wie ein neues Design, Retina-Display oder die Sprachsteuerung Siri, so ist das iPhone 5 auf den ersten Blick lediglich gewachsen (und wird deshalb auch als “Longphone" veräppelt).
Die futurezone konnte bereits ein Gerät aus Deutschland in die Finger bekommen und sich ein Bild von dem neuesten Apple-Smartphone machen. Eine Anmerkung: Dem Betriebssystem iOS 6, mit dem das iPhone 5 ausgeliefert wird, hat die futurezone bereits zwei ausführliche Artikel gewidmet (Test und Vergleich zu anderen mobilen OS).
Dünner und leichter, aber nicht so edel
Nimmt man das iPhone 5 das erste Mal in die Hand, stellt man sich intuitiv die freche Frage: Moment, ist das wirklich ein echtes iPhone? Seit etwa zwei Jahren sind viele Nutzer das Gehäuse und Gewicht des iPhone 4 gewohnt - und im Vergleich zu dessen 140 Gramm wirken die 112 Gramm des 5er-Modells zuerst zu leicht. Wer auf dem Schwarzmarkt in China schon mal einen iPhone-Klon in der Hand hatte, kennt die Zweifel, die sich breitmachen.
Doch auch klar ist: Apple hat mit dem neuen Gerät eines der leichtesten Smartphones auf den Markt gebracht, ohne beim Gehäuse Plastik verbauen zu müssen. Die Rückseite ist großteils aus ganz leicht angerautem Aluminium und damit griffiger als das iPhone 4/4S. Im Vergleich zum Glasrücken der Vorgängers ist das 5er nicht so anfällig für Brüche, zerkratzt aber leichter (z.B. am Schlüssel in der Hosentasche)
Außerdem ist es dank neuer Bauweise des Touchscreens einen Hauch dünner, was bei der Nutzung allerdings kaum auffällt. Zudem fühlt es sich nicht so kantig an, was ebenfalls an der flacheren Bauweise liegt.
Die Abmessungen von 123,8 x 58,6 x 7,6 mm haben auch die Folge, dass alte iPhone-Tascherl und -Hüllen oft nicht mehr passen und gegebenenfalls neue angeschafft werden - ein Fest für den Zubehör-Markt.
Kleine Änderungen beim Design
Beim Design setzt Apple auf Altbewährtes und will die Millionen potenziellen Käufer offensichtlich nicht mit Experimenten verschrecken - man erkennt das iPhone 5 ganz eindeutig als iPhone. Trotzdem gibt es nicht unwesentliche Änderungen: Beim schwarzen Modell wurde der Rahmen schwarz eingefärbt. Die kleine Lade rechts nimmt nur mehr nano-SIM-Karten auf, was vor allem beim Kauf von freien Geräten zu beachten ist, weil man sich dann eine nano-SIM-Karte vom Mobilfunker holen muss.
Die Front-Kamera (1,2 MP, 720p-Videoaufnahme) ist im Vergleich zum iPhone 4S in die Mitte über den Ohrlautsprecher gewandert, was in der Nutzung aber keine Konsequenzen hat. Außerdem sitzt der 3,5mm-Klinken-Stecker für die Kopfhörer jetzt unten statt oben. Wer es zum Musikhören in der Hosentasche mit sich herumträgt, muss sich ein wenig umgewöhnen, dass er das Gerät verkehrt hineinsteckt bzw. herauszieht - größere Komplikationen wegen dieser Veränderung gibt es aber keine.
Schließlich gibt es noch den neuen Lightning-Connector, der den alten, 30-poligen Dock-Connector ersetzt. Wer eine der vielen Docking-Stations zu Hause hat, kann diese mit dem iPhone 5 nur mehr via Adapter verwenden, der mit 30 Euro zu Buche schlägt und ab Oktober im Online-Store von Apple bestellbar ist. Kundenfreundlich ist das definitiv nicht.
