Kultur

Von Bond bis "Blow Up"

Wenn es keine Zukunft gibt, wie kann es dann Sünde geben?“, grübelten die Sex Pistols in ihrer Hymne „God Save the Queen“. Ein Text, der in den 1970er-Jahren endgültig Abschied nimmt vom britischen Traum der Swinging Sixties. "England’s Dreaming" heißt das passende Buch dazu, das sich mit den Sex Pistols, Punk und dem England der 60er-Jahre befasst. Das Buch (von Jon Savage) gab nun auch einer spannenden Filmschau den Titel.

Das Österreichische Filmmuseum widmet sich bis 7. März dem britischen Kino der 60er-Jahre. Und das stand lange im Schatten der italienischen bzw. französischen Kunstkonkurrenz einerseits und dem populären Hollywoods andererseits. Irgendwie sei Großbritannien, so Truffaut einmal in seinem Gespräch mit Hitchcock, doch "filmfeindliches" Gelände – „Man könnte sich fragen, ob nicht die Begriffe ,Kino‘ und ,England‘ eigentlich unvereinbar sind.“

Abgesehen vom Chauvinismus ist vor allem der Zeitpunkt von Truffauts Ausspruch absurd. Denn gemeinsam mit der britischen Musikproduktion war das Kino Englands damals, im August 1962, gerade drauf und dran, kultureller Hauptmotor in Europa zu werden und birgt bis heute einige der spannendsten Filmschätze dieser Ära. Wohl auch deshalb, weil der englische Traum und die darauffolgende Desillusionierung so nah beieinander standen. Was sehr, sehr verschiedenartige Filme hervorbrachte. So war ein amoralisches Model, das nach gesellschaftlichem Aufstieg strebt (John Schlesingers "Darling", 1965) ein ebenso wichtiger Protagonist des britischen Kinos, wie die erschreckend-authentischen Endzeitvisionen eines Peter Watkins in seinem Doku-Drama „The War Game“ (1965). Während sich James Bond ("Goldfinger", 1966) in exotischen Locations herumtrieb und Stanley Kubrick "Clockwork Orange" (1971) filmte, hielt Ken Loach mit dem grimmigen Sozialdrama "Cathy Come Home" (1966) die triste Realität vor Augen.

Dieses zerrissene Bild übertrug sich auch auf ausländische Filmemacher, wie etwa Antonioni: In "Blow Up" (1966) glaubt ein Fotograf, auf den Bildern, die er zufällig in einem Londoner Park geschossen hat, eine Leiche zu entdecken. Doch die Auflösung des möglichen Mordes scheitert an der Auflösung der Apparatur: Durch die fortschreitende Vergrößerung der Fotos wird das Bild immer körniger, unklarer, letztlich unkenntlich.

Ein anderes Beispiel ist Roman Polanski mit seinem hypnotischen Film "Repulsion" (1965): die fast durchsichtige, überirdisch schöne Catherine Deneuve verstrickt sich darin zwischen Wahn und Wirklichkeit in Sexualneurosen. Die Filmschau enthält übrigens auch österreichische Erstaufführungen, darunter die neue Fassung von Peter Whiteheads legendärem Rolling-Stones-Porträt "Charlie Is My Darling – Ireland 1965."