Von Habsburg bis Tesla: Komprimiertes Wissen via Social Media
Von Adisa Beganović
Wussten Sie, dass Kaiser Franz Joseph so sparsam war, dass er sich einen lockeren Zahn zog, anstatt zum Zahnarzt zu gehen?
Oder dass der geniale Wissenschaftler Nikola Tesla in eine Taube verliebt war? Das sind historische Fakten, die man in der Schule nicht lernt, die aber die Menschen zum Staunen bringen. Samra Kljajić hat das Potenzial hinter solchen historischen "Fun Facts" erkannt und bereitet sie erfolgreich für Social Media auf. Auf ihrem Instagram-Account hat die Wienerin 238.000 Follower, auf TikTok 266.300.
"Ihnen gefällt, dass ich in kurzer Zeit viel thematischen Input geben und Zusammenhänge gut erklären kann", erklärt Kljajic ihren Erfolg. Ein Beispiel dafür wäre der Beitrag über den Spanischen Erbfolgekrieg, der auf den ersten Blick komplex und für Österreicher:innen irrelevant erscheint - bis Klajić die Heiratspolitik der Habsburger ins Spiel bringt und nachvollziehbare Zusammenhänge herstellt. Ihr Zugang zur Geschichte ist ein anderer als der in der Schule. So stellt sie Ludwig XIV. in ihren Videos nicht als Vertreter des höfischen Absolutismus dar, sondern als Trendsetter, der seine strengen Kleiderordnungen am Hof durchsetzte. Diese Kleiderordnung wiederum habe Ludwigs Wirtschaftspolitik begünstigt.
Sisis Beauty-Treatments
"Liebesgeschichten und Hochzeiten sind die beliebtesten Themen auf meinen Accounts", erzählt Klajić. Ihre größten Erfolge hat die Content Creatorin ohnehin den Habsburgern zu verdanken - ein TikTok-Video über Sisis Beauty Treatments hat beispielsweise über 400.000 Views. Sisi soll den Großteil ihres Tages mit Self Care verbracht haben, sie wollte unbedingt jung und schlank bleiben – quasi die Gwyneth Paltrow ihrer Zeit.
Für ihre Gesichtspflege verwendete die Kaiserin verschiedene Cremes, darunter auch Walrat, eine fetthaltige Substanz aus den Stirnhöhlen von Pottwalen. Auch hier macht sich die Influencerin einen weiteren Trend zunutze - nämlich die Faszination der Royals. "Man muss sich nur anschauen, welchen Hype die bearbeiteten Fotos von Prinzessin Kate ausgelöst haben", sagt Klajić.
Doch auf ihren Accounts wird nicht nur die luxuriöse, sondern auch die grausame Seite der Habsburger gezeigt. In einem Clip erzählt sie die Geschichte von Rustimo Rudolph, einem Schwarzen Jungen aus dem Sudan, der auf dem Wiener Hof als Spielgefährte für Marie Valerie dienen sollte. Kaiserin Elisabeth provozierte stets die Hofdamen, die sich durch den Jungen gestört fühlten. Später wurde Rudolph in eine Pflegeanstalt untergebracht, wo er verstarb. Googelt man den Namen von Rustimo Rudolph, erscheint als erstes Samra Klajić Video auf, ein Zeugnis davon, dass über die Sklaverei in Österreich kaum unterrichtet wird.
TikTok-Videos im Unterricht
Trends aufspüren, recherchieren, Skripten schreiben, aufnehmen - so in etwa läuft Klajićs Arbeit für ihre Accounts ab. Das alles macht sie im Alleingang. Hinter einem 90-sekündigen Video stecken fünf bis sechs Stunden Arbeit. Und das alles nebenbei. Hauptberuflich arbeitet sie für das Wiener Hilfswerk. "Das Schwierigste an der Arbeit als Content Creator ist, alle Informationen zu selektieren und auf knapp eine Minute zu komprimieren", erzählt sie. Dass die Videos qualitativ hochwertig sind, erkennen immer mehr Geschichtslehrer, die sie anschreiben. "Lehrer zeigen meine Clips im Unterricht und das ist das größte Kompliment für mich", sagt Klajić.
Ihr Konzept - historische Persönlichkeiten als Influencer ihrer Zeit zu präsentieren - hat Klajić nun auch in einem Sachbuch umgesetzt. In "Selfie mit dem Sonnenkönig" beschäftigt sie sich mit den ersten historischen Selfies, Fake News und Cancel Culture - um diese Phänomene zu verstehen, muss man wohl einen Blick in die Vergangenheit werfen, um die Phänomene der Digitalisierung zu verstehen.