Leben/Gesellschaft

Knochen als Hauptmahlzeit

Lebensmittelskandale verunsichern die Konsumenten. Oft ist nicht drin, was auf der Packung draufsteht“, sagt KURIER-Tiercoach Dagmar Schratter. Die Direktorin des Tiergarten Schönbrunn macht den jüngsten Etikettenschwindel der Fleisch-Branche mitverantwortlich für den Trend zur Rohkost-Ernährung von Hunden. BARF – kurz für Biologisch Artgerechte Rohe Fütterung – ist jedenfalls stark im Kommen. Wieder einmal.
„Ich habe meine drei Neufundländer nach diesem Prinzip ernährt, da gab es den Begriff noch gar nicht“, sagt die Expertin. Sie weiß, wie BARF richtig funktioniert, kennt aber auch die Probleme rund um die gesunde Versorgung der Vierbeiner mit frischem Fleisch, Knochen und ungekochtem Gemüse. Sie warnt: „Hundehalter sollen die Modeerscheinung nicht gedankenlos nachmachen.“
Das Ernährungskonzept BARF wurde für fleischfressende Haustiere, in erster Linie für Hunde, entwickelt und orientiert sich an den Fressgewohnheiten von Wölfen. Die Wildtiere schlingen große Fleischbrocken, kauen Knochen und schlucken Pflanzliches aus dem Verdauungstrakt ihrer Beutetiere, Getreide interessiert sie nicht. Dementsprechend sieht BARF für die domestizierten Vierbeiner einen eiweißreichen Speiseplan vor: Zwei Drittel rohes Fleisch und ungekochte Knochen (60% Knochen, 40 % reines Fleisch), ein Drittel Gemüse und Obst. BARF verzichtet im Gegensatz zu üblichen Futtermischungen auf den hohen Flocken-Anteil, üppig Ballaststoffe sind wider die Natur.

Portion

„Die Menge des Rohfutters muss individuell an das Tier angepasst werden“, erklärt der KURIER-Tiercoach. Richtwert für die tägliche Portion sind drei Prozent des Körpergewichts. Nimmt der Hund deutlich zu, muss die Ration reduziert werden, wird er zu dünn, bekommt er mehr in den Napf. Die Prozentanteile bleiben stets gleich. Ausgenommen sind Welpen und Senioren: „Jüngere Tiere brauchen mehr Protein, ältere vertragen mehr Gemüse“, sagt Schratter. Der Hund muss einen gesunden Eindruck machen.
Fertigfutter berücksichtigt in der Zusammensetzung das Alter des Vierbeiners – mitunter auch seine Rasse und krankheitsbedingte Diätvorschriften. Bei den einen Produkten sind die Zutaten qualitativ besser, bei den anderen minderwertiger, ausgewogen sind sie sicher. Ersthundebesitzer tun sich mit Feucht- und Trockenfutter aus der Dose leichter.
„Tierärzte stehen BARF meist sehr skeptisch gegenüber. Sie sehen, welche Folgen Ernährungsfehler haben“, sagt die Expertin und zählt Magen-Darm-Probleme, Zahnschäden, Hautkrankheiten, Verletzungen durch Fremdkörper und Mangelerscheinungen auf. Gerade Vierbeiner im Wachstum müssen ausreichend mit Vitaminen und Spurenelementen versorgt sein. Das Tüfteln mit Calcium, Phosphor und Salz ist nicht jedermanns Sache. Knochenpulver, Topfen und Gemüse treffen dazu nicht immer dem Geschmack des Hundes.

Informationen

„Haustierhalter, die BARF anwenden, können sich mit dem Tierarzt absprechen. Auch manche Züchter kennen sich aus“, sagt Schratter. Wichtig ist, dass Rindfleisch, Schaf, Pferd, Pute, Ziege und Lamm in großen Stücken und oft am Knochen angeboten werden. Das Kauen pflegt die Zähne. Rohes Schweinefleisch ist tabu, es kann das für Hunde tötliche Aujetzky-Virus enthalten. Ebenso lebensgefährlich für Vierbeiner sind gekochte Knochen, sie sind spröde und verursachen beim Splittern arge Verletzungen. Rohes Gemüse – süße Karotten und rote Rüben kommen am ehesten an – muss püriert werden, Hunde können die Fasern nicht aufspalten. Die Kombination von Fleisch und Gemüse führt bei vielen Vierbeinern zu Blähungen. Insgesamt ist Abwechslung gefragt. Einen Fasttag in der Woche hält die Expertin für überflüssig, Hunde sind nun einmal nicht erfolglose Jäger.
„Durch den hohen Fleisch- und Gemüseanteil nehmen die Vierbeiner viel Wasser auf, sie trinken daher weniger“, beruhigt der KURIER-Tiercoach. Auch die verminderte Ausscheidung ist kein Grund zur Sorge. Rohes Fleisch wird fast vollständig verdaut. „BARF funktioniert. Die Methode ist ungeeignet für Hundehalter, die das Füttern schnell erledigen wollen“, sagt Schratter und hat einen Tipp: „Eine Umstellung des Ernährungskonzeptes muss langsam vorgenommen werden. Eine komplette Änderung sollte vom Tierarzt kontrolliert erfolgen.“

Begriff: Die Diskussion um die Rohkost- Ernährung von Haustieren wird seit Langem geführt. So änderte sich im Laufe der Zeit auch die Definition der Abkürzung BARF. Zunächst standen die Buchstaben für „Born-Again Raw Feeders“ (Wiedergeborene Rohfütterer) und „Bones And Raw Foods“ (Knochen und rohe Nahrungsmittel), später wurden sie mit der Bedeutung „Biologically Appropriate Raw Foods“ (Biologisch geeignetes rohes Futter) belegt.
Die aktuelle Übersetzung lautet „Biologisch Artgerechte Rohe Fütterung“.

Zielgruppe: Ursprünglich wurde BARF für Hunde entwickelt. Mittlerweile gibt es auch Rohkost-Speisepläne für Katzen.