Leben/Gesellschaft

Quanten, die Chinesisch reden

Anton Zeilinger ist ein geduldiger Mann. Der Präsident der Akademie der Wissenschaften weiß, dass die Welt der Quanten und Photonen, die ihn als Wissenschaftler berühmt gemacht hat, für normale Menschen nur schwer zugänglich ist. Also erklärt er langsam, welche Sensation chinesischen Forschern und ihm da gelungen ist. Schließlich geht es um ein Experiment mit großer praktischer Bedeutung für die Zukunft der Kommunikation. Geht alles gut, so wird auf diese Weise eines Tages die Übertragung von Daten – via Handy oder Mail – absolut abhörsicher sein.

Erste Simulation

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Zeilinger steht gemeinsam mit seinem Kollegen Jian Wei Pan in der Universität für Wissenschaft und Technologie in Schanghai. Vor bereits zehn Jahren haben sie ihre Zusammenarbeit begonnen, um die Quantenkommunikation im Weltall zu entwickeln. Jetzt simulieren sie erstmals, wie Quantencomputer Informationen in Zukunft austauschen könnten, die eines Tages per Satellit verbunden werden sollen.

Die Idee: Der Austausch von verschränkt präparierten Lichtteilchen macht es möglich, uneingeschränkt sichere kryptografische Schlüssel zu erzeugen. Via Glasfaser-Kabel ist die abhörsichere Datenübertragung nur über kurze Strecken möglich. Die Quantenkommunikation über Kontinente hinweg funktioniert daher nur über spezielle optische Terminals auf Satelliten und Bodenstationen. Österreich soll vier europäische Bodenstationen betreiben, die Chinesen bauen den Satelliten. Der weltweit erste Quantensatellit soll im ersten Halbjahr 2016 seine Arbeit aufnehmen. Praktisch funktioniert das so, dass die Daten – in einzelne Lichtteilchen codiert – Bit für Bit vom Satelliten zum Boden übertragen werden. Das Faszinierende daran: Sollte ein Quantensignal von einem anderen unerwünschten Empfänger/Abhörer gemessen werden, verändert er unweigerlich den Zustand des Lichtteilchens, fliegt auf oder wird entdeckt. Eine Nachricht, die mit so einem Code/Kryptoverfahren codiert wird, kann dann zur Verschlüsselung in konventionellen Computern verwendet werden. Die Übertragung ist "unknackbar".

Den Live-Blog von KURIER-Chefredakteur Helmut Brandstätter über seine China-Reise finden Sie hier.

Weltumspannend

Quantenphysik ist also die Grundlage für die Verschlüsselung von Daten, die künftig etwa durch Telefonate oder Mails ausgetauscht werden. Dies ist mit klassisch-konventionellen Methoden nicht erzielbar. Experimente wie diese hat Anton Zeilinger mit seinem Team bereits auf den kanarischen Inseln auf einer Entfernung von 144 Kilometern geschafft. Es gelang, den Quantenzustand eines Photons von La Palma zum benachbarten Teneriffa zu teleportieren. Eine erste Grundlage für ein weltumspannendes Informationsnetzwerk, das allerdings nur bei wolkenfreier Atmosphäre möglich ist. Für die weltweite Anwendung wären daher Satelliten notwendig. Der Datenaustausch über die Distanz zwischen Österreich und China ist dafür Voraussetzung. In Schanghai wurden nun erstmals Tests zwischen den chinesischen und österreichischen Terminals im Labor getestet, bevor diese Terminals auf dem chinesischen Satelliten ins All starten. Beziehungsweise in Europa in verschiedene Bodenstationen eingebaut werden. Diese Vorexperimente – um die Kompatibilität zu testen – sind erfolgreich abgeschlossen.

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Zeilinger erzählt, dass es eine Bedingung war, alle Forschungsergebnisse öffentlich zu machen. Die Chinesen sind darauf selbstverständlich eingegangen. Außerdem, so Zeilinger, wüssten mehrere Geheimdienste ohnehin, was da geforscht wird. Die amerikanische NSA habe sicher einige Spezialisten dafür. "Wir wären schön dumm, wenn wir nicht wüssten, dass unsere Mails bekannt sind." Einige Erkenntnisse ließen sich aber durch Patente sichern.

Der österreichische Forscher lobt die Zusammenarbeit mit den Kollegen. " Die Zeit, wo die Chinesen nur kopiert haben, ist lange vorbei, die machen Wissenschaft vom Feinsten." Er geht davon aus, dass es noch stärkere Kooperationen geben wird. Sein Kollege, der Präsident der chinesischen Akademie der Wissenschaften, habe ihm das versichert. Er ist ein mächtiger Mann und steht im Rang eines Ministers. Zeilinger betont, dass die Kryptografie durch Quantencomputer in städtischen Glasfasernetzen schon jetzt möglich und etwa für Banken eine gute Chance wäre, Daten sicher zu machen. Aber da würden noch Kosten gescheut. Er selbst hat für seine Entwicklung kein finanzielles Problem. Österreichische Forschungseinrichtungen unterstützen ihn ebenso wie das Wissenschaftsministerium oder die Uni Wien. An der Universität Innsbruck beschäftigt sich ein Team ebenfalls mit der Entwicklung der Quantenphysik.

Ob aus der Quantenkryptografie ein großes Geschäft werden kann, beschäftigt den Physiker nicht. Bis Daten weltweit absolut sicher übertragen werden, wird es noch dauern.

Zur Person: Univ.-Prof. Anton Zeilinger

Anton Zeilinger wurde in Ried im Innkreis (OÖ) geboren, studierte Physik und Mathematik an der Universität Wien. 1981 Visiting Associate Professor der Physik am M.I.T. Danach wurde er außer- ordentlicher Professor an der TU Wien. 1990 übernahm er den Lehrstuhl für Experimentalphysik an der Uni Innsbruck. Seit 1999 ist er ordentlicher Professor für Experimentalphysik an der Uni Wien, 2004–2013 war er wissenschaftlicher Direktor des Wiener Instituts für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI). Er ist seit 1. Juli Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.

Das aktuelle Zauberwort der "Quantenwelt" heißt Quantencomputer: Sie könnten unser Leben revolutionieren und gelten als Rechner der Zukunft. Besonders leistungsstark und sicherer als jene digitalen Computer, mit denen wir derzeit arbeiten.

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Botschaften zu codieren – und jederzeit dechiffrieren zu können, ist ein Traum der Informationstechnologie und der Geheimdienste. So wurde Anfang des Jahres durch Berichte in der Washington Post bekannt, dass die NSA an so einem "Superhirn" forscht. Mit dem Ziel, selbst die komplexesten Verschlüsselungen rasch zu dechiffrieren. Das Geheimnis der Quantencomputer: Sie funktionieren nicht wie herkömmliche Rechner mit Nullen und Einsen, sondern operieren mit einer anderen Informationseinheit – den Quantenbits, auch Qubits. Diese können nicht nur zwei, sondern viele verschiedene "Zustände" annehmen, sind also nicht nur eins oder null. Ein Quantenbit kann beides gleichzeitig sein und mehr – etwa eine Mischung aus null und eins. Das macht solche Computer zu – theoretischen – Superrechnern. Wozu sie auch fähig sein sollten: zur Primfaktorenzerlegung sehr großer Zahlen, was der Verschlüsselung dient. Übrigens: 2012 bekamen Physiker für bahnbrechende Methoden zur Messung und Manipulation von Quantensystemen den Nobelpreis.