Kultur

Welt Wunder Walt

Wir sahen jedes Ballett und jeden Film. Und wenn ein Film gut war, sahen wir ihn uns eben fünf Mal an.“ Marc Davis, einer der legendären Nine Old Men aus Disneys Zauberfabrik, erinnerte sich an die Arbeit für den Film „Schneewittchen und die sieben Zwerge“ (1937). „Walt hat ein Studio in North Hollywood gemietet“, so der Veteran weiter, „in dem wir eine Auswahl von Filmen studierten; alles Mögliche war darunter: Chaplin, "Das Kabinett des Dr. Caligari", "Nosferatu aber auch Metropolis". Den wollte ich kein zweites Mal sehen. Aber das war eben Walts Standpunkt: Immer auf der Suche nach etwas anderem zu sein.“

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Zu einer Zeit, als die Fantasie noch nicht aus dem Computer kam, galt Walt Disney als die Nummer eins in Sachen Kreativität. „Es macht Spaß, das Unmögliche zu tun“, war das Motto des am 5. Dezember 1901 geborenen Sprosses einer Familie, die sich bis auf das Jahr 1066 zurückführen lässt. Damals war ein gewisser Robert d'Isigny im Gefolge von Wilhelm dem Eroberer in England gelandet. Fast tausend Jahre später ersetzte in der Neuen Welt der Zeichenstift jegliches Kriegsgerät. Umso effektiver hat sich Disneys wunderbare Welt des Zeichentricks in den Köpfen festgehakt.

Ein Imperium wächst

Walt Disney ist der Schöpfer so unsterblicher Figuren wie Micky & Minnie Maus, Kater Karlo, Goofy, Pluto und Daisy Duck. Er selbst ist zwar seit fünfzig Jahren tot. Das Imperium aber, das er hinterließ, wächst und wächst und wächst ...

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Der so großartige wie reichhaltige Bildband „Das Walt Disney Filmarchiv. Die Animationsfilme 1921-1968“ gewährt jetzt erstmals Einblick in die Entstehung der zeitlosen Großtaten: von den Anfängen im Stummfilm mit der entzückenden vierjährigen Virginia Davis in „Alice’s Wonderland“ (1923) über den ersten Langfilm „Schneewittchen und die sieben Zwerge“ (1937) und das wegweisende Experiment „Fantasia“ (1940) bis zur letzten Produktion des insgesamt 22-fachen Oscargewinners: „Winnie Puuh und das Hundewetter“ (1968).

Die letzte Ranaissance Werkstatt

Insgesamt 1.500 Abbildungen, Zeichnungen, Skizzen und Fotos sowie zahlreiche Texte renommierter Disney-Experten wie John Lasseter („Toy Story“) führen direkt ins Herz der – wie es Herausgeber Daniel Kothenschulte beschreibt – „letzten Renaissance-Werkstatt“.

Eine Fließband-Produktion mit Herz und einem Ziel: 650 Personen hatten sich in der riesigen Halle im nördlichen Hollywood eingefunden, um sieben Tage die Woche an „Schneewittchen“ zu arbeiten. Beinahe rund um die Uhr, aber das für gutes Geld. Fünf Dollar extra brachte ein guter Gag. Und das zu einer Zeit, in der ein Abendessen in einem Diner um 37 Cent offeriert wurde.

350 Bücher aus Europa

Wichtigstes Recherche-Instrument der Disney-Künstler war dabei die 1934 gegründete Studiobibliothek. Sie bestand hauptsächlich aus 350 Bildbänden, die der Boss von einer Europareise nach Kalifornien mitgebracht hatte. „Es liegt ein größerer Reichtum in Büchern als in jedem Piratenversteck auf der Schatzinsel“, pflegte der Meister zu sagen, wenn jemand anzweifeln wollte, warum die alten Illustrationen von Grandville oder Honoré Daumier gegen Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts noch immer Inspiration sein sollten.

Genau diese Bandbreite macht Disney aus. Auch wenn man heute gern von einem einheitlichen Disney-Stil spricht, den man „in einem weiten Teil der Unterhaltungskultur diagnostiziert, erstrebte Disney lange Zeit ganz im Gegenteil eine enzyklopädische stilistische Vielfalt“, erklärt auch Daniel Kothenschulte.

Who created Bambi?

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Bleibt ein Detail: Nicht überall, wo Disney draufsteht, hat Walt Hand angelegt. Sein erster Kollege, Ub Iwerks (1901-1971), etwa zeichnete frühe Micky-Maus-Trickfilme im Alleingang. Dann teilten Carl Barks und die Nine Old Men – Ward Kimball u. a. – die Schlüsselszenen unter sich auf. Um die Bilder dazwischen kümmerten sich so genannte „In-Betweens“. Einer davon, der aus China stammende Tyrus Wong, gilt heute als der letzte Zeichner, der Walt Disney persönlich kannte. Wong schaffte wie wenige andere den Sprung zum regulären Zeichner. Sein asiatisch-impressionistischer Stil hatte den Look von „Bambi“ geprägt, die Verfilmung der „Lebensgeschichte aus dem Walde“ des österreichischen Schriftstellers Felix Salten.

Mit ein wenig Glück wird er bald vom größten deutschsprachigen Disney-Experten kontaktiert – Daniel Kothenschulte: „Tyrus Wong ist 106 Jahre alt und ich war zu schüchtern, ihn anzusprechen. Ich fahre aber jetzt wieder nach Los Angeles und muss es endlich versuchen.“ Good luck!

Jazz loves Disney

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Rechtzeitig zum Jubiläum wird nun auch an den Jazzfreund Walt Disney erinnert. Auf dem Album "Jazz loves Disney" interpretieren Größen wie Jamie Cullum, Melody Gardot, Gregory Porter und Stacey Kent berühmte Songs aus alten und neuen Disney-Klassikern.

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Jamie Cullum etwa tapst mit "Everybody Wants to Be A Cat" erfreut auf den Spuren der "Aristocats". Und Vamp Melody Gardot haucht sinnlich "He's A Tramp".