Vier Zoll für vier Apps mehr
Mit einem neuen 4-Zoll-Display (1136 mal 640 Pixel) ist der iPhone-5-Touchscreen genauso breit wie jener des iPhone 4S, aber um 176 Pixel länger. Diese bringen zunächst einmal die Möglichkeit, 24 statt bisher 20 App-Symbole auf dem Homescreen zu platzieren. Außerdem ist klarerweise mehr Platz für die Darstellung von Webseiten und Anwendungen, und mit dem 16:9-Format kommt das Gerät dem gängigen Videoformat (z.B. viele YouTube-Clips) entgegen. Konkurrenz-Smartphones sind schon länger mit diesem Display-Format zu haben und mittlerweile eigentlich Standard. Dementsprechend ist das Betrachten von Videos besser als am iPhone 4S.
Bei der Auflösung kann das iPhone 5 mit 326 ppi aufwarten - einem vergleichsweise hohen Wert, der den Vergleich mit Rivalen nicht scheuen muss (Samsung Galaxy SIII: 308 ppi, Nokia Lumia 920: 331 ppi). In der Praxis bedeutet das: Nur echte Adleraugen können einzelne Pixel am Touchscreen erspähen, für alle anderen bedeutet das “Retina Display" eine hohe Auflösung und kräftige Farben (wenn auch einige Nutzer bereits einen Gelbstich bemerkt haben wollen).
Mehr Platz für Inhalte
Kleine Nachteile hat das größere Display aber auch: Wer als iPhone-4/4S-Nutzer bisher gewohnt war, alle 20 Apps mit dem Daumen erreichen zu können, muss sich beim 5er-Modell umstellen. Nutzer mit durchschnittlich großen Fingern erreichen das rechte obere App-Icon nicht mehr und müssen dazu ein wenig umgreifen. Eine Lösung: Rechts oben einfach eine selten genutzte App hinlegen.
Ebenfalls nicht optimal ist die Übergangszeit, in der die App-Anbieter auf das 4-Zoll-Display umstellen. Denn Apple hat wie immer bis zuletzt geheimgehalten, wie groß der neue Screen wirklich wird und damit Entwicklern keine Chance gegeben, ihre Anwendungen vorab zu adaptieren. Apple-eigene Software (z.B. Mail, Safari) und viele populäre Apps wie von Facebook, Twitter, uvm. wurden bereits an die neue Auflösung angepasst, doch gibt es immer noch tausende Anwendungen, die auf 3,5-Zoll ausgelegt sind. Am iPhone 5 bekommen sie oben und unten schwarze Balken, was aber weniger stört, als es klingt.
Sprachqualität und Tonausgabe
In punkto Sprachqualität, einer manchmal etwas stiefmütterlich behandelten Hauptfunktion eines Mobiltelefons, will Apple nachgebessert haben. Drei Mikrofone, mehr Rauschunterdrückung und die Unterstützung eines breiteren Frequenzspektums soll die Übertragung von Telefonaten klarer machen. Im Testvergleich mit einem iPhone 4S gab es marginale Unterschiede zugunsten des iPhone 5 - generell ist aber zu sagen, dass die Sprachqualität auch stark mit der Qualität der Funkverbindung zusammenhängt und deswegen oft variieren wird.
Die neue Bauweise und der Lightning-Anschluss hat es Apple erlaubt, größere Lautsprecher unten zu verbauen. Diese sind ein wenig lauter als jene des iPhone 4S. Auch die beigelegten neuen Kopfhörer namens “EarPods" scheinen in der Klangqualität ein wenig besser als die alten Stöpsel - insgesamt bekommt man bei Drittanbietern aber sicher weiterhin bessere Hörer für unterwegs.
