Nicht täglich duschen? Warum solche Aufforderungen Abwehr auslösen
Es waren zuerst deutsche Politiker, die sich in "Dusch-Tipps" zwecks Energieeinsparung überschlugen: Der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) duscht seit Beginn des Ukraine-Kriegs kürzer, FDP-Politiker Wolfgang Kubicki duscht "überwiegend kalt", und Baden-Würtemmbergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) gab bekannt: "Auch der Waschlappen ist eine brauchbare Erfindung."
Doch derartige Aussagen sorgen bei vielen auch für eine Abwehrhaltung. Warum das so ist, damit hat sich der deutschen Psychologe Stephan Grünewald auseinandergesetzt. Er ist Geschäfsführer des Rheingold-Instituts in Köln, das laut Eigendefinition "mit tiefenpsychologischer Marktforschung hinter die seelischen Kulissen blickt", warum Menschen sich für dieses oder jenes Produkt entscheiden oder diese oder jene Handlungsweise bevorzugen.
Und duschen ist für viele Menschen mehr als nur Körperhygiene, es ist ein Wohlfühlritual. "Für viele Menschen hat die morgendliche Dusche die Funktion, dass man erst einmal zu sich kommt", sagt Grünewald. Aus einem "diffus-traumverlorenen Zustand" erwache das Selbst: "Das Duschen ist ein sinnliches Erlebnis als erlaubter Akt der Selbstberührung."
Der behaglich warme Wasserstrahl, oft gefolgt von kaltem Abduschen und das anschließende Abtrocknen habe den Effekt einer Art "Wiedergeburt im Badezimmer". Wenn dann jemand den Menschen vorschreiben wolle, das Duschen einzuschränken oder gar durch einen Waschlappen zu ersetzen, führe das zu einer Abwehrhaltung, sagt Grünewald. "Der Wunsch nach Selbstwirksamkeit wird konterkariert."
Trend bei Stars
Dabei sei der Ratschlag, aus Energiespargründen kürzer zu duschen, ja durchaus sinnvoll. "Problematisch wird es, wenn sich die Bürger wie Kinder behandelt und in eine Befehlsempfänger-Position gedrängt fühlen", betont der Psychologe. Bei vielen Menschen steige dann die Sorge, entmündigt und - im übertragenen Sinne - selbst zum Waschlappen zu werden.
Dabei gab es gerade erst im vergangenen Jahr zumindest unter Prominenten einen Hype um den "Non Bathing"-Trend, oft auch als "Cleansing Reduction" ("Reinigungsreduktion") bezeichnet: Unter anderem Jennifer Aniston, Julia Roberts und Charlize Theron sagten in Interviews, sie duschten nur einmal die Woche, um Wasser zu sparen. Mila Kunis erklärte in einem Spotify-Podcast: "Ich wasche meinen Körper nicht jeden Tag." Sie reinige nur Achseln, Brüste, Füße und Intimbereich. Duschen sein überbewertet.
Und wie oft kann man Duschen, ohne der Haut zu schaden? "Das kommt auf den Hauttyp an", sagt der deutsche Hautarzt Claus Jung aus der Nähe von München. Bei Menschen mit gesunder Haut spreche nichts gegen eine tägliche Dusche. "Jemand mit sehr trockener Haut sollte aber besser nicht öfter als alle zwei Tage duschen die Haare waschen."
Generell sollte man nicht zu lange und nicht zu heiß duschen, betont der Dermatologe. Nach fünf bis zehn Minuten sollte man fertig sein, und die Wassertemperatur sollte die Körpertemperatur von etwa 36 Grad nicht überschreiten, damit die Haut nicht austrocknet. Kaltes Wasser hingegen schade der Haut nicht.
Oft zu viel, zu heiß, zu lang
Die Münchner Hautärztin Marion Moers-Carpi sagt, dass sich viele Menschen zu viel, zu heiß und zu lang waschen. Mit täglichem Duschen und Schrubben entferne man jene Öle von der Haut, die die Drüsen produzieren, um die Haut zu schützen. Dadurch werde die Haut trockener, und man nehme womöglich Feuchtigkeitscremes, um eine künstliche Version der Fette zu schaffen. Den Zwischenschritt könne man sich aber eigentlich sparen.
In der Energiesparkampagne der Österreichischen Bundesregierung, Mission 11, wird vom täglichen Duschen aber abgeraten. Dort heißt es lediglich: "Sei ein Warmduscher. Aber mach’s kurz." Die durchschnittliche Duschzeit in Österreich betrage fünf Minuten. "Eine verkürzte Duschdauer um eine Minute spart bereits 20 Prozent der Energie ein." Und: "Auch mal mit etwas niedrigerer Temperatur duschen tut nicht nur der Umwelt, sondern auch unserer Haut gut, wie Hautärztinnen und Hautärzte empfehlen."