Heast, du O****loch!
Von Uwe Mauch
"Weil wir selbst so viel schimpfen", sagt Calina Fontanesi, Geschäftsführerin des Online-Portals "Stadtbekannt", auf die Frage, warum sie das Bücherl "Schimpfen wie ein echter Wiener" herausgebracht hat.
Beim schnellen Aufschnappen von Zitaten aus dritter Hand und noch schnellerem Aneinanderreihen sind ihr und ihren jungen Kollegen da und dort die Pferde durchgegangen; und ab und zu vermengen sich Äpfel (Wiener Dialekt) mit Birnen (österreichische Umgangssprache). Aber was soll’s?
Vom Reiz des Anrüchigen
Wer ein Buchkapitel mit Heast, du Saubeidl, geh in Oasch! titelt, darf sich der sofortigen Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit sicher sein. "Das Schimpfwort übt auf uns einen besonderen Reiz aus", erklärt dazu die Germanistin Christiane Pabst. Ihre Erklärung: "Alles, was anrüchig ist, was sprachlich-gesellschaftlich verboten erscheint, ist attraktiv für die Leute." Wem in jungen Jahren strikt verboten wurde, Puderant (Koitierer, ebenfalls vom Stadtbekannt-Team freudvoll angeführt) zu sagen, der wird laut Pabst den erhobenen Zeigefinger sein Lebtag nicht vergessen.
Die Chefredakteurin für das Österreichische Wörterbuch arbeitet derzeit an der Fertigstellung der 43. Auflage. Diese wird 32.000 Wörter umfassen, darunter auch rund 100 ausgewiesene Schimpfwörter (in der überwiegenden Mehrheit sind diese aus der Rubrik Bärli-Version entnommen). Dazu kommen noch etliche derbe Ausdrücke.
Eitriger Brunzschädel
Die Sammlung des Schimpfwort-Experten ist zuletzt auf 2222 Wörter sowie rund 400 "Schmähungen und andere Frechheiten" angewachsen. Lustig ist in diesem Zusammenhang auch, dass Weihs selbst ein absolut friedliebender, alles andere als ordinärer Mensch ist. Dem KURIER verrät er, dass er gar nicht richtig schimpfen kann. Geht ihm wirklich einmal das G’impfte auf, fehlen ihm die Worte, die Schimpfwörter: "Wenn mir in der Hitze des Gefechts der eitrige Brunzschädel einfällt, bin ich eigentlich schon froh."
Neben dem Sammeln von politisch längst nicht mehr Korrektem (etwa Amaturschpengla für Gynäkologe) bemüht sich Richard Weihs auch um eine Kategorisierung: So hat er festgestellt, dass Männer mehr in Bezug auf ihren Intellekt (Deppada, Dodl, Trottel) beleidigt werden und Frauen eher in Richtung ihrer äußerlichen Werte (Gfüde, Schiache, Ossl für eine hässliche Assel).
Auch hat sich der Wortforscher mit der Karriere eines durchschnittlichen Schimpfworts beschäftigt. Diese teilt er grob in drei Phasen ein: Zunächst kommt es einem Verärgerten über die Lippen und gilt als zu vulgär für die feine Umgangssprache. Nach einer weiteren Phase als allgemein akzeptierte und gemeinhin verwendete Beleidigung, sinkt der Stern des Kraftausdrucks schnell. Weihs: "Es geht ihm buchstäblich die Kraft aus." Ausnahmen bestätigen die Regel. Gfrast, das, Funsn, die und Oasch, der werden wohl als altösterreichische Klassiker immer im Repertoire der Dialektsprecher bleiben. Apropos Oasch: die sprachliche Fixierung der Wiener und Wienerinnen auf ihr Gesäß hat bereits ein gewisser Sigmund Freud konstatiert.
Nostalgiker merken gerne an, dass das gute alte Schimpfwort immer mehr aus dem allgemeinen Sprachgebrauch verschwindet. In der Tat spricht man nur mehr in den Randzonen der Stadt von einem Probierspatzerl (kurzes männliches Geschlechtsorgan) oder einem Pözgoscherl (Mann mit Haaren im Gesicht). Allerdings übersehen die Nostalgiker gerne, so die Germanistin Christiane Pabst, dass auch nachfolgende Generationen ihre Schimpfwörter kreieren: "Für sie ist es halt nicht mehr der Saubeidl, sondern der Arsch. Heute kommt es öfters zu einer Kombination aus vermeintlichem Standarddeutsch mit umgangssprachlichen Einschüben."
Und doch haben die historischen Schmähungen ihren Reiz, wie etwa jene: I reiß’ dir den Schädel aus und wirf’ ihn dir ins G’sicht!