Leben/Gesellschaft

Wie sich das Schulgebäude aufs Lernen auswirkt

Eigentlich entwickelt Jan Teunen Konzepte für Firmen wie Ikea oder dm. Sein Auftrag: Die Arbeitsumgebung der Menschen so zu gestalten, dass sie ihr Potenzial entfalten können. Was er für Büros entwickelt, gilt auch für Schulen. Im Juli referiert Teunen deshalb über den Raum als dritten Pädagogen (unten).

KURIER: Wie kamen Sie dazu, sich mit dem Raum als "dritten Pädagogen" zu beschäftigten?

Jan Teunen: Auslöser war ein Treffen mit Nobelpreisträger Muhammad Yunus (entwickelte das Konzept der Mikrokredite, Anm.). Er sprach davon, dass Mittellose Bonsaimenschen seien, weil sie wie der kleine Baum zu wenig Raum haben, um sich zu entfalten. Ich antwortete, dass auch im Westen Armut herrscht – in Büros, Klassenzimmern oder Altenheimen leben ebenfalls Bonsaimenschen. Der Raum, in dem sie leben, ist meist mittelmäßig. Dabei ist er entscheidend für die Potenzialentfaltung. Jeder Raum ist ein Bildungshaus.

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Wie könnte eine Schule aussehen, in der Kinder keine Bonsaimenschen sind?

Sie müsste so wirken wie die Natur – sie war bis vor ca. 12.000 Jahren der Lebensraum der Menschen. Wir brauchen wie damals Räume, die eine funktionale und poetische Beziehung zulassen. Wenn sie in die Schulen gehen, stellen sie fest, dass die Poesie fehlt. Sie sind oft heruntergekommen, weil sie von der wirtschaftlichen Rationalität dominiert sind. Bildung verträgt das nicht.

Also zurück zur Natur? Nein, wir können aber auch nicht weiter machen wie bisher. Das ist das Dilemma. Die Lösung liegt in der Transformation – wir müssen Räume wieder kulturell aufladen. Sie müssen die Sinne so anregen, dass Menschen aktiv werden.

Wie sollte ein Klassenzimmer gestaltet werden?

Ein Schüler hat Sitzfleisch und Sitzgeist. Das Fleisch will, dass er ergonomisch gut sitzt. Sein Geist will aber mehr: Die Proportionen des Sessels müssen stimmen, ebenso Form, Farbe und Materialien. Schönheit wird so integraler Bestandteil der Umgebung. Auch Klima und Luftqualität müssen passen. Schön für ein gutes Licht wäre ein Fenster mit Blick in die Natur. Die Wände brauchen Farben, die positiv stimmen und nicht deprimieren.

Ist das nicht sehr teuer?

Nein. Im Gegenteil. Ich habe z.B. ein Altenheim verändert. Dort stellte ich fest, dass die Senioren ihre Identität verlieren und ihnen fad ist. Das Pflegepersonal war gestresst und die Fluktuation war hoch. Wir hatten ein Budget, mit dem wir den Aufenthaltsraum verändert haben: ein bisschen Farbe und einen intelligenten Umgang mit Raum. Danach waren die Bewohner gerne dort, auch ihre Verwandten kamen wieder gern und blieben länger als vorher. Der Umsatz an der Bar hat sich vervielfacht, sogar Fremde kamen von außen.

Haben Sie bereits in einer Schule gearbeitet? Nein. Ich lehre an der Uni Halle/Saale (D), wo man auf die Gestaltung der Räume viel wert gelegt hat. Ich merke, wie sich das positiv auf Verhalten und Konzentration der Studenten auswirkt.

Wird der Mensch in der Architektur zu wenig berücksichtigt?

Ich bin erstaunt, wie wenig Architekten ein Menschenbild haben und sich nicht ausreichend bewusst sind, dass es beim Bauen und Einrichten darum geht, die allgemeinen wie auch individuellen Bedürfnisse des Menschen nach Austausch, Beschäftigung, Ruhe und Potenzialentfaltung zu befriedigen.

„Bewusstsein und Bildung. Der lernende Mensch in seinem Umfeld“ ist der Titel einer Veranstaltungsreihe vom 8. bis 12. Juli 2015 im Dialogikum Phönixberg (NÖ), das vom Schauspieler Ulrich Reinthaller gegründet wurde. Eingeladen sind Vordenker wie Margret Rasfeld, André Heller oder eben auch Jan Teunen, der sich am 9. Juli mit dem „Raum als dritten Pädagogen“ befasst.

Termine und Programm auf www.dialogikum.at. Tickets im Mostviertel-Tourismus,
07416/52191.