24-Stunden-Betreuung: Die Vermittlerin aus der Slowakei
Von Uwe Mauch
Die Züge aus der slowakischen Hauptstadt Bratislava kommen jeweils zur Viertel- und zur Dreiviertelstunde auf dem Wiener Hauptbahnhof an. Auf den Anzeigetafeln steht REX, doch der wissende ÖBB-Mitarbeiter nennt ihn „Pflegerinnen-Express“. Schnell öffnen sich die Türen, und tatsächlich steigen auffallend viele Frauen mit großen Rollkoffern aus: die bereits mit Sehnsucht erwartete Ablöse für ihre Kolleginnen in der 14-Tage-24-Stunden-Betreuungsschicht!
Nur eine Frau trägt heute keinen Koffer, sondern nur eine Handtasche mit dem Nötigsten und ihrem Laptop.
Zuzana Tanzer kam vor 23 Jahren, damals noch als Zuzana Slovakova, zum ersten Mal nach Österreich, damals als eine der ersten 24-Stunden-Betreuerinnen aus der Slowakei. Sie hatte gerade in ihrer Heimat die Ausbildung zur diplomierten Krankenschwester abgeschlossen und ein knappes Jahr in einer Prager Uniklinik gearbeitet, als ihr eine Kollegin das weit geöffnete Tor nach drüben, ins Nachbarland, zeigte.
"Ich war jung"
Für die Betreuung eines an Demenz erkrankten Linzer Post-Pensionisten erhielt sie drei Mal so viel Geld wie ihre Kolleginnen in Prag oder Bratislava. „Da störte es mich auch nicht, dass ich mein Geld unter der Hand bekam.“ Vermittelt wurde sie von der Südböhmischen Volkshilfe, die ihren Agentursitz in Budweis hatte, die früh das große Geschäft witterte und anfangs auch im rechtsfreien Rahmen agieren konnte. Zuzana Tanzer erklärt dazu: „Mir war das damals egal. Ich war jung, ich wollte Medizin studieren. Und ich konnte jeden Schilling gut gebrauchen.“
Knapp drei Jahre hat die diplomierte Krankenschwester in Österreich als private Betreuerin gearbeitet. In Seewalchen lernte sie ihren heutigen Mann kennen: „Der Rainer hat für seinen Vater eine Betreuerin gesucht.“ Bald haben sie eine eigene Firma gegründet: „Er hat den unternehmerischen Mut – und ich das Wissen und den Willen, meinen Landsleuten deutlich bessere Arbeitsbedingungen zu bieten, als sie mir zu Beginn geboten wurden.“
Ein transparenter, genau geregelter Vertrag, eine erfahrene Ansprechperson in der Agentur, die in jeder Situation helfend zur Seite stehen kann, das biete ihre Agentur Altern in Würde. „Wir vermitteln aber auch nur Betreuerinnen, die den strengen Aufnahmetest bestehen“, betont die Agenturchefin.
Sie jammert nicht
Seit Gründung der Firma vor 19 Jahren hat Zuzana Tanzer gut 5000 Landsfrauen den Weg zu einem Job in Österreich geebnet. Viele von ihnen sind noch immer aktiv.
Doch in letzter Zeit ist die Akquise in der Slowakei deutlich schwieriger geworden. Sagt sie. Weil die Einkommensunterschiede zwischen den beiden EU-Ländern nicht mehr so eklatant sind. Weil die Arbeitsbedingungen oft schwierig sind. Frau Tanzer vielsagend: „Ich würde mir wünschen, dass alle Mitbewerber Aufnahmetests einführen, damit nicht Ungeübte sofort zu arbeiten beginnen können. Auch wäre es hoch an der Zeit, dass man den 24-Stunden-Betreuern mit mehr Respekt begegnet.“
Riesiger Arbeitsmarkt
Zuzana Tanzer ist keine, die jammert. Seit zwei Jahren holt sie gut ausgebildetes Personal aus Ungarn nach Österreich. Insgesamt arbeiten laut einer Erhebung der SVA exakt 62.269 24-Stunden-Betreuerinnen in Österreich. Die meisten reisen aus der Slowakei und aus Rumänien zu ihrem 14- oder 30-Tage-Turnus an. Da die Österreicher älter werden und die Rekrutierung aus dem Nachbarland Slowakei zunehmend schwieriger wird (es gibt bereits Frauen, die aufgrund der Kürzung der Familienbeihilfe kündigten), fehlen vor allem gut qualifizierte Kräfte. Derzeit laufen unter anderem in Ungarn und im Osten Kroatiens Rekrutierungsversuche. Auch Tanzer hat ihre Suche ausgeweitet. Im Vorjahr veranlasste sie die ersten Tests in Kroatien. Zudem ist sie Kooperationen mit dem Roten Kreuz und anderen Mitbewerbern eingegangen: „Konkurrenten wurden so zu Kollegen.“