War Banksys Schredderaktion ein abgekartetes Spiel?
Ein Bild von Street-Art-Künstler Banksy hat sich am Samstag nach seiner Versteigerung bei Sotheby's in London selbst zerstört. Kurz nach dem Zuschlag für knapp 1,2 Millionen Euro lief es vor staunenden Betrachtern durch einen im goldenen Bilderrahmen verborgenen Schredder, der untere Teil des Werks hing darauf in dünnen Streifen hervor. Nun wird spekuliert, ob das Auktionshaus eingeweiht war.
Banksy, dessen wahre Identität unbekannt ist, teilte zuerst ein Foto dieser Szene per Foto-Plattform Instagram und versah es mit dem Kommentar "going, going, gone" - "zum Ersten, zum Zweiten, zum Dritten". Später postete der Künstler ein Video, auf dem eine vermummte Person Teile eines Schredders in einen Bilderrahmen setzt. "Vor ein paar Jahren baute ich heimlich einen Schredder in ein Gemälde...Falls es jemals versteigert werden sollte", heißt es in einem eingeblendeten Text.
"Der Drang zu zerstören, ist auch ein kreativer Drang"
Dann folgen Szenen aus dem Auktionshaus Sotheby's. Das Bild "Girl with a Balloon" von Banksy steht zum Verkauf. Sobald der Hammer fällt, kommen aus dem dicken, verschnörkelten Goldrahmen laute Piepsgeräusche, das Bild wird durch den unteren Teil des Rahmens gezogen und kommt in Streifen wieder heraus. Die umstehenden Besucher und Mitarbeiter können kaum glauben, was sie gerade gesehen haben. Den Beitrag kommentiert Banksy mit einem angeblichen Picasso-Zitat, das allerdings auch dem anarchistischen Vordenker Mikhail Bakunin zugeschrieben wird: "Der Drang zu zerstören, ist auch ein kreativer Drang."
Bei dem geschredderten Bild handelt es sich um eines der berühmtesten Banksy-Motive, ein Mädchen, das den Arm nach einem davonfliegenden Luftballon in Herzform ausstreckt. Das Motiv erschien zuerst als Wandgemälde in London. Das nun zerstörte Bild, auf Leinwand gesprüht, stammt aus dem Jahr 2006. Es soll laut Sotheby´s im selben Jahr durch den unbekannten Vorbesitzer direkt vom Künstler erworben worden sein.
Mehrere Zufälle
Das Auktionshaus bezeichnete den Vorfall als "unerwartet". Doch es gibt Zweifel an dieser Darstellung. Kann das wirklich alles ohne das Zutun der Sotheby's-Mitarbeiter geschehen sein? War es reiner Zufall, dass das Bild als letztes Los verkauft wurde und exakt den selben Preis erzielte wie der bisherige Rekord eines Banksy-Werks im Jahr 2008 mit 953,829 Britischen Pfund? Das Fachblatt The Art Newspaper hält es nicht für ausgeschlossen, dass Sotheby's-Mitarbeiter ihre Finger im Spiel hatten.
Zudem könnte man sich fragen: Die Präparierung des ungewöhnlich dicken Rahmens hätte den Kunstexperten doch auffallen müssen. So musste das Bild durch den eingebauten Schredder ein wesentlich höheres Gewicht haben als üblich. Auch müsste an der Unterseite des Rahmens ein Schlitz zu sehen gewesen sein, durch den die geschredderten Schnipsel durchlaufen können.
Möglich ist natürlich auch, dass das Auktionshaus eine Vorahnung hatte und einmal abgewartet hat, was passiert.
War anonymer Künstler selbst vor Ort?
In einer Mitteilung zeigte sich Sotheby's beinahe amüsiert. "Es sieht so aus, als seien wir gerade gebanksyd worden", sagte Alex Branczik, Leiter der Abteilung für zeitgenössische Kunst in Europa bei Sotheby's. Mit der Aktion sei Geschichte geschrieben worden. Der Financial Times sagte er, Sotheby's sei im Gespräch mit dem überraschten Käufer, der sein Gebot per Telefon abgegeben hatte. Sollte es ihn tatsächlich geben, könnte er möglicherweise sogar erfreut sein: Medien spekulierten, der Wert des Werks könnte sich durch die Aktion erheblich erhöht haben. Eine Sicht, die Sotheby's-Experte Branczik teilt. "Man könnte argumentieren, dass das Werk jetzt einen höheren Wert hat, sagte er The Art Newspaper zufolge. Das Schreddern sei nun integraler Teil des Kunstwerks.
Eine weitere Frage beschäftigte am Wochenende die Medien. War Banksy möglicherweise selbst an Ort und Stelle und drückte den Auslöser? Unter den Gästen der Auktion machten angeblich Gerüchte über einen mysteriösen Mann mit Sonnenbrille und Hut die Runde, der kurz nach dem Vorfall in eine Rangelei mit Sicherheitskräften verwickelt gewesen sein soll.
Aufsehen erregende Aktionen
Der aus Bristol stammende Street-Art-Künstler ist bekannt für seine gesellschaftskritischen Werke. Im Jahr 2015 machte er Furore mit einer Installation mit dem Titel "Dismaland", einem gruseligen Anti-Freizeitpark an der englischen Küste. Vergangenes Jahr eröffnete er in Betlehem ein Hotel, das mit der "schlechtesten Aussicht der Welt" wirbt - dem Blick auf die Trennmauer zwischen Israel und dem Westjordanland. Ein Werk Banksys zeigt Menschen bei einer Kunstauktion, versteigert werden die gerahmten Worte: "Ich kann nicht glauben, dass ihr Idioten diesen Mist tatsächlich kauft." Auch dieses Werk kam bei Sotheby's unter den Hammer.