Kultur

Wolf Suschitzky: Hundert Jahre und sehr weise

Das Altwerden ist eigentlich kein besonderer Verdienst", sagt Wolf Suschitzky, und er ist einer, der es wissen muss: Denn Wolf Suschitzky ist heuer 100 Jahre alt geworden: "Aber man wird gefeiert, wenn man alt wird", fügt Suschitzky hinzu.

Und wenn es sich einer verdient hat, dann er.

Denn Wolf Suschitzky ist Wiener Emigrant und legendärer Kameramann und Fotograf. Er hat fünfzig Jahre britische Filmgeschichte mitgeprägt und in der Dokumentarfilmbewegung entscheidende Akzente gesetzt. Seine Fotografien aus dem London der 30er-Jahre begründeten das in England noch unbekannte Genre der "Street Photography". Er porträtierte Größen aus Politik und Kunst wie Aldous und Julian Huxley, David Ben-Gurion, Gründungsvater Israels oder den indischen Ministerpräsidenten Nehru. Und: Er war einer der Ersten, der auch tolle Tierporträts anfertigte – "und zwar nicht nur Bilder, die alle vier Beine und einen Schwanz zeigen, wie damals üblich", erzählt Suschitzky im KURIER-Interview.

Zurzeit ist er anlässlich der Viennale auf Wien-Besuch. Samstagabend wird ihm eine Gala ausgerichtet (siehe Info) und der Gangsterklassiker "Get Carter" mit Michael Caine gezeigt, bei dem Suschitzky die Kamera führte.

"Michael Caine", erinnert sich Suschitzky freudvoll: "Der war sehr professionell und immer da, wenn man ihn gebraucht hat. Ein ausgezeichneter Schauspieler."

Wienerisch

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Dabei war er einmal ein echter Wiener. Wolf Suschitzky wuchs im 4. Bezirk auf. Sein Vater Wilhelm war ein gestandener Sozialdemokrat und Freidenker: "Mein Vater trat aus der jüdischen Gemeinde aus", erzählt der Sohn, "und ich wurde ohne Religion erzogen." Wilhelm Suschitzky war auch der Erste, der eine sozialdemokratische Buchhandlung im Arbeiterbezirk Favoriten eröffnete, "was den Gemeinderäten gar nicht recht war", erinnert sich Suschitzky: "Die fanden, die Arbeiter sollten in die Stadt fahren, wenn sie Bücher lesen wollten." Wolf selbst entschied sich für den Beruf des Fotografen und besuchte in Wien die Höhere Graphische Lehr- und Versuchsanstalt.

Nach dem blutigen Bürgerkrieg im Februar 1934 beging Wilhelm Suschitzky Selbstmord, die Buchhandlung wurde "arisiert" und der Sohn verließ das Land. "Ich habe viel Glück gehabt im Leben", sagt Wolf Suschitzky heute, "denn ich bin rechtzeitig aus Österreich hinausgekommen. Ich wäre nicht mehr am Leben, wäre ich geblieben."

Suschitzky: Fotograf und Kameramann

Karriere: Wolf Suschitzky, geboren 1912 in Wien als Sohn eines jüdischen Buchhändlers und Verlegers, verließ nach den blutigen Februar-Aufständen 1934 Wien. Er emigrierte nach London, arbeitete als freischaffender Fotograf und wurde ab 1937 Kameraassistent bei dem britischen Doku-Regisseur Paul Rotha. Erste Spielfilme ab 1950.

Wienbesuch: Im Wiener Literaturhaus findet heute, Freitag, bei freiem Eintritt die Veranstaltung "100 Minuten mit Wolf Suschitzky" statt (18.30). Am Samstag wird im Rahmen einer Viennale-Gala sein berühmtester Film "Get Carter" im Künstlerhauskino gezeigt (21 Uhr). Beide Veranstaltungen in Anwesenheit von Wolf Suschitzky.