Kultur

Zwei Ichs und eine Apothekenrechnung

Ein Schwerarbeiter im Nachthemd: Martin Wuttkes Inszenierung von Molières „Der eingebildete Kranke“ gastierte im Landestheater St. Pölten. Er selbst spielt die Hauptrolle und ächzt, fuchtelt und furzt sich grandios hysterisch durch den Abend.

Die Inszenierung – sie ist Teil der Molière-Trilogie der Volksbühne Berlin – setzt auf Live-Projektionen und überlegt den 350 Jahre alten Slapstick Molières mit der Radikalität des frühen 20. Jahrhunderts. Antonin Artauds rauschartigen Selbstbefragungen – geradezu beispielhaft dafür, wie man sich zu Tode lachen kann. Wer’s trotzdem nicht kapiert: Ein rot-weiß gestreifter Vorhang lässt wissen, womit wir es zu tun haben: „zum Totlachen!“.

Höhnisch grinsend

Emblematisch thront über der Bühne ein höhnisch grinsendes Skelett: Der Tod, der nach Belieben seine Sanduhr umdreht: So lange hast du noch Zeit. Hypochonder Argan ( Wuttke) ist überzeugt, dass er nicht mehr viel Zeit hat. Er leiert Monologe über Einläufe und Apotheken-rechnungen herunter, auf Französisch, und erinnert dabei an Louis des Funès’ Molière-Interpretationen. Panisch fuchtelt der Verzweifelte mit seinem Stock und verlangt von seiner Tochter, einen Mediziner zu heiraten. Er ist, weiß Gott, nicht der einzige Hysteriker: Wuttke lässt dem Ensemble Raum zur Entfaltung des Irrsinns.Wunderbar gestört: Lilith Stangenberg, die die Töchter Argans spielt.

Artauds Wahnsinns-Texte durchbrechen das Tempo der Komödie, in der gefurzt und kalauert wird bis zum Umfallen. Befragungen nach dem Ich und dem Anderen – am Ende wechseln der Arzt und der Kranke die Rollen – werden mit einem Riesenklistier beantwortet. „Ich befinde mich unter meinem Niveau“, wird Artaud zitiert. Macht nichts, es passt.

KURIER-Wertung: