Expedition vor die eigene Haustür
Von Martin Burger
Was blüht denn da? Ratlose Gesichter ringsum. "Die wichtigsten Gattungen sollten schon sitzen", sagt einer der um ein winziges Pflänzchen versammelten Botaniker. Kichern. Offensichtlich ein Insider-Schmäh unter Biologen. Auf Nachfrage wird bestätigt, der Herr Experte hat einen bekannten österreichischen Botaniker nachgeahmt. Ah, ja. Man merkt: bei den Tagen der Artenvielfalt ist die Dichte an Akademikern hoch – zumindest am Freitag, dem Expertentag.
Alpenbreitschötchen Der unscheinbare Kreuzblütler (Braya alpina) war bisher in Österreich nur aus der Gamsgrube bekannt, ein Platz oberhalb der Pasterze, in einer Karmulde des Fuscherkarkopfs (Glocknergruppe, Hohe Tauern). Beim Tag der Artenvielfalt 2011 im Nationalpark Hohe Tauern wurde die niedrige Pflanze erstmals in Osttirol nachgewiesen, und zwar in den Bergen bei Kals in der Nähe der Stüdlhütte (2801 m). Die auch Alpen-Rauke genannte Pflanze ist ein Endemit, der nur in den Ostalpen und dort auch nur sehr selten vorkommt.
Und hier kommen sie ins Spiel: die sogenannten "Amateure" (wörtlich: Liebhaber). Wenn sie der Wissenschaft dienen wollen, ist das ihre Chance. Diese interessierten Laien sind für die Durchforschung eines Gebietes unerlässlich. "Je stärker der Kontakt zwischen Profi-Biologen und Naturliebhabern ist, umso besser für die Wissenschaft", hört man immer wieder von Biologen. Noch dazu, wo Artenkenntnisse heute unter Nicht-Biologen kaum noch geläufig sind.
Das Ziel für die Teilnehmer des Tages der Artenvielfalt ist anspruchsvoll (siehe Info rechts). In 24 Stunden sollen im Schwarzenbergpark und auf den umliegenden Wiesen möglichst viele Arten gefunden werden. Ausrüstungsgegenstände, die daher nicht fehlen dürfen, sind, je nach Interessensgebiet: Bestimmungsliteratur (Bilderbuch und / oder wissenschaftliche Fauna / Flora), Lupe, Fernglas, Notizblock und Bleistift sowie Fotoapparat. Denn: Aufgrund des hohen Gefährdungsgrades vieler Arten ist ein Foto in vielen Fällen die schonendere Wahl als etwa die ganze Pflanze auszugraben und zu trocknen.
Von den 13.832 in den Roten Listen Österreich erfassten Tier- und Pflanzenarten gelten 3991 Arten (knapp 29 Prozent) als gefährdet. Der Alpenbock, ein Käfer, ist eine davon. Zu den Opfern zählen Arten, die eigentlich kennzeichnend und typisch für Österreich sind, wie das Dickwurzel-Löffelkraut in der Feuchten Ebene südlich von Wien.
Am 13. und 14. Juni laden der Biosphärenpark , das Forstamt der Stadt Wien (MA 49), die Wiener Umweltschutzabteilung (MA 22) und die Bezirksvorstehung Hernals zum Tag der Artenvielfalt nach Wien-Neuwaldegg. Die Besucher erwartet neben Erkundungstouren, auch in der Nacht (Fr., 20 Uhr, Treff beim Alleebeisl), ein umfassendes Rahmenprogramm für Groß und Klein beim großen "Fest der Artenvielfalt" (Schwarzenbergpark, Spielplatz, Sa., 13–19 Uhr), Eintritt frei, www.bpww.at
Hohe TauernSeit 2007 finden die Tage der Artenvielfalt im Hochgebirge statt, heuer wird das Seebachtal von Mallnitz aus erkundet (18.–20. Juli). Das Seebachtal mit dem Stappitzer See ist eines der östlichsten Tauerntäler auf der Südabdachung der Hohen Tauern. Der See ist durch seine inneralpine Lage ein bedeutender Rastplatz für Zugvögel. Mehrere Dreitausender gehören zum Gebiet: Ankogel (3252 m), Hochalmspitze (3360 m) und Säuleck (3086 m). Auskünfte zum Programm erteilt Katharina Aichhorn (Kärnten) unter 04784 / 70126.