Rituale "zwischen den Jahren"
Von Ingrid Teufl
Die Tage zwischen Weihnachten und dem 6. Jänner galten vor allem im bäuerlichen Brauchtum traditionell als mystisch und als eine Zeit des Übergangs, die aus dem Alltag herausgehoben ist. Die Arbeit ruhte im Winter, die Menschen zogen sich vor der Kälte in ihre Häuser zurück.
Auch wenn das heute für einen Großteil der arbeitenden Bevölkerung nicht mehr zutrifft, haben die Raunächte noch ihre Berechtigung als Schwellenzeit, wie sie der Allgäuer Theologe Valentin Kirschgruber bezeichnet. Der ideale Zeitpunkt also, um zur Ruhe zu kommen und alte Geschichten rund um Zeichen und Figuren neu aufleben zu lassen, etwa in Form von Räucherritualen zur inneren Reinigung. In einer Zeit, in der alles zu haben ist, bemühen sich die Menschen wieder mehr, ihre freien Stunden ein bisschen wie in früheren Zeiten zu reglementieren.
Der Name
Vermutlich geht der Begriff "Raunächte" auf das mittelhochdeutsche Wort rûch zurück, das so viel wie "wild", "haarig" und "pelzig" bedeutet. Andere interpretieren es als althochdeutsches Wort rûna für "Geheimnis". Er könnte aber auch ganz simpel nur auf eine raue, dunkle Nacht hinweisen.
Die Dauer
Sie unterscheidet sich je nach Region und Brauchtum. Mancherorts gilt schon die längste Nacht des Jahres (auch Thomasnacht) als Auftakt. Am weitesten verbreitet sind allerdings zwölf Raunächte (die Zwölften oder auch zwölf heilige Nächte), die in der Nacht nach dem Heiligen Abend beginnen und am Abend des 5. Jänner, der Nacht vor dem Feiertag der Heiligen Drei Könige, enden.
Andere zählen nur vier "echte" Raunächte: 21., 24. und 31. Dezember sowie 5. Jänner. In Oberösterreich existiert dafür ein Sprichwort: Raunacht san vier, zwoa foast (fett) und zwoa dürr (mager). Diese beziehen sich auf die traditionellen Speisen in diesen Nächten, heißt es bei der Volkskultur Oberösterreich.
Der Nutzen
Diese Zeit "zwischen den Jahren" wurde im Denken der Menschen schon in vorchristlicher Zeit mit Magie und geheimnisvollen Geisterwesen aufgeladen. In manchen Gegenden sollen etwa die Tiere in den Raunächten sprechen können. Generell nutzte man das Erscheinen von Geistergestalten für Orakel und entwickelte schon in Urzeiten Rituale. Meist‚ um die bösen Geister abzuwehren oder sie gnädig zu stimmen. "Viele Rituale zeugen von dem Wunsch, die eigene Angst zu besiegen", sagt Theologe Kirschgruber.
Räuchern
Die Wohnräume mit Weihrauch, anderen Harzen oder Kräutern auszuräuchern, ist eines der bekanntesten Rituale während der Raunächte. Ursprünglich sollten Haus und Hof damit vor schädlichen Einflüssen geschützt werden.
Perchten
Die Perchten kommen zwar erst zum Abschluss der Raunächte am 5. Jänner. Sie zählen aber zu den wichtigsten Figuren, die einem in den Raunächten begegnen können. Die wilden Gesellen mit Fellen, Hörner und Masken repräsentieren das Gute (Schönperchten), als auch das Böse (Schiachperchten). In den Perchtenläufen sollen sich Diesseits und Jenseits überlagern.
Heute geht es also nicht mehr darum, Geistergestalten zu bändigen oder sich ihr Wohlwollen zu sichern. Für Kirschgruber steht eine individuelle, aber bewusste Gestaltung dieser Tage im Vordergrund. Die Möglichkeiten dafür sind vielfältig. So kann etwa die Lektüre von Märchen zum Nachdenken anregen, ein Spaziergang, Meditationen oder die Beschäftigung mit den Träumen während der Raunächte. Sie können die Basis für einen bewussten Weg legen, indem jeder der zwölf Tage unter einem anderen Motto steht.
Buchtipp: Valentin Kirschgruber, Das Wunder Rauhnächte. Märchen, Bräuche Rituale für die innere Einkehr. Kailash Verlag, 13,40 Euro