Leben/Gesellschaft

ABC einer Ära: Comeback der 70er

Arena

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Es war das kräftigste Lebenszeichen der alternativen Jugendbewegung in Wien: Der ehemalige Auslandsschlachthof in St. Marx, der einem Textilgroßhandelszentrum weichen sollte, wurde im Sommer 1976 besetzt. Gefordert wurde ein ganzjähriges Kultur- und Veranstaltungszentrum. Drei Monate dauerte die Besetzung, mit der sich auch internationale Künstler wie Leonard Cohen – der in St. Marx auftrat – solidarisierten. Dann ließ die Stadt Wien das Gelände räumen, es kamen die Abrissbirnen. Als Ersatz stellte die Gemeinde Wien den Inlandsschlachthof zur Verfügung, die heutige Arena.

Atomkraft

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Die rote Sonne, der Slogan: „Atomkraft? Nein danke“: Der Bau des Atomkraftwerks Zwentendorf im Tullnerfeld, das zehn Prozent des österreichischen Strombedarfs decken sollte, machte die Kernkraftgegner munter. Die Volksabstimmung am 5. November 1978 ging „arschknapp“ gegen die Inbetriebnahme des Kraftwerks aus (50,47 Prozent) und bescherte Bundeskanzler Bruno Kreisky eine herbe Niederlage.

Austropop

Marianne Mendt läutete die Ära des Austropop ein, 1970 mit „A Glock’n, die 24 Stunden läut’“. Lieder durften im Dialekt gesungen werden, anfangs skandalös. Wolfgang Ambros legte 1972 seinen Hit „Da Hofa“ nach. Keine lustige Runde, die den Refrain nicht nachgegrölt hätte. Ihre große Zeit hatten auch noch Ludwig Hirsch, Peter Cornelius („I leb in aner Wolk’n“, 1973), Georg Danzer und Wolfgang („Trödler Abraham“). Nicht ganz unbeteiligt an den Erfolgen: Radiomoderatorin Evamaria Kaiser. Damals wurden im noch jungen Sender Ö3 (gegründet 1967) sämtliche Austropop-Hits auf und ab gespielt.

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Club 2

Kontrovers, spannend, so konnte Fernsehen damals sein. In der ockerfarbenen Chesterfield-Garnitur des Club 2 (ab 1976) wurde gestritten, geraucht, geredet und sogar gesoffen und das auf erstaunlich hohem Niveau. Es moderierten Kaliber wie der Erfinder des Formats, Kuno Knöbl, außerdem Günther Nenning, Axel Corti, Dieter Seefranz und Peter Rabl.

Computer

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Der Altair 8800 kam 1975 auf den Markt, der erste halbwegs leistbare Heim-PC. Als Bausatz um 397 Dollar, fixfertig kostete er 695. Nur ein Jahr später entwickelte Steve Wozniak den ersten Apple. Das klobige Ding mit Holzgehäuse kostete 666,66 Dollar. Als Bildschirm diente ein umgebautes TV-Gerät, Arbeitsspeicher: 4 KB.

Digitaluhren

Analog war hoffnungslos unmodern, Digitaluhren waren angesagt. Statt Zeiger und Zifferblatt gab es LED-Anzeige. Leider verbrauchten die ersten Modelle so viel Strom, dass die Anzeige nur auf Knopfdruck für ein paar Sekunden aufleuchtete. Das besserte sich erst durch die LCD-Anzeige gegen Ende der 70er.

Disco

Wer reingelassen wurde vom Türsteher, war in: etwa ins Take Five in der Annagasse in Wiens Innenstadt (schloss 2014) oder ins Queen Anne in der Johannesgasse. Oder ins Atrium am Schwarzenbergplatz, ins Chattanooga am Graben, ins Voom Voom in der Daungasse, ins Vanilla auf der Freyung oder in die Camera in der Neubaugasse. Die Musik war von ABBA, Sweet, Boney M., Suzi Quatro, Neil Diamond, Elton John, Albert Hammond und Queen. Und man musste sich das Vergnügen leisten können: Eine Ein-Liter-Flasche Cola konnte schon einmal 60 Schilling kosten.

