Freiwillige für eine bessere Welt: "Senior Experts" berichten
Von Uwe Mauch
"Schon zeitig wache ich auf und lasse einfach die Gedanken laufen", hält Josef Loderbauer in seinem Blog fest. "Ja – es ist gut hier zu sein! Die Fliesenleger werken wieder ganz ordentlich, obwohl sie nur ein Kombizangerl zum Fliesen zurechtzwicken haben. Für mich stehen auch einige Erledigungen für das zukünftige Solartechniklabor an."
Der gelernte Elektrotechniker aus dem oberösterreichischen Gmunden war für die NGO Jugend Eine Welt in Kamuli (Uganda) als freiwilliger Senior Expert im Einsatz.
Senior Experts sind per Definition Menschen mit Berufs- und Lebenserfahrung ab 35. Sie haben die Möglichkeit, ihr Fachwissen weltweit in gemeinnützigen Organisationen, Bildungseinrichtungen und Kleinbetrieben einzubringen. Sie leisten ehrenamtlich einen Beitrag zur Entwicklungszusammenarbeit und ermöglichen „Hilfe zur Selbsthilfe“. Ein Einsatz dauert zumeist mehrere Monate und findet an Orten statt, wo Jugend Eine Welt vorwiegend Projekte der Don-Bosco-Ordensgemeinschaften unterstützt.
Josef Loderbauer kann auf über 40 Jahre Berufserfahrung zurückblicken. Der 65-Jährige hat beim Neuaufbau eines Lehrganges für Solartechnik im Don Bosco-Ausbildungszentrum in Kamuli geholfen. Das Zentrum nimmt insbesondere Jugendliche auf, die sich eine Berufsausbildung sonst nicht leisten könnten. Er ist inzwischen zurück von seinem Freiwilligenersatz, den er nicht bereut hat.
Lesen Sie hier die Liveberichte von vier Menschen aus Österreich, die aktuell für Jugend Eine Welt im Einsatz sind:
Wolfgang Moser, 66, aus Mödling (NÖ), ehemaliger Abteilungsleiter im österreichischen Außenministerium. Experte in Wasserwirtschaft, ist derzeit in der Republik Moldau im Einsatz und unterstützt dort die Ukraine-Nothilfe von Jugend Eine Welt.
Seine Motivation, dieses Ehrenamt zu übernehmen: „Als Mitarbeiter des österreichischen Außenministeriums war ich über dreißig Jahre mit vielen Aspekten der Entwicklungszusammenarbeit, vor allem in Afrika, befasst. Unter anderem war ich für entwicklungspolitische NGOs wie Jugend Eine Welt verantwortlich, um ihnen eine Basisfinanzierung zu ermöglichen. Mich interessierte deren Tätigkeiten im Bereich Berufsausbildung und Unterstützung junger Menschen in Entwicklungsländern.
Mein Sohn Konstantin war, im Zuge seines Wehrersatzdienstes, für zwölf Monate in Indien für Jugend Eine Welt tätig. Mein Besuch bei ihm 2013 bestätigte mich, dass die Tätigkeiten der Organisation im humanitären Bereich Sinn machen. Seien es verstoßene Kinder, Straßenkinder, verwaiste Jugendliche oder eben die Tätigkeiten in der Flüchtlingsbetreuung. Dabei spielt der Orden der Salesianer Don Boscos – aufgrund der Infrastruktur vor Ort – eine wichtige Rolle. Als Pensionist und sogenannter Senior Expert wurde es mir zum Anliegen, hier nochmals tätig zu werden.“
Seine bisherigen Erfahrungen: „Die Erfahrungen sind bereits vielfältig. Ich bin erstmalig in Osteuropa und hier im ärmsten Land des europäischen Kontinents, der Republik Moldau, tätig. Durch den Krieg in der benachbarten Ukraine ist das Land mit rund 90.000 Flüchtlingen konfrontiert, welche in verschiedenen Aufnahmezentren oder privat untergebracht wurden. Das Bemühen durch die Vereinten Nationen und zahlloser Organisationen sowie Hilfseinrichtungen ist für mich überwältigend.
Da ich regelmäßig an den diversen Koordinierungsmaßnahmen, vor allem des Flüchtlingshilfswerkes der UN, teilnehme, erhalte ich tiefe Einblicke in das Wirken dieser Organisationen. Jugend Eine Welt hat für die Betreuung von Ukraine-Geflüchteten unter anderem die Don-Bosco-Zentrale in Chişinău gewählt, von welcher ich meine Aufgaben aus wahrnehme. Sowohl die Ausarbeitung von Notfallplanungen für Geflüchtete als auch die Vorbereitung einer Ausschreibung zur Umstellung der Energieversorgung des hiesigen Zentrums auf Photovoltaik sind völlig neue Herausforderungen. Dabei werde ich von sehr einsatzfreudigen lokalen Mitarbeitern unterstützt. Mein Dank gilt insbesondere ihnen.“
Martina Sordian, 61, aus Wien, ehemalige Projektleiterin bei einer österreichischen Umweltorganisation, Fremdsprachen-Trainerin und Übersetzerin, ist derzeit ebenfalls in der Republik Moldau im Einsatz und unterstützt dort auch die Ukraine-Nothilfe von Jugend Eine Welt.
Ihre Motivation: „Meine Arbeit als Projektmanagerin im Umweltschutzbereich und meine freiberuflichen Tätigkeiten haben mir immer Freude bereitet. Durch Zufall bin ich auf dieses Programm von Jugend Eine Welt gestoßen, da war ich noch in meinem Angestelltenverhältnis und es hat mich sofort gepackt. Denn ich kann hier meine Reiselust mit etwas Sinnvollem verbinden.
Mittlerweile ist mein Angestelltenverhältnis Vergangenheit, aber ich arbeite immer noch freiberuflich, mit der Betonung auf frei! Daher konnte ich auf die dringende Anfrage, als Projektmanagerin in der Republik Moldau zu arbeiten, relativ schnell reagieren. Mein Gefühl war sofort ,Ja, das mache ich!' Ein unbekanntes Land und meine Fähigkeiten werden gebraucht, das ist eine gute Kombination. Und ich kann wieder etwas Neues lernen und erfahren. Das ist sozusagen mein Lebenselixier, wieder eine neue Herausforderung.“
Ihre Erfahrungen: „Ich habe im Zuge meiner ersten Monate gesehen, dass ich mich schnell auf Neues einstellen und mich anpassen kann. Klar stoße ich an meine sprachlichen Grenzen, schließlich wird in der Republik Moldau primär Russisch und Rumänisch gesprochen. Sprachen, die ich nicht bzw. kaum beherrsche.
Das macht aber auch den Reiz der Herausforderung aus. Ich muss neue Unterrichtsmethoden entwickeln. Die Kinder können sich kaum konzentrieren und ich kann mit ihnen nicht in ihrer gewohnten Sprache kommunizieren. Das ist eine echte Herausforderung. Es macht mir Freude zu sehen, wenn es mir dennoch gelingt, sie ein wenig für den Französisch-Unterricht zu motivieren und dabei Spaß zu haben.
Ebenfalls neue Erfahrungen konnte ich in der Zusammenarbeit mit Geflüchteten aus der Ukraine sammeln. Du teilst natürlich ihre Emotionen, wenn zum Beispiel gerade Bomben auf ihre Heimatstädte abgeworfen wurden. Für mein weiteres Leben nehme ich sehr viel mit. Vor allem das Gefühl, dass ich überall auf der Welt leben kann, wenn ich in einer Gemeinschaft lebe und meinen Beitrag leiste. Es macht mich insgesamt stärker und unabhängiger. Schon jetzt träume ich von den kommenden Herausforderungen. Es ist die Erfahrung, sein Leben mit ,fremden' Menschen zu teilen, im wahrsten Sinne des Wortes. Wir leben gemeinsam auf einem Stockwerk zusammen. Obwohl ich kaum Russisch spreche, konnte ich eine Verbindung zu ihnen aufbauen. Der Einsatz in einem europäischen Land ist sicher auch eine gute Vorbereitung auf einen Einsatz auf anderen Kontinenten."
Anneliese Steinkellner, 72, aus Wien, ausgebildete Volksschullehrerin mit jahrelanger Erfahrung in der Erwachsenenbildung, unterrichtet „Deutsch als Fremdsprache“ in einem Schulzentrum in Palakkad (Indien).
Ihre Motivation: „Ich habe 2021 in einer Zeitschrift über Jugend Eine Welt gelesen. Schon der Name hat mich begeistert, weil ich der Meinung bin, dass es nur eine Welt und keine erste, zweite und dritte gibt. Ich habe mich gemeldet und wurde im Juni 2021 zu einem Orientierungsseminar eingeladen, das sehr informativ war. Nachdem „Deutsch als Fremdsprache“ unterrichten eine geliebte Tätigkeit, Freiwilligenarbeit ein lang gehegter Wunsch von mir und Indien ein sehr spannendes Land ist, konnte ich das Angebot für Don Bosco Global Education in Palakkad zu arbeiten, nicht ausschlagen.“
Ihre Erfahrungen: „Nun bin ich seit Mitte September 2022 in Palakkad und fühle mich sehr wohl. Die Salesianer Don Boscos haben mich herzlich aufgenommen und helfen mir, die kleinen Eingewöhnungsprobleme zu meistern. Die Studentinnen und Studenten kommen jeden Morgen mit einem Lächeln in die Klasse, sind höchst motiviert, höflich und freundlich. Ich bewundere ihre Lust am Lernen, ihre Zielstrebigkeit und ihre Hilfsbereitschaft den Mitstudierenden und mir gegenüber. Der Deutschunterricht hat Mitte Juli mit einer Gruppengröße von 25 begonnen. Bei meiner Ankunft konnte ich mit den Studentinnen und Studenten bereits einfache Gespräche führen. Meine indischen Kolleginnen und Kollegen haben großartige Arbeit geleistet. Es findet ein reger Austausch über die Unterrichtsgestaltung statt. Ich lerne einiges über den Einsatz digitaler Medien.“
Susanne Meitz, 62, aus Wien, langjährige Videogestalterin und Grafikerin, erste Frau, die an der Wiener Hochschule für Musik und darstellende Kunst das Fach „Kamera“ abgeschlossen hat, hilft der Fundación Madre Herlinde Moises in Cartagena (Kolumbien) bei der Öffentlichkeitsarbeit
Ihre Motivation: „Meine Motivation war und ist, das zu verwirklichen, was ich schon als Zwanzigjährige wollte - nämlich an einem anderen Ort leben und arbeiten, unterwegs zu sein, mich einzubringen, andere Lebenswelten zu erfahren, das Leben woanders in seiner Ganzheit zu erfassen. Für mich ist der Einsatz als Senior Expert für Jugend Eine Welt eine klassische Win-Win-Situation.“
Ihre Erfahrungen: „Leben ist Lernen, insofern war dieser Aufenthalt wie jeder andere auch Selbsterfahrung. Ich bin immer bereit Neues auszuprobieren, und das habe ich nicht bereut. Fotoworkshops mit Jugendlichen abzuhalten war für mich neu. Ich bin nach wie vor erstaunt, wie gut es geklappt hat. Denn Lehren ist nicht meine Kernkompetenz und war in meinem Berufsleben nie mein Wunsch. Die Jugendlichen waren sehr dankbar, über das was sie gelernt hatten. Ich arbeitete mit ihnen neben Technik und Bildgestaltung vor allem an dem bewussten Sehen von Motiven, dem Erkennen vom Schönen im Hässlichen (und umgekehrt), eben am aufmerksamen Wahrnehmen. Ich gab ihnen dadurch einen anderen Einblick in ihr eigenes Umfeld, ihr Leben und ihre Begabungen.“
Mehr zum Senior Experts-Einsatz hier.