(Fast immer) mehr Speed
Apple hat im iPhone 5 seinen selbst designten A6-Prozessor verbaut, der mit einem Doppelkern arbeitet. Viel mehr ließ man die Öffentlichkeit nicht darüber wissen - die Analyse der GeekBench-2-App aber zeigt, dass das neue Apple-Smartphone von einem Chip nach ARM-v7-Bauweise mit 1,07 Ghz sowie 1 GB RAM angetrieben wird. Im GeekBench-2-Vergleich schlägt das iPhone 5 mit 1652 Punkten seinen Vorgänger iPhone 4S (800 Mhz-Prozessor, 632 Punkte) um Längen.
In der Praxis macht sich diese Überlegenheit aber nicht immer bemerkbar: Während die Einstellungen-App deutlich schneller als beim iPhone 4S öffnet, sind die Kamera-Apps der beiden Geräte gleich schnell offen. Das Galaxy SIII ist beim Öffnen der Kamera übrigens einen Tick langsamer als die beiden Apple-Geräte. Keine Blöße leistet sich das iPhone 5 etwa beim grafisch aufwendigen Game Infinity Blade 2, das äußerst reibungslos und flott läuft. Laut Apple soll die Grafik-Leistung des A6-Chips doppelt so hoch sein wie die des A5, was sich aber in der Praxis nicht feststellen ließ.
Akku und LTE
Ein paar Worte zum Akku: Apple verspricht 8 Stunden LTE-Surfen, zehn Stunden Videowiedergabe bzw. acht Stunden Sprechzeit damit. Detaillierte Aussagen zur Akkulaufzeit können seriöserweiser nur im Rahmen eines Langzeittests getätigt werden. Wunder sollte man sich keine erwarten, bei intensiver Nutzung muss das iPhone 5 wie die meisten anderen Smartphones spätestens am zweiten Tag an die Steckdose. Darüber hinaus kann die LTE-Funktion in Österreich derzeit ohnehin nicht ausprobiert werden, da diese in Österreich nicht unterstützt wird (die futurezone berichtete). Europäische iPhone-5-Modelle unterstützen nur die 1800er-Frequenz, während in Österreich aktuell nur die 2600er-Frequenzen für den Daten-Turbo gnutzt werden.
Bei der Kamera, die 8 Megapixel bietet, finden sich punkto Schärfe keine wirklichen Unterschiede zum iPhone 4S und dem Samsung Galaxy SIII. Das iPhone 5 scheint zumindest im Test leicht zu wärmeren, gelberen Farben zu neigen, das Galaxy SIII zu etwas kühleren Farbtönen.
Kein Kaufzwang - auch nicht für Apple-Fans
Insgesamt scheint es, als hätte Apple nur das Nötigste für sein iPhone 5 gemacht. Mit größerem Display, dem schnelleren Prozessor und der leichteren und schlankeren Bauweise bleibt man an der Konkurrenz dran - starke Akzente setzen kann Apple aber nicht. Die Neuerungen sind logisch, weil sie der Markt fordert, Überraschungen gibt es keine.
Wer und warum sollte also zwischen 680 und 900 Euro (so zumindest die Deutschland-Preise, an denen sich die Österreich-Preise sehr wahrscheinlich orientieren werden) für das iPhone 5 hinblättern? Nun, wer schon immer ein iPhone wollte und noch keines hat, kann getrost zu dem Modell greifen. Es bietet zwar keine überragenden Neuheiten gegenüber seinem Vorgänger, ist aber trotzdem leichter, schneller, dünner und größer.
Wer schon ein iPhone 4S hat, der kann getrost dabei bleiben - mit iOS 6 bekommt man ohnehin die neuen Funktionen des 5er aufs Gerät. Wer etwa ein 3GS oder gar noch 3G hat und bei Apple bleiben will, der macht mit dem iPhone 5 nichts falsch. Und wem die ideologischen Grabenkämpfe zwischen iPhone-Fans und Android-Anhängern egal sind, kann ruhig auch einmal einen Blick ins andere Lager werfen: Denn da wartet bereits eine ganze Reihe an sehr interessanten iPhone-Alternativen (die futurezone berichtete).
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