Energiekrise

Der Ölpreisschock war es: Der Benzinpreis, der stets um die 30 Cent (rund 4 Schilling) betrug, kletterte 1973, bei der ersten Ölkrise, auf 40 und 1979 sogar auf 70 Cent. Handelsminister Josef Staribacher führte 1974 den autofreien Tag pro Woche ein: Jeder musste ein Pickerl mit dem jeweiligen Wochentag auf die Windschutzscheibe seines Autos kleben. Der autofreie Tag galt nur fünf Wochen, die Pickerln waren jahrelang präsent. In den Schulen wurden 1974 Energieferien eingeführt, um im Winter Heizöl zu sparen.

Fast Food

Hauptsache, es geht schnell: 1977 sperrte am Schwarzenbergplatz die erste McDonald’s-Filiale auf und in den Kühlregalen der Supermärkte gab es plötzlich nicht mehr nur Erbsen und Karotten, sondern ganze Gerichte: Fischstäbchen, Pizza in allen Variationen ...

Gerngross-Brand

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Eine Rolltreppe sollte im Zuge von Umbauarbeiten abgetragen werden. Funken bei Schweißarbeiten lösten am 7. Februar 1979 einen spektakulären Großbrand aus. Das Traditionskaufhaus Gerngross in der Mariahilfer Straße stand in Flammen und brannte nahezu komplett aus. Aber schon 13 Monate danach wurde wieder eröffnet.

Glockenhosen

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Sie gehörten zur Mode der 70er wie die riesigen Hemd- und Blusenkragen, Rüschen und buschige Koteletten an Männerwangen. Dazu Brillen im XXL-Format, womöglich mit schattiert getönten Gläsern. Und das alles in Kreischbunt: Lila, Orange, Giftgrün und Zitronengelb waren die angesagten Farben. Dazu trug man entweder Töffler – klobige Holzpantoffel – oder Schuhe mit Plateausohlen oder Knautschlackstiefeln. Bei der Rocklänge immerhin war alles möglich: mini, midi, maxi.

Golf 1

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Da war die VW-Welt noch in Ordnung. 1974 rollte der erst VW-Golf vom Band, war von Beginn an ein Verkaufshit und damit der Nachfolger des in die Jahre gekommenen Käfers. Frontantriebe, Wasserkühlung , 50 PS und 5,2 Liter Sprit auf 100 km. Bisher wurden sieben Baureihen entwickelt, 2013 wurde der 30-millionste Golf produziert. Er ist nach dem Toyota Corolla und dem Ford F das weltweit drittmeistverkaufte Automodell der Geschichte. Auf Platz vier rangiert der VW Käfer.

Holaubek, Joschi

Der legendäre Wiener Polizeipräsident hatte seinen großen Auftritt am 7. November 1971: Drei Stein-Ausbrecher entführten einen Richter und dessen Schriftführerin und flohen. Binnen drei Tagen nahmen sie 14 Personen als Geiseln. Die Polizei umstellte schließlich das Gebäude in Kagran, in dem sich ein Geiselnehmer versteckte. Via Megafon wurde er zur Aufgabe aufgefordert. Als der Kriminelle mit erhobenen Händen aus dem Haus kam, ging Holaubek auf ihn zu und sagte den Satz, der ihn berühmt machte: „Kumm her, Walter, i bins, dei Präsident.“ Und führte den Mann ab.

Justizreform

Seit 1975 sind Mann und Frau im bürgerlichen Recht gleichgestellt. Und Homosexualität ist nicht mehr strafbar.

Kassettenrekorder

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Schallplatten: zu teuer. Aber mit dem Kassettenrekorder konnte man die aktuellen Hits aus dem Radio aufnehmen und eine eigene Musiksammlung zusammenstoppeln. 60, 90 oder 120 Minuten lang. Bis sich das Tonband um die Spulen des Rekorders wickelte und mühsam herausgekletzelt werden musste. Heute noch ist die Musikkassette das wichtigste Speichermedium in der Dritten Welt.

Klammer, Franz

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33 Hundertstel Sekunden machten ihn zum Volkshelden. So groß – oder klein – war der Vorsprung, den der Skirennläufer bei der Olympiaabfahrt 1976 gegen seinen Schweizer Konkurrenten Bernhard Russi herausfahren konnte. Die halsbrecherische Fahrt im dottergelben Rennoverall auf dem Patscherkofel war der wichtigste seiner insgesamt 25 Abfahrtssiege.

Kreisky, Bruno

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„Sechs Monate sind genug“ – mit diesem Slogan warb die SPÖ für die Wehrdienstverkürzung und Bruno Kreisky gewann 1970 so die Nationalratswahlen. Die Menschen wollten „ein Stück des Weges gemeinsam gehen“. Start für eine Ära der Erneuerung: Vor allem Christian Brodas Justizreform veränderte die Gesellschaft. Der Paragraph 144 wurde abgeschafft, der Zivildienst eingeführt.

Lauda, Niki

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Der regierende Formel-1-Weltmeister Niki Lauda dominierte auch die Rennsaison 1976. Beim Grand Prix auf dem Nürburgring brach sein Ferrari 312 T2 bei 220 km/h in einer Linkskurve nach rechts aus und Lauda raste gegen eine Felswand. Das Auto ging in Flammen auf. Rennfahrerkollegen lösten seinen Gurt und zogen ihn aus dem brennenden Auto. Nur 41 Tage nach dem Unfall stieg er in Monza mit blutgetränktem Kopfverband wieder in seinen Ferrari – und wurde Vierter.

Oben ohne

Ein wenig skandalös war es schon noch, als man im Sommer 1979 im Krapfenwaldbad als erstem Bad in Wien oben ohne gehen durfte. Die Siebziger waren ohnehin das Jahrzehnt des Busens: Österreich erregte sich über eine deutsche Kandidatin bei „Wünsch dir was“, die im Fernsehen eine Transparentbluse trug, und Sylvia Kristel als „Emmanuelle“ (1974) sorgte für Schlangen vor den Kinokassen.

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OPEC-Überfall

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Der Terror erreichte Wien. Am 21. Dezember 1975 stürmten während der OPEC-Ministerkonferenz sechs Menschen das Gebäude am Lueger-Ring töteten drei Menschen und nahmen 62 Geiseln. Die Täter: Drei Palästinenser und drei deutsche Terroristen, angeführt von Ilich Ramírez Sánchez alias Carlos, der Schakal. Die Regierung beschloss, die Geiselnehmer ausfliegen zu lassen, am Flughafen schüttelte der damalige Innenminister Otto Rösch Carlos die Hand und wurde dafür heftig kritisiert. Die Geiseln wurden nach und nach freigelassen, Carlos wurde erst 1994 verhaftet.

Ortstafelkonflikt

Klagenfurt – Celovec, Bleiburg – Pliberk, St. Kanzian – Škocjan. In mehr als 200 zweisprachigen Gemeinden Kärntens sollten deutsch- und slowenischsprachige Ortstafeln aufgestellt werden. Wie im Staatsvertrag vorgesehen. Im September 1972 wurden die ersten Tafeln aufgestellt und fielen rasch nächtlichen Schmieraktionen zum Opfer. Im Oktober formierten sich Protestkolonnen aus Hunderten Autos, die Tafeln wurden demontiert. Das wiederholte sich mehrfach. An vorderster Front standen Mitglieder des Kärntner Heimatdienstes. Vor dem Haus von Landeshauptmann Hans Sima sangen nachts Demonstranten Kärntner Lieder. Erst 2011 gab es eine politische Lösung des Problems.

Paragraph 144

Der „Abtreibungsparagraph“ im Strafgesetzbuch, der Schwangerschaftsabbruch unter Strafe stellt, wurde nach jahrelangen Bemühungen und Demonstrationen von Frauenorganisationen abgeschafft. An seine Stelle trat am 1. Jänner 1975 die „Fristenregelung“: Innerhalb der ersten zwölf Wochen der Schwangerschaft bleibt die Abtreibung straffrei.

Reichsbrücken-Einsturz

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Es war 4.30 Uhr in der Früh an diesem 1. August 1976, als die Reichsbrücke in die Donau stürzte. Ohne Vorwarnung. Ein Autolenker, der die Brücke queren wollte, starb, der Lenker des Gelenkbusses der Wiener Linien, der samt Bus ins Wasser fiel, blieb unverletzt. Bürgermeister Leopold Gratz wollte zurücktreten, doch Stadtrat Fritz Hofmann übernahm die politische Verantwortung und ging. Dafür kamen die Wiener zu Tausenden Reichsbrücke schauen. Salzgurkenverkäufer waren bald an Ort und Stelle und machten gute Geschäfte.

Samstagabend-Show

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Fernsehzeit – immer um 20.15 Uhr. Familiengerechte Unterhaltungsshows feierten Quotenrekorde. „Am laufenden Band“ mit Rudi Carell, „Einer wird gewinnen“ mit Hans-Joachim Kulenkampff, die Peter-Alexander-Show. Und die für damalige Zeiten fortschrittliche Familien-Spiele-Show „Wünsch dir was“ mit Dietmar Schönherr und seiner dänischen Frau, die reizend lispelnde Vivi Bach. Aufreger: Ein im Pool versenktes Auto, eine Transparent-Bluse.

Slime

Der giftgrüne, grausliche Gatsch war ein beliebtes Spielzeug, mit dem es sich wunderbar lästige Erwachsene schrecken ließ. Der kreischenden Tante auf den Rock gekippt – herrlich. Spielzeug von damals war vor allem eines: aus Kunststoff. Etwa die Klick-Klack-Kugeln an einem Schnürl mit Ring, die blaue Flecken machten, wenn man nicht richtig mit ihnen umging; es gab den Hüpfball, Monchichi-Afferln, und den PEZ-Spender. Besonders cool war das Bonanza-Fahrrad, womöglich aufgeputzt mit einem Fuchsschwanz.

Toast Hawaii

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Er war so wunderbar exotisch: Die Ananasscheibe aus der Dose auf dem Schinkentoast mit Käse drauf, gratiniert und im Loch der Ananas als Deko eine Cocktailkirsche. Andere 70er-Klassiker: Rote Burlis als Speisenverzierung (Streifen eingelegter Paprika), oder der Partyhit Jägerwecken: Ausgehöhlter Sandwich, das Innere vermischt mit Ei, Schinken, Gurkerln und viel Mayonnaise wieder ins Brot füllen, kühlen, aufschneiden). In fast jeder Küche stand ein unbenutzter Römertopf. Eine Dreieckschnitte kostete einen Schilling, ein Twinni 2,50 und ein Cornetto sechs Schilling.

U-Bahn

Bundespräsident Rudolf Kirchschläger – er prägte den Spruch von den „Sümpfen und sauren Wiesen“, die es trockenzulegen galt – saß im Führerstand. Hinter ihm stand Bürgermeister Leopold Gratz, als am 25. Februar 1978 der erste U-Bahnzug vom Karlsplatz zum Reumannplatz fuhr. Ein Volksfest. Doch die U1 war genau genommen schon die zweite U-Bahn in Wien. Seit 8. Mai 1976 verkehrte die U4 zwischen Heiligenstadt und Friedensbrücke – doch die folgte nur der alten Stadtbahntrasse und fährt meist oberirdisch.

Vierteltelefon

Auf den Knopf drücken, es klickt, dann kommt das Freizeichen. Wählen, natürlich mit der Wählscheibe. Oder auch nicht. Wenn der Nachbar wieder einmal telefonierte. Vier Haushalte teilten sich einen Telefonanschluss. Das bedeutete zumeist: warten. Erst in den 80er-Jahren wurde das „ganze“ Telefon Standard.

Videospiele

Es hieß „Pong“ und war der erste Videospiel-Hit. 1972 erschien das Game von Atari, bei dem zwei Spieler ähnlich dem Tischtennis mit einem „Paddle“ hin- und herschupfen mussten. Als Weiterentwicklung der Fernsehtechnologie gab es Spielkonsolen für daheim – und das Ende der Spielhallen.

Wohnen

Die Tapeten: bunt und groß gemustert. Auf dem Boden: Spannteppich, möglichst flauschig. Im Wohnzimmer der Einbauschrank und der Couchtisch zum Hochkurbeln, in modernen Haushalten Schleiflackmöbel in Weiß und viel Orange und Gelb. Und ohne Plastik ging natürlich gar nichts. Heiß begehrt: die Fototapete.

Zivildienst

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Wer den Dienst mit der Waffe ablehnte, durfte seit 1975 Zivildienst statt Grundwehrdienst leisten. Allerdings musste er seine „Gewissensgründe“ vor einer Kommission darlegen. Erst 1992 wurde die Kommission abgeschafft.