Kultur

Zaz mit neuer CD: "Ich werde glücklich"

Geld ist für sie nicht von Interesse. Das sang Zaz in „Je Veux“, in jenem Hit, der die Französin und ihren Sound-Cocktail aus Chanson, Jazz und Gipsy-Klängen bekannt machte. Und just der verschaffte ihr nach Jahren des Tingelns mit verschiedenen Bands, nach Engagements in den Kabarett-Etablissements von Paris mit 33 Jahren doch das große Geld. Der fröhlich dahinswingende Song eroberte 2011 die Charts fast aller Länder Europas, machte Zaz auch in Russland, Kanada und Japan zum Star. Der KURIER traf die Französin zum Interview.

KURIER: Gratulation zu dem Erfolg mit dem Debüt-Album. Ich habe aber gelesen, dass Sie dadurch ins Burn Out gerutscht sind. Wie kam es dazu?

Zaz: Ich habe das einmal in einem anderen Interview erwähnt, dabei aber das falsche Wort gewählt. Es war nie ein Burn Out, es gab einfach einmal eine Zeit, in der alles etwas schwieriger war. Ich war erschöpft und musste drei Konzerte absagen. Das war wirklich schwer, weil ich damals nicht auf mich und meinen Körper geachtet habe. Aber jetzt habe ich alles neu organisiert und komme mit dem Tourleben gut zurrecht.

In Ihrem Hit "Je Veux" singen Sie davon, dass Geld Sie nicht interessiert. Ist das mit dem Erfolg genauso, oder ist damit ein Traum in Erfüllung gegangen?
Dieses Lied handelt eigentlich von der Zeit, als ich noch bei diversen Kabarett-Bühnen gearbeitet habe. Da wusste ich sehr oft nicht, wie es weitergeht. Da kam ich immer wieder an Punkte, wo ich nichts Weiteres mehr lernen konnte und dann den Job aufgegeben habe, um mir etwas Neues zu suchen, das inspirierender war. Das heißt aber nicht, dass mich Geld prinzipiell nicht interessiert. Ich bin sehr froh, dass ich jetzt mehr Geld habe und auch diesen Erfolg, weil ich damit jetzt etwas bewegen und bewirken kann.

Was ist Ihnen das Wichtigste, das Sie mit Ihren Songs bewegen wollen?
Das Wichtigste ist mir, den Menschen bewusst zu machen, das alles aus Ihnen selbst kommt. Man muss einen gewissen Frieden in sich selbst haben, um auch in der Welt Frieden schaffen zu können. Und dafür muss man sich von allem, was man an Einflüssen von außen auferlegt bekommt, sei es von der Gesellschaft oder der Bildung, lösen. Dem muss man sich entledigen. Und dann kann man erkennen, dass man alles Schöne und Wichtige in sich selbst findet, dass man eine Stimme in sich hat, auf die man hören sollte.

Ist Ihnen das so wichtig, weil Sie das selbst erst durch harte Erfahrungen gelernt und erkannt haben?
Klar, habe ich das auch erst selbst lernen müssen. Und ich lerne es auch immer noch. Ich bin jetzt viel mehr mit mir selbst im Reinen, als ich es noch vor ein paar Jahren war. Ich habe den Anspruch an mich selbst, so authentisch wie möglich zu sein, aber das ist nicht einfach. Ja, es war ein mühsamer Weg.

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In wie fern?
Als ich jünger war, habe ich mich nie selbst geliebt. Und irgendwann habe ich die Entscheidung getroffen, mich selbst anzulügen. Ich habe in den Spiegel geschaut, die Augen voll Tränen, und gesagt, ich liebe dich, ich liebe dich. Und: Ich werde glücklich. Und das habe ich immer und immer wieder wiederholt. Und es gibt einen Moment, wo das funktioniert, wo man sich selbst überzeugen kann, dass man das schaffen kann. Wenn man sich entscheidet, man wird böse, wird man böse, die Menschen haben diese unglaubliche Fähigkeit. Und ich habe mich für glücklich entschieden.

Geht es deshalb in Ihren Songtexten oft darum, dass man sich selbst nicht als Opfer sehen darf?
Wenn man sich als Opfer sehen will, wird es immer wieder Gründe dafür geben, dass das sehr leicht geht. Sport zu machen war für mich ein gutes Mittel dagegen, weil man dafür viel Motivation braucht, wenn man müde ist und zum Training soll. Man muss den ersten Schritt machen und sagen, ich gehe doch. Das ist der erste Schritt nicht mehr Opfer zu sein, sondern sein Leben in die Hand zu nehmen.

Sie sprechen damit ihre Zeit in Bordeaux an, in der Sie auf eine Kung-Fu-Schule gegangen sind. Welchen Einfluss hatte das auf diese Geisteshaltung und den Anspruch, authentisch zu sein?
Ich mache Karate und Judo, seit ich klein war. Ich hatte immer sehr viel Energie und den Kopf immer irgendwo in den Sternen. Ich brauchte eine Methode, um die Füße auf den Boden zu bekommen. Dieses Training hat mir so viel geistige und körperliche Beweglichkeit gebracht. Außerdem hat es mich Ausdauer und Teamgeist gelehrt. Auch auf das Tanzen und mein Selbstvertrauen hat sich das sehr positiv ausgewirkt. Denn dadurch, dass Kung Fu mit einer Philosophie verbunden ist, bringt es einen Dialog zwischen Körper und Geist, der wichtig für das Selbstvertrauen ist. Aber auch das Vertrauen in andere wird dadurch fantastisch geschult. Denn man berührt dabei ständig fremde Leute, wird mit starken Bewegungen von fremden Leuten berührt, aber eben ohne einander zu verletzen oder zu schockieren.

Ein weiteres Thema, das in Ihren Songs häufig vorkommt, ist die Freiheit. Sie hatten aber immer große Freiheit, sind schon als Jugendliche viel gereist. Normalerweise sind Dinge, die man hat, eher selbstverständlich und nicht so ein wichtiges Thema. Warum ist Ihnen die Freiheit so wichtig?
Wenn man viel auf Reisen ist, heißt das noch lange nicht, dass man frei ist. Auch die Freiheit ist etwas, das man in sich selbst finden muss. Das ist auch ein bisschen widersprüchlich. Denn man kann auch unheimlich viel Geld haben und damit die Freiheit, alles machen zu können, aber gleichzeitig unglücklich sein. Deswegen versuche ich, für mich selbst ein Bewusstsein zu entwickeln, dass ich genau weiß, was will ich selbst, und was drängt mir die Gesellschaft auf. Außerdem könnte ich niemals frei und ruhig sein, solange ich nicht in einer friedlichen Welt lebe. Diese Welt entspricht nicht meinen Vorstellungen. Der Motor, der mich heute antreibt, ist der Wunsch, etwas zu verändern und etwas anzukurbeln.

Meinen Sie das politisch? Was würden Sie gerne verändern?
Politik ist so ein verfremdeter Begriff. Da werden wir in verschiedene Kategorien und in ein System gepresst, das den Menschen und ihren Bedürfnissen nicht mehr entspricht. Ich bin ausgeprägt humanistisch eingestellt und engagiere mich deshalb in dem Verband Kolibri. Der vertritt meine Werte und stellt die Menschen und den Humanismus vor die Politik. Alle Erlöse aus dem Verkauf von T-Shirts und Platten stecke ich in Projekte von diesem Verband.

Was sind diese Werte? Wie würden Sie das System ändern, dass diese Werte mehr Beachtung finden?
Das beste Beispiel ist das Bildungssystem. In dem wird nämlich die Arbeit des Kindes nicht wertgeschätzt, sondern immer nur das Ergebnis, das dann mit einer Note bewertet wird. Es gibt beispielsweise Kinder, die arbeiten gerne minutiös und lange. Und wenn das Ergebnis dann nicht entspricht, bekommen sie eine schlechte Note. Ich kenne das von mir selbst. Ich muss immer etwas anpacken und selbst machen können, um es zu verstehen. Man müsste das Bildungssystem viel mehr den individuellen Bedürfnissen anpassen. Außerdem finde ich, man sollte mehr in die Bildung investieren, als in Waffen. Und mit der Umwelt ist es genauso: Man fordert ja auch von einer Frau nicht, dass sie neun Kinder in neun Monaten bekommt. Das ist aber genau das, was wir aktuell mit unserer Welt machen. Und das entspricht nicht meinen Werten.

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Haben Sie Visionen, wie man der Ausbeutung der Welt entgegenwirken kann? Ich persönlich habe speziell in Bezug auf die Umweltprobleme oft das Gefühl, dass es längst zu spät ist.
Es gibt nichts, wofür es zu spät ist. Selbst wenn Dinge schon sehr lange auf bestimmte Weise gemacht werden, kann man immer noch etwas ändern. Ein Beispiel dafür ist Pierre Rabhi, ein Schriftsteller und Philosoph, der aus Algerien in die Ardèche gegangen ist und sich dort auf einem Grundstück niedergelassen hat, das sehr, sehr trocken und lebensfeindlich war. Er hatte sehr viele Kompost-Verfahren und Anbausysteme entwickelt, mit denen der steinige Boden, auf dem er sich da niedergelassen hat, fruchtbar geworden ist. Alle haben zu ihm gesagt, dass er verrückt ist, dorthin zu gehen. Aber er hat dort innerhalb weniger Monate Gemüse und Obst gezogen, das quantitativ und qualitativ sehr, sehr gut war. Das zeigt, wenn man etwas anpackt, kann man immer etwas verändern.