Kultur

Woody Allen und die Freud-Stadt

London, Barcelona, Paris, Rom – in den letzten Jahren hat Woody Allen viele Hauptstädte Europas abgeklappert und von dort seine filmischen Postkarten versendet. Warum nicht auch aus Wien?

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Schaut man sich seinen neuen Film„Blue Jasmine“an, könnte man den Eindruck bekommen, die Stadt an der Donau stünde als nächster Drehort auf der Liste. Wiederholt ist da von Wien die Rede – und wie schön es wäre, dort Zeit zu verbringen. Allen selbst hatte in einem KURIER-Interview beteuert, wie gerne er einige Monate hier leben und arbeiten würde.

Die Realität sieht allerdings anders aus. Arie Bohrer von der „Location Austria“ – einer Servicestelle für internationale Filmproduktionen in Österreich – hat in dieser Causa bereits versucht, mit Allens Filmfirma Kontakt aufzunehmen. Die Anfrage blieb ohne Echo.

Er werde es aber weiter versuchen, versichert Bohrer dem KURIER, denn: „Psychoanalyse ist doch Woody Allens Spielfeld. Da wäre es naheliegend, dass er in der Freud-Stadt etwas auf die Beine stellt.“ Rund 30 Millionen Dollar koste ein Woody-Allen-Film, rechnet Bohrer: „Im Rahmen der österreichischen Mittel ließe sich da vielleicht ein interessantes Paket zusammenstellen.“ Besonders touristisch gesehen wäre ein Wien-Film von großem Interesse, so Bohrer: Eine Oxford-Studie habe ergeben, dass mindestens jeder zehnte Tourist sein Ziel aufgrund eines Films wähle.

Wien-Tourismus

Auch Marijana Stoisits von der Vienna Film Commission würde sich einen internationalen Wien-Boost wünschen, jedoch: „Das ist eine Frage des Geldes. Woher soll man das nehmen?“

Zwar gibt es auch die reine Wirtschaftsförderung FISA („Filmstandort-Austria“) – eine Initiative des Wirtschaftsministeriums – die rund 7, 5 Millionen Euro für Filmförderungen im Jahr zur Verfügung hat. Doch bei diesen Geldern handelt es sich um Spitzenfinanzierungen, die erst ausgeschüttet werden, wenn die Grundfinanzierung eines Projekts bereits steht. Ein weiteres Hindernis: Eine ausländische Filmproduktion braucht dazu einen österreichischen Koproduktionspartner. „Seit zwei Jahren sind wir bestrebt, das zu ändern“, sagt Stoisits: „Doch es geht nichts weiter.“

Nicht mehr lange. Wie das Büro des Wirtschaftsministeriums verlautete, soll es in Zukunft möglich sein, auch ohne österreichische Koproduktionen hierzulande zu drehen und dafür nur heimische Serviceproduktionen in Anspruch zu nehmen. Diese Bestimmung werde im nächsten Jahr in Brüssel notifiziert.

„Das kann in dem einen oder anderen Fall Sinn machen“, sagt Roland Teichmann vom Österreichischen Filminstitut: „Aber es sollte nicht nur ums Geld gehen, sondern auch tatsächlich etwas mit Wien zu tun haben.“

Als Vertreter einer Förderungseinrichtung, die an kultureller Förderung des österreichischen Films interessiert sei, stünde für ihn die Einbindung der hiesigen Kreativen im Vordergrund.

Auch Gerlinde Seitner vom Filmfonds Wien gibt zu bedenken: „Wie wünschenswert wäre es, Fördergelder in dieser Höhe von der Produktion heimischer Filme abzuziehen?“ Touristische Absichten verfolge die Wiener Filmförderstelle nicht: „Uns geht es in erster Linie um die Stärkung heimischer Talente und die Beschäftigung in der Filmwirtschaft.“

Und was man vermeiden wolle: „Dass man am Ende des Tages als gutmütige Melkkuh dasteht“, sagt Teichmann.

Kleine Pointe am Rande: Die Spanier haben angeblich eine Million Euro auf den Tisch gelegt, nur um bereits im Titel eines Woody-Allen- Films genannt zu werden: „Vicky Cristina Barcelona.“

Was Sie schon immer über Woody Allen wissen wollten

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Als seine Filme noch nicht in Europa, sondern vornehmlich in den Straßen von Manhattan spielten: Das Wiener Gartenbaukino widmet (bis 18. Dezember) eine komplette Retro von Woody-Allen-Arbeiten, die zwischen 1965 und 1989 entstanden.

Also alles zwischen „Was gibt’s Neues, Pussy?“ und „Hannah und ihre Schwestern.“ Zwar hat man viele dieser Filme schon irgendwann einmal gesehen. Doch ein neuerlicher Besuch des Frühwerks lohnt sich allemal und bereitet viel Nostalgie-Spaß.

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Zum Beispiel ist der legendäre, stark autobiografisch gefärbte Film „Der Stadtneurotiker“ („Annie Hall“, 1977) voll mit herrlichen Szenen: Da wartet beispielsweise Woody Allen mit Diane Keaton in der Schlange vor der Kinokasse. Hinter ihnen steht ein Mann und verbreitet lautstark seine Meinung über Fellini-Filme – und die Medientheorien des berühmten Philosophen Marshall McLuhan. Woody ärgert sich maßlos über das angeberische Gequatsche seines Hintermanns. „Was wissen Sie schon über McLuhan?“, faucht er schließlich – und holt zur Überraschung aller den echten Marshall McLuhan als Gewährsmann hinter einem Plakatständer hervor.

Auch der junge Christopher Walken hat einen unheimlichen Kurzauftritt als Annie Halls depressiver Bruder. Ganz zu schweigen von der Erscheinung eines ebenfalls blutjungen Jeff „Die Fliege“ Goldblums, der während einer Party am Telefon hängt.

Oscars

Solche Details hat man womöglich längst vergessen. Und vielleicht auch, wie famos neurotisch die junge Diane Keaton damals war. Mit ihrer fahrigen, unsicheren Art ergibt sie das perfekte Pendant zu Allens leicht hysterischen Komiker Alvy Singer.

Dafür erhielt sie einen von vier Oscars, die an „Annie Hall“ vergeben wurden. Damit setzte sich Woody Allen gegen George Lucas’ „Star Wars“, der sechs Oscars gewann, in allen wichtigen Hauptkategorien durch.