Kultur

Wenige Weltpremieren im Schatten des Oscars

Ausnahmsweise heiter ging heuer der Hauptwettbewerb der 63. Berlinale im Kampf um den Goldenen Bären zu Ende. Nachdem viel Problemkino – vor allem aus Osteuropa und Asien – die Zuschauerherzen während der letzten zehn Tage eher schwer zurückgelassen hat, setzt Marion Bercots frisches Road-Movie „On My Way“ eine fröhliche Note. Catherine Deneuve – nach Juliette Binoche als „Camille Claudel 1915“ und Isabelle Huppert als lesbische Nonne in „La Religieuse“– ist somit die dritte Grande Dame des französischen Kinos, die sich in Berlin die Ehre gibt. In ihrer Rolle als Ex-Schönheitskönigin, deren Leben mit 60 Jahren in die Krise gerät, will sie eigentlich nur Zigaretten kaufen fahren – und bricht bei der Gelegenheit aus ihrem Alltag aus.

Die ältere Frau und ihr (einsamer) Alltag war ohnehin eines der zentralen Themen, die sich durch den Bewerb zogen. Mit seiner bittersüßen Tragikomödie „Gloria“ , in der die 58-jährige Titelheldin auf Partnersuche geht, landete der chilenische Regisseur Sebastian Lelio einen echten Festivalhit. Die allseitige Begeisterung trieb die Kosten für die Verleiher, die sich um den Film rissen, in ungeahnte Höhen.

Auch der Rumäne Călin Peter Netzer punktete gehörig mit seiner großartigen Hauptdarstellerin Luminita Gheorghiu in „Child’s Pose“, die als resolute, neureiche Geschäftsfrau Cornelia alles daran setzt, ihren Sohn vor dem Gefängnis zu bewahren. Cornelia wird zum Inbegriff einer korrupten, rumänischen Bourgeoisie, die mit gezückter Brieftasche jede Form der Moral in käufliches Gut verwandelt. Gheorghiu gilt als die große Dramatikerin Rumäniens und spielt ihr kettenrauchendes Muttermonster ganz hervorragend.

Starke Frauen hatte auch der ausgezeichnete Beitrag von Ulrich Seidl aufzuweisen, wenn auch in anderer Hinsicht: die Mädchen in „Paradies: Hoffnung“ müssen alle im Diätcamp antreten, um abzuspecken.

Tiefpunkt

Relativ enttäuschend in einem insgesamt ohnehin nicht von allzu vielen Höhepunkten gesegneten Wettbewerb fiel die Teilnahme der Amerikaner aus. Nicht nur hatte keiner der vier Filme eine Weltpremiere in Berlin. Einen echten Tiefpunkt stellte Fredrik Bonds „The Necessary Death of Charlie Countryman“ dar, dessen dümmliches Drama mit Shia LaBeouf zum erbärmlichsten Film der Berlinale erklärt werden kann.

Natürlich: Festivaldirektor Dieter Kosslick kämpft mit der Oscarpreisverleihung, die allzu knapp nach seiner Berlinale stattfindet. Da wollen einfach viele Amerikaner nicht mehr anreisen. Und wie es im deutschen Feuilleton gerne Kosslick-kritisch fest gehalten wird: Berlin sitzt einfach nur auf Platz drei, nach Cannes und Venedig.

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