Kultur

"Wir wollen uns jetzt alle wieder beruhigen"

Fast nur Theaterkritiker da", bemerkt ein Journalist. Kein Wunder, schließlich steht im Mittelpunkt des Prozesses ja ein Ex-Burgtheaterdirektor. Und eines muss man sagen: Hätte Matthias Hartmann bei der Tagsatzung Regie geführt, die Stunden wären anders verlaufen.

Nicht so entsetzlich fad.

Je länger die Verhandlung sich im ewigen Hin und Her der Anwälte verlor, umso mehr füllte sich der Saal M im Arbeits- und Sozialgericht Wien mit den Klängen der Fadesse: Seufzen, Gähnen, Räuspern, dem erschöpften Ächzen der Sessel.

Nun dient ein Prozess ja der Wahrheitsfindung und nicht der Unterhaltung. Aber ein Prozess ist immer auch eine Inszenierung. Er hat ein Bühnenbild (Bundesadler, Kruzifix, Kerzen, schweres Holz), ein Publikum – und er hat Darsteller.

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Da ist natürlich Richterin Kristina Heissenberger, kühl zu Beginn, dann immer genervter, schließlich blitzenden Auges einen scharfen, eleganten Monolog haltend, als ihre Autorität in Zweifel gezogen wird. Da ist Bernhard Hainz, der Anwalt der Bundestheaterholding, stets eine geschmeidige Boshaftigkeit zur Hand. Da ist Hartmanns Rechtsvertreter Georg Schima, der sich – es geht um eine dubiose Barauszahlung aus der Burg-Kassa – dermaßen in Rage redet, dass auch die Richterin wütend wird.

Schima: "Unfassbar!"

Richterin: "Herr Dr. Schima, ich ersuche Sie, sich zurückzuhalten ..."

Schima: "Und ich ersuche Sie, der Prozessleitung genauer nachzukommen!"

Richterin: "Ich möchte ausreden! Ich kann einer klagenden Partei nicht verbieten, Urkunden vorzulegen!"

Das war schon der Höhepunkt der Verhandlung. Wobei: Einmal rief Hartmann laut "Schwachsinn!" Und den schönsten Satz sagte die Richterin: "Wir wollen uns jetzt alle wieder beruhigen."

Hauptthema am Vormittag war, kein Witz, die Frage, ob tatsächlich nur mit Farbstift markierte Stellen in Dokumenten als Beweis gelten. Die Richterin, verzweifelt bemüht, die anschwellende Flut an Akten, Zeugenladungen und Argumenten einzudämmen, bestand auf dieser Auffassung. Anwalt Schima formulierte daraufhin sanft, aber deutlich, die Drohung, alles zu markieren.

Gut? Böse? Wurscht?

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Ansonsten geht es wieder um die entscheidende Frage dieses Prozesses: Hat Hartmann – der ja der Kläger ist, er klagt gegen seine Entlassung – das unsaubere Buchhaltungssystem der Burg gedeckt, vielleicht sogar, um Steuern zu hinterziehen – oder war er ganz im Gegenteil um Aufklärung bemüht? Wurde ihm die Inszenierung einer positiven Bilanz nahegelegt – „wurscht wie“? Der Wahrheit kommt man auch an diesem Tag kaum näher. Weiteres Thema: Hat Hartmann unerlaubt Aufsichtsrats-Protokolle an Journalisten weitergeben lassen? Der Bundestheateranwalt kündigt eine weitere Klage an.

Bis in den Abend wurden Matthias Hartmann und Ex-Holdingchef Georg Springer befragt. Hartmann erklärte, man habe ihm ein schuldenfreies Burgtheater zugesagt, er habe früh auf finanzielle Probleme hingewiesen, Springer habe abgewiegelt.

Weiters ging es um Hartmanns Vorbereitungshonorare über 273.000 Euro. Davon hat Hartmann nur 110.000 entnommen, den Rest bei der damaligen Burg-Finanzchefin Silvia Stantejsky „geparkt“ – und nicht versteuert. Diese „Nachlässigkeiten“ (wie Hartmann es nennt) waren ein wesentlicher Grund für seine Entlassung.

Springer versicherte, er habe von Bargeldverwahrungen Stantejskys für Hartmann bis zum 7. März 2014 nichts gewusst. An diesem Tag wurde laut Springer auch ein Beleg über eine Auszahlung von 233.000 Euro an Hartmann aus dem Jahr 2009 bekannt. Hartmann besteht mit Nachdruck darauf, dieser Beleg sei „falsch“. Auch Springer sprach von einer „Mogelpackung“.

Das genaue Prozess-Protokoll finden Sie im Folgenden.

13 Stunden: So lange verhandelte Richterin Kristina Heissenberger am Mittwoch im Wiener Arbeits- und Sozialgericht mit eiserner Disziplin die Klage des Ex-Burgtheaterdirektors Matthias Hartmann gegen seine fristlose Entlassung. Am ersten von vorerst zwei Prozesstagen wurden neben Hartmann auch Ex-Holding-Chef Georg Springer sowie der ehemalige Kunstminister Rudolf Scholten vernommen.

Inhaltlich zäh, dafür umso emotionaler: So gestaltete sich die zweite Tagsatzung in diesem Prozess, der klären soll, ob Hartmann zu Unrecht entlassen wurde und ihm somit auch eine Summe von rund 2 Mio. Euro zusteht, die sich aus der Kündigungsentschädigung, offenen Gagen sowie Zahlungen aus seinem bis Ende August 2019 abgeschlossenen Vertrag zusammensetzen.

Zentrale Fragen waren - neben der ausführlichen Diskussion über die Frage, ob auch nicht farblich gekennzeichnete Passagen in vorgelegten Urkunden als prozessrelevant einzustufen seien - die vertragliche Ausgangslage, unter der Hartmann 2006 bestellt wurde, die Höhe von Vorbereitungshonoraren, deren Verwahrung durch die ehemalige kaufmännische Geschäftsführerin Silvia Stantejsky in einem "Depot" sowie deren Nicht-Versteuerung durch Hartmann.

Gedächtnislücken und Wortgefechte

Während Hartmann, der nach der Mittagspause in den Zeugenstand gerufen wurde, oftmals mit Gedächtnislücken zu kämpfen hatte und die Zeitpunkte von diversen Gesprächen mit Kulturminister Josef Ostermayer und der damaligen Kulturministerin Claudia Schmied (beide SPÖ) nicht mehr näher eingrenzen konnte (Richterin: "War es im Frühling, Sommer, Herbst oder Winter?" - Hartmann: "Ich kann es nicht sagen, ich muss daheim in meinem Kalender nachschauen."), lieferte Georg Springer am Abend eine theaterreife Performance, in der er nicht nur Daten, sondern auch Uhrzeiten (und Stimmungen) von Gesprächen und Treffen konkret benennen konnte.

Immer wieder wurde der Prozess von lauten Wortgefechten unterbrochen. Im Laufe des Verfahrens wurden etwa Honorarbelege vorgelegt, die Hartmann bisher noch nicht gekannt hatte (und diese auch als gefälscht bezeichnete), was Hartmann-Anwalt Georg Schima sichtlich erregte und der in weiterer Folge gar so weit ging, die Prozessleitung Heissenbergers zu hinterfragen.

"So ein Schwachsinn!"

Hartmann selbst platzte am Vormittag einmal der Kragen, als ihm vorgeworfen wurde, er habe vom "System Stantejsky" gewusst und sei daran beteiligt gewesen. "So ein Schwachsinn!", rief der Ex-Direktor, der ein andermal den Zeigefinger Richtung Ex-Holding-Chef Georg Springer erhob und zischte: "Nicht lügen! Nicht lügen!". Konsequenterweise bat Hartmann nach der Mittagspause darum, dass Springer während seiner Einvernahme den Raum verlasse, was dieser auch tat. Umgekehrt blieb Hartmann als klagende Partei bei Springers Einvernahme im Saal.

Sätze wie "Wir wollen uns jetzt alle wieder beruhigen!" oder "Sie wissen schon, dass wir das Verfahren irgendwie effizient führen müssen" seitens der Vorsitzenden Heissenberger waren keine Seltenheit und sorgten auch unter den zahlreichen Journalisten immer wieder für Schmunzeln. Relativ gelassen agierte hingegen Burgtheater-Anwalt Bernhard Hainz, der selten seine Stimme erhob.

Vergleich mit Bergmann

Die Hartmann-Anwälte stellten in ihren Vorbringen einmal mehr die Entlassung infrage, indem sie auf Interimsdirektorin Karin Bergmann verwiesen, die ebenfalls Steuerschulden sowie mangelnde Fähigkeiten, Bilanzen zu lesen, eingestanden hatte. Hier werde mit "zweierlei Maß" gemessen, so Schima.

Ausführlich wurde auch die Frage diskutiert, von wem Hartmann 2006 eigentlich bestellt wurde und wer dazu befugt gewesen sei, ihn wieder abzuberufen. Zum Burgtheater-Direktor sei er im Mai/Juni 2006 in Form einer "brieflichen Absichtserklärung" durch den damaligen Kunststaatssekretär Franz Morak (ÖVP) ernannt worden. Das hat mich überrascht." Zentraler Punkt: "So, wie ich das da gelesen habe" wäre zur Abberufung nur der Bundeskanzler berufen gewesen. Abberufen wurde er dann im März 2014 jedoch durch Ostermayer.

Thema: Steuerschuld

Auch Hartmanns Steuerschuld (nicht versteuerte Vorbereitungshonorare) waren aufgrund der Tatsache, dass diese als Entlassungsgrund geführt wird, ausführlich Thema. Hartmann hatte einen Teil der 273.000 Euro in einem Depot der damaligen kaufmännischen Geschäftsführerin Silvia Stantejsky belassen. Laut Hartmann sei es ein privater, freundschaftlicher Dienst Stantejskys gewesen, das Geld am Haus zu behalten. Für Georg Springer seien gerade diese Barzahlungen, von denen er erst im März 2014 Kenntnis erlangt hatten, ein wesentlicher Kündigungsgrund gewesen, wie dieser ausführte.

Auf den Einwand, dass Barzahlungen bekanntermaßen am Theater Usus seien, führte Springer aus: "Es gibt einen Unterschied zwischen Barzahlung und Barzahlung", so der Ex-Holding-Chef. "Im Normalfall ist es so: Es gibt einen Schalter, manchmal stehen da viele Leute, und die kriegen etwas bar ausgezahlt. Die gehen mit diesem (normalerweise versteuerten Geld) weg. Was anderes ist, dass ich mir einen Anspruch zuerkennen lasse, dieses Geld aber nicht nehme, sondern es beim Arbeitgeber liegen lasse. Das ist Vorschubleistung, ein Schwarzgeldsystem aufzubauen."

Thema: Regiehonorare

Man habe am 7. März 2014 auch eine Aufstellung über Hartmanns Regiehonorare vom Burgtheater erhalten. Diese hätten mit bisher bekannten Zahlen nicht überein gestimmt. "Entweder war das eine Traummännchen-Rechnung oder eine Mogelpackung", meinte Springer. Die Honorare seien - wohl im Nachhinein - gezielt auf eine bestimmtes Ergebnis "hingerechnet" worden.

Zum Thema wurde zu fortgeschrittener Stunde auch Hartmanns Vorbereitungsvertrag, der vom damaligen Holding-Chef Georg Springer unterschrieben wurde. "Und zwar: In meiner Funktion als Eigentümervertreter und nicht als Holding-Chef. Deshalb musste ich auch die Entlassung aussprechen", so Springer. Richterin Heissenberger merkte an, dass der Vertrag eigentlich von den Geschäftsführern der Burgtheater GmbH abgeschlossen werden hätte müssen. "Hätte Bachler das entscheiden müssen, würden wir alle nicht hier sitzen. Denn dann wäre Herr Hartmann nie Burgtheaterdirektor geworden", so Springer darauf mit Verweis auf das Verhältnis zwischen dem damaligen Direktor Klaus Bachler und Hartmann.

Das Verhalten von Kulturminister Ostermayer schien Hartmann nach wie vor im Magen zu liegen. "Es wäre ein Gebot der Fairness gewesen, wenn er mich gefragt hätte, ob die Vorwürfe gerechtfertigt sind", hielt der Ex-Burgtheater-Direktor fest. Das sei unterblieben. Georg Springer räumte gegen Ende seiner Einvernahme ein, dass man die Entlassung Stantejskys viel früher öffentlich kommunizieren hätte müssen. "Dann wäre uns viel erspart geblieben", so Springer, der dafür ein Nicken Hartmanns erntete.

Rudolf Scholten als letzter Zeuge

Als letzter Zeuge wurde um 22.15 Uhr der frühere Kulturminister und Kontrollbank-Chef Rudolf Scholten in den Zeugenstand geladen. Dieser bestätigte, mit Hartmann persönlich bekannt zu sein und ihm den Tipp gegeben zu haben, sich an Anwalt Thomas Angermair zu wenden. "Ich hatte Eindruck, dass er einen persönlichen Anwalt haben will, der verhindert, dass er Fehler macht", so Scholten, der zu keinem Zeitpunkt persönlich mit Angermair in der Causa Kontakt hatte und auch nicht wusste, dass Angermair bereits zuvor das Burgtheater vertreten hatte. Er habe Angermair lediglich in einer anderen Sache als Anwalt erlebt und als sehr kompetent empfunden und daher empfohlen. Matthias Hartmann habe ihm, Scholten, im Vorfeld nichts Genaues über sein Anliegen erzählt.

Die bis ursprünglich 19.30 Uhr anberaumte Verhandlung wird morgen, Donnerstag, um 9.30 Uhr fortgesetzt. Auf der Zeugenliste stehen Josef Ostermayer, Rechtsanwalt Thomas Angermair, Holding-Prokurist Othmar Stoss und Kunstsektionsleiter Michael Franz.