Axels Terrasseneintopf: Loblied auf die Friedhofsblume
Von Axel Halbhuber
Gestern Heiligengedenken, heute sind die Seelen dran, und wer Friedhof sagt, muss auch Chrysantheme sagen. „Leider“, wie Gärtnermeister Peter Leitner von der HBLFA für Gartenbau in Schönbrunn findet. Die vielfältige Blume sei durch ihre Reduktion auf Totengedenken weit unter Wert geschlagen. Dem einseitigen Image wirkt die Höhere Bundeslehr- und Forschungsanstalt (www.gartenbau.at) mit einem Thementag entgegen.
Leitner steht im riesigen modernen Glashaus inmitten eines Blumenmeeres, als er leidenschaftlich wird: „ Chrysanthemen haben so viele verschiedene Blütenformen. Viele Menschen wissen gar nicht, dass das alles Chrysanthemen sind, und verwechseln sie mit Dahlien.“ Kein Wunder, beide gehören zu den Asteraceaen (Korbblütler), wie Margeriten und Astern. Auch wenn sich alle ähnlich sehen, gibt es einen wesentlichen Unterschied: Chrysanthemen sind nicht winterhart – „leider“, fügt Leitner hinzu. An dieser Stelle rebelliert eine Besucherin, sie habe doch seit Jahren eine im Beet hocken, der Experte sagt sanft, das sei wohl eine Aster. In warmen Teilen Asiens, von wo die Pflanze mit dem griechischen Namen kommt, überlebt sie durchaus in Gärten, aber dort sind erstens die Winter milder und zweitens ihr Image mehr Heilmittel als Totenkraut. Bei uns sterben die meisten Chrysanthemen beim ersten strengen Frost, manche Sorten beim zweiten oder dritten. Einen ganzen kalten Winter überleben nur Staudenchrysanthemen.
Bleibt die Frage: Wie konnte die kälteempfindliche Blume zur Friedhofsikone avancieren? Weil sie auf natürlichem Weg erst blüht, wenn die Tage kurz werden. Im Herbst. Durch künstliche Dunkelhaft wird sie sogar punktgenau zu Allerheiligen zur perfekten Blüte gebracht – je nach Sorte sechs bis vierzehn Wochen lang maximal 14 Stunden Licht pro Tag.
Außerdem ist da eben die Pracht der Vielfalt. Leitner: „Von ballförmigen Sorten – die großblumigen sind stoß- und druckempfindlicher – bis zu mehrblütigen, einfachen Chrysanthemen in Margaritenform.“
Mut zur Mehrjährigkeit
Besonders beliebt sei die Pomponform, Leitner deutet auf eine Flut in Gelb, kleiner und robust wie ein Tennisball, die Sorte heißt übrigens Pingpong. Die werde gerne als Schnittblume genommen, ein Traum in jeder Friedhofsvase. Ebenso wie die ganz andere spinnenförmige Sorte daneben. Man kann sagen, Chrysanthemen sind so vielfältig wie Friedhofsbewohner.
Als Schnittblume sind sie auch genau so tot, finden wir Terrassengärtner. Die Pflanze im Topf zu halten, ist nicht einfach, aber möglich. „Solange es nicht wirklich kalt wird, kann man sie draußen lassen“, sagt Leitner. Nach der Blüte um bis zu zwei Drittel schneiden (ein bisschen Grün soll bleiben, daher braucht sie im Winterquartier Licht), bei fünf bis zehn Grad überwintern, mäßig gießen, aber nicht austrocknen lassen. Wenn sie wieder austreibt, ist der richtige Zeitpunkt zum Umtopfen – in durchlässiges, sandiges Substrat. Und durch künstliches Verdunkeln blühen die Chrysanthemen – auch schon vor November.