Wiener Literaturfestival O-Töne musste indoor eröffnen
"Entschuldigung, da können Sie nicht rein!" Kommt man zum O-Töne-Festival im Wiener Museumsquartier nicht mit ausreichend Vorsprung, haben die Securities das letzte Wort. Am Auftaktabend am Donnerstag, als das Wetter ein Ausweichen in die Arena21 notwendig machte, musste man coronabedingt früh dran sein, um Xaver Bayer und Helena Adler von Angesicht zu Angesicht zu begegnen.
Zweiter Schauplatz mit Videowall
300 Sitzplätze gibt es im Haupthof, in der Arena21 sind es lediglich 130. Fein säuberlich im Schachbrettmuster fanden sich die Literaturfans ein, um den Lesungen aus Bayers Erzählband "Geschichten mit Marianne" und Adlers "Die Infantin trägt den Scheitel links" zu lauschen. 99 weiteren Besuchern war es immerhin vergönnt, den beiden von Klaus Kastberger mehr als launig moderierten Auftritten via Videowall (und mit Maske) in der Ovalhalle zu lauschen.
"Ein seltsamer Moment"
"Es ist ein seltsamer Moment", begrüßte denn auch Festivalleiter Christoph Möderndorfer das disziplinierte Publikum. "Ein seltsamer Moment, der uns aber auch glücklich macht." Schließlich habe man lange Zeit nicht gewusst, ob die 17. Ausgabe des Open-Air-Literaturfestivals aufgrund der Corona-Bestimmungen überhaupt stattfinden kann. Teil des Deals: kein musikalischer Opener und eine Covid-19-Beauftragte. In dieser Funktion begrüßte schließlich auch Co-Leiterin Gabriela Hegedüs das Publikum, das vor Beginn der Veranstaltung die bereitgelegten Formulare ausfüllen musste, auf der neben Sitzreihe und Name auch die E-Mail-Adresse bekannt gegeben werden muss (im Freien ist das Ausfüllen freiwillig). 28 Tage werden die Daten aufbewahrt, falls im Nachhinein ein Corona-Fall bekannt wird, wie Hegedüs der APA erläuterte. Erst nach Ablauf dieser Frist werden die Daten vernichtet.
Auf die gesundheitspolitische Bürokratie folgte dann das Vergnügen: Als Debütantin präsentierte Helena Adler ihren Roman, den sie aufgrund der Krise bisher nur in digitalen Lesungen vortragen konnte, wie sie im Gespräch mit Kastberger, der das Programm gemeinsam mit Daniela Strigl kuratiert, erläuterte. In ihrem Debütroman "Die Infantin trägt den Scheitel links" (Jung und Jung) widmet sich die 1983 geborene Salzburgerin mit großer Verspieltheit dem bäuerlichen Nachwuchs und dessen Überlebensstrategien.
Als Hauptact betrat schließlich Xaver Bayer die Bühne und lieferte sich einen humorvollen Schlagabtausch mit Kastberger, der vergeblich versuchte, eines der seltenen Interviews mit dem Autor zu führen. Dieser las schließlich drei der insgesamt 20 "Geschichten mit Marianne" (ebenfalls Jung und Jung): Zwanzig Worst-Case-Szenarien, die im Alltag einer Beziehung beginnen und in Anarchie, Horror und Zerstörung enden. Nach 90 Minuten wurde das Publikum schließlich zum geordneten Rückzug aufgerufen - um sich dann diszipliniert an den beiden Signiertischen am Ausgang anzustellen.
Ein gelungener Auftakt, der über den "seltsamen Moment" mehr als hinwegtröstete. Kommende Woche sind Valerie Fritsch mit "Herzklappen von Johnson & Johnson" und in der Reihe "Debüts" Dominik Barta mit "Vom Land" zu Gast.
(Von Sonja Harter/APA)
INFO: Programm unter www.o-toene.at