Zero-Waste-Pionierin: "Lebe einfach, um besser zu leben"
In Wien sprach die in Kalifornien lebende Bloggerin und Bestsellerautorin ("Glücklich leben ohne Müll!" - ab Oktober auf Deutsch erhältlich) Bea Johnson am Mittwochabend im Gartenbaukino offen über ganz banale Themen ihres ganz privaten Alltags. Der inhaltliche Twist offenbart sich in Johnsons Lebensweise - denn die basiert auf dem Zero-Waste-Prinzip.
"Lebe einfach, um besser zu leben"
Zero Waste zu leben, das bedeutet seinen Alltag annähernd müllfrei zu gestalten. Die gebürtige Französin Bea Johnson gilt als Ikone jener weltweiten Bewegung, die sich gegen eine leichtsinnige Müllproduktion und für einen bewussteren Umgang mit Abfall einsetzt. 2008 begann Johnson ihr Leben schrittweise auf Zero Waste umzustellen. Auf ihrem Blog "Zero Waste Home" dokumentiert sie den Wandel ihres Alltags bis heute und macht Interessierten den Umstieg mit simplen und inspirierenden Tricks schmackhaft. Ihr erstes Buch "Zero Waste Home: The Ultimate Guide to Simplifying Your Life" hat sich bereits millionenfach verkauft und wurde in zwölf Sprachen übersetzt. Im Oktober erscheint ihr Buch auf Deutsch.
Müllvermeidung leicht gemacht
Mit ihrer Lebensart hat Johnson eine einfache Lösung auf ein komplexes Problem gefunden: die enorme, globale Müllproduktion. Dabei verfolgt sie kein abstraktes Konzept, sondern fünf einfache Regeln. Diese legt sich auch ihren Lesern ans Herz.
Durch ihren Blog und ihr Buch hat Johnson eine globale Bewegung einer immer größer werdenden Gruppe initiiert und ermutigt Menschen dazu einfach, ohne Müll und damit besser zu leben.
Bea Johnson im Interview
kurier.at: Wenn Sie Ihren Zero-Waste-Lifestyle in drei Worten beschreiben müssten, wie würden diese lauten?
Bea Johnson: Einfach leben, um besser zu leben. Das sind zwar keine drei Wörter, aber das bedeutet es für mich. Das Beste an Zero Waste ist für mich persönlich nicht, dass ich keinen Müll mehr produziere, sondern, dass es unser Leben wirklich verbessert hat. Wir leben ein Leben, dass auf Erfahrungen basiert und nicht auf Dingen.
Was war für Sie der erste Schritt in Richtung Zero Waste?
Ich habe mit Papiertüchern angefangen. Das war eigentlich ganz einfach. Wir verwenden jetzt Stofftücher. Das zweite waren Plastiksäcke. Wir haben irgendwann einfach beschlossen sie nicht mehr zu verwenden und stattdessen Stoffbeutel überall hin mitgenommen. Das mussten wir alle aber erst einmal verinnerlichen. Anfangs habe ich oft genug erst im Supermarkt bemerkt, dass ich die Stofftaschen vergessen hatte. Aber ich war konsequent, bin nach Hause gegangen und habe sie geholt. Irgendwann ist mir das dann einfach nicht mehr passiert. Es wurde zur Gewohnheit, wie so viele andere Dinge, die ich bereits mein Leben lang auf eine bestimmte Art mache, weil ich es eben so gelernt habe. Das dritte waren die Plastikflaschen. Die haben wir durch wiederverwendbare Behälter ersetzt.
Wie haben Ihre engen Freunde und Ihr engeres Umfeld auf die Umstellung reagiert? Gab es viel Kritik? Waren die Leute interessiert oder eher verwirrt?
Es ist natürlich schwierig zu sagen, was sie gedacht haben, weil meine Freunde mir extrem negative Dinge selten ins Gesicht sagen. Unsere Freunde dachten wohl, dass das was wir machen etwas extrem ist, aber ich hatte eigentlich das Gefühl, dass sehr viele Leute in unserem Umfeld schon längst auf ihren Müll achten. Jeder hat darüber gesprochen, dass man wiederverwendbare Behälter oder Stoffbeutel verwenden soll. Aber wirklich gemacht hat es keiner.
Ihrer Erfahrung nach, was ist der häufigste Irrtum über Zero Waste?
Es gibt zwei. Nummer eins ist, dass es mehr Zeit braucht und Nummer zwei ist, dass es mehr kostet. Zu Punkt eins kann ich nur sagen, dass es nicht darum geht, das Leben komplizierter zu machen, sondern einfacher. Was man nicht besitzt, muss man nicht kaufen, transportieren, putzen, aufbewahren, reparieren, nachkaufen und, das betrifft den zweiten Irrtum, bezahlen. Die Liste an Dingen, die wir nicht mehr kaufen, ist enorm lang. Das hat Platz in unserem Leben geschaffen, für Dinge, die viel wertvoller sind. Was die Geldsache angeht muss man auch sagen, dass wir tatsächlich nicht mehr Geld für Essen oder andere Dinge ausgeben. Ganz im Gegenteil, wir sparen 40 Prozent im Vergleich zu früher. Allein bei Nahrungsmitteln sind es 15 Prozent. Nur weil wir unverpackt und nach Maß kaufen, geben wir also nicht mehr Geld aus. Zudem konsumieren wir generell weniger oder kaufen gebrauchte Waren, auch das spart Geld.
Nein. Ich weiß, dass die Leute das Wort "Zero" hören und es einfach nicht fassen können, dass man ohne Müll derart glücklich sein kann. Als erstmals über uns in der New York Times berichtet wurde, wurden die Leute regelrecht wütend und warfen uns vor, unsere armen Kinder zu berauben und ihnen etwas vorzuenthalten. Aber das Gegenteil ist der Fall. Wir geben ihnen ein besseres Leben. Also gibt es nichts, was ich vermisse. Ich wünschte nur, dass ich früher damit angefangen hätte.
Der Begriff Zero Waste hat in der Vergangenheit viel Kritik geerntet. Kritisiert wird vor allem, dass es einfach nicht möglich ist, gar keinen Müll zu produzieren. Können Sie diese Kritik verstehen und würden Sie in Betracht ziehen Ihren Blog umzubenennen?
Nein. Das Problem ist, wenn man die Latte nicht hoch genug legt und die "Null" im Kopf hat, dann fehlt das erklärte Ziel. Was ist dann die Ambition? Etwas weniger Müll? Wie quantifiziert man das? Nur wenn man sich "Null" als Ziel setzt, beginnt man auch wirklich etwas zu tun. Ja, wir haben es nicht geschafft unseren Müll komplett auf Nichts zu reduzieren. Dafür werde ich auch immer kritisiert. Die Leute fragen dann: Aber warum verwendest du Toilettenpapier? Warum fliegst du mit dem Flugzeug? Warum isst du Fleisch? Warum machst du dies und das? Ich kann nur sagen: Wir haben unser Gleichgewicht gefunden und ich kann es nicht jedem recht machen, das muss ich aber auch nicht. Jeder muss herausfinden, was für ihn funktioniert.
Weil Sie Ihren Fleischkonsum gerade erwähnt haben: Viele Blogger, die ebenfalls Zero Waste leben, sind auch Veganer. Das geht nicht selten Hand in Hand. Ist das eine Option für Sie?
Ja, die beiden Bewegungen gehen gut und oft zusammen. Auch die minimalistischen, plastikfreien und emissionsreduzierten Lebensstile sind oft damit verbunden. Kann man alles gleichzeitig machen? Ich denke nicht. Ich für mich habe herausgefunden, dass ich ein körperliches Bedürfnis nach Fleisch habe. Natürlich habe ich meinen Fleischkonsum hinterfragt. In meiner Kindheit habe ich drei Mal täglich Fleisch gegessen. Heute esse ich es einmal pro Woche. Ich esse also sehr selten Fleisch und kaufe es immer mit Blick auf Nachhaltigkeit und Bio-Qualität, aber ich will nicht darauf verzichten und das kann ich nicht leugnen. Ich sage das, weil ich authentisch bleiben will.
Haben Sie dafür von der veganen Community viel Kritik geerntet?
Ja. Das war und ist teilweise heftig und auch sehr aggressiv. Man muss sich dazu nur die Kommentare auf meiner Instagram-Seite ansehen. Sie werfen mir vor aktiv die Fleischindustrie zu unterstützen, was ich nicht tue. Man muss das größere Ganze sehen. Was wirklich eine Schande ist, ist dass ich das Gefühl habe, dass man besser ankommt, wenn man sich selbst zensiert und damit die Veganer glücklich macht. Ich bleibe aber lieber authentisch und suche den ehrlichen Austausch.
Wenn sich jemand nun dazu entscheidet, seinen Müll zu reduzieren, was sollte er oder sie als erstes tun? Was ist die Basisausstattung?
Stofffetzen sind mal der erste Schritt. Damit ersetzt man Papiertücher. Stofftaschentücher ersetzen Taschentücher. Dann kommt der Shopping-Kit dazu - das heißt: Stoffbeutel, Glasbehälter, Glasflaschen und Metalldosen, damit man Dinge nach Maß abfüllen kann. Man kann natürlich nicht alle Lebensmittel mit Zero-Waste-Alternativen ersetzen, das muss man aber auch gar nicht. Mit der Zeit habe ich ganz neue, tolle Nahrungsmittel entdeckt, von denen ich davor gar keine Ahnung hatte. Es ist einfach ein Prozess.
Ich überlege sehr genau, wo und was ich einkaufe. Die Geschäfte, die Lebensmittel nach Maß verkaufen und die ich besuche, sind in der Regel achtsam, was Nachhaltigkeit, Bio-Qualität und ökologischen Anbau betrifft. Das geht alles oft Hand in Hand. Da wir in den USA keine reinen Unverpackt-Läden haben, verkaufen diese Geschäfte aber immer auch Produkte mit Verpackung.
Wenn die Menschen an eine Zero-Waste-Bloggerin oder einen Zero-Waste-Blogger denken, dann denken sie womöglich an eine schäbig aussehende Person, die in einem dreckigen Haushalt lebt. Und die Menschen sind oft auch angeekelt von der Idee, ihr Shampoo, ihr Deo oder ihre Reinigungsmittel aufzugeben. Nun, Sie sehen ganz und gar nicht so aus und Ihr Haus könnte sofort in einem Design-Magazin erscheinen. Glauben Sie, dass das Ihr größter Pluspunkt als Bloggerin ist?
Ja, meine Art Zero Waste zu leben hat die Leute angezogen. Die Leute hatten einfach falsche Vorstellungen. Wir haben viele Irrtümer aufgedeckt. Außerdem interessieren sich die Leute aus vielen verschiedenen Gründen für Zero Waste. Einige tun es aus gesundheitlichen Gründen, andere aus finanziellen Gründen und wieder andere, weil es einfach hübsch aussieht. Ich muss sagen: Ich finde alle diese Motive großartig.