Leben/Gesellschaft

Psychologie der Trennung: Plagt Herzschmerz Männer stärker?

Es ist ein Geschlechterklischee, das sich besonders hartnäckig hält: Eine Trennung wirft Männer emotional weniger aus der Bahn als Frauen. Das Leid prallt eher an ihnen ab, während Frauen mehr am Liebes-Aus zu knabbern haben.

Ein internationales Team um die Psychologin Charlotte Entwistle und den Verhaltensforscher Ryan Boyd von der Lancaster University räumt nun mit dieser stereotypen Vorstellung des gefühlsentfremdeten Mannes auf.

Doch alles von Anfang an. An ebendiesem stand ursprünglich nämlich nicht die Frage nach geschlechtsspezifischem Herzschmerz. Vielmehr wollten Entwistle und Boyd ergründen, welche Beziehungsprobleme Menschen in Partnerschaften am häufigsten begegnen. Um aussagekräftige Erkenntnisse zu gewinnen, stellte man eine Big-Data-Analyse an – man untersuchte also große Datenmengen mithilfe komplexer Verfahren.

In Summe wurden die Daten von fast 200.000 Männern und Frauen, die ihre Beziehungsprobleme anonym in einem Online-Forum teilten, ausgewertet. Man scannte die Einträge nach bestimmten Schlagwörtern ab, die dann zu Problem-Clustern gruppiert wurden. Entwistle und Boyd entschieden sich bewusst gegen therapeutische Institutionen (paartherapeutische Praxen, beispielsweise) als Quellen für ihr Datenmaterial, da ebendiese eine bestimmte Zielgruppe bedienen und sie möglichst repräsentative Aussagen über die Allgemeinbevölkerung sammeln wollten.

Unerwartete Erkenntnisse

Nun zum spannenden Teil – den Ergebnissen. Am häufigsten wurden Kommunikationsschwierigkeiten als beziehungstechnische Stolpersteine genannt (1 von 5 Teilnehmerinnen und Teilnehmern), gefolgt von Vertrauensproblemen (1 von 8 Teilnehmerinnen und Teilnehmern).

Bei der Analyse kristallisierten sich auch geschlechtsspezifische Erkenntnisse heraus, die gar nicht zu tradierten Geschlechterrollen passen: Tatsächlich besprachen Männer das Thema "Liebeskummer" online deutlich häufiger und intensiver als Frauen. Unter "Liebeskummer" gruppierten die Forschenden Wörter wie "Reue", "Weinen", "Schmerz" oder "gebrochenes Herz".

Entwistle dazu: "Vor allem die Tatsache, dass das Thema Liebeskummer häufiger von Männern diskutiert wurde, unterstreicht, dass Männer von Beziehungsproblemen emotional mindestens genauso betroffen sind wie Frauen."

Stigma brechen

Darüber hinaus stellten die Forschenden fest, dass Männer eher als Frauen in Online-Umgebungen Hilfe bei Beziehungsproblemen suchen. "Traditionell sind Frauen eher bereit, Beziehungsprobleme zu erkennen, eine Therapie in Betracht zu ziehen und sich behandeln zu lassen als Männer.

Entfernt man jedoch das traditionelle gesellschaftliche Stigma, das Männer dafür stigmatisiert, dass sie Hilfe suchen und ihre Emotionen mitteilen, scheinen sie genauso viel daran zu arbeiten, schwierige Phasen in ihren Beziehungen zu überwinden, wie Frauen", sagt Boyd dazu.

Die Studie (erschienen im Journal of Social and Personal Relationships) sei relevant, um besser zu verstehen, wann und warum Liebesbeziehungen schiefgehen – ein Wissen, das Paaren Rückschläge ersparen könnte.

Die Autorinnen und Autoren der Studie weisen außerdem darauf hin, dass die Ergebnisse dazu beitragen könnten, die Suche nach psychologischer Hilfe zu enttabuisieren, indem sie zeigen, wie verbreitet Beziehungsprobleme sind – und dass Männer genauso häufig wie Frauen von Liebeskummer betroffen